Wirtschaftskrise in Chile wegen Corona: Die Schlacht von Santiago
Verschärfte Quarantäne in der Hauptstadt, geringe Kupferpreise: Chile muss wegen des Coronavirus um Milliardenhilfen beim IWF bitten.
Die Regierung reagierte damit auf den alarmierenden Anstieg der positiv mit dem Coronavirus getesteten Personen. Am Dienstag wurde innerhalb von 24 Stunden 2.660 neue Fälle bestätigt, im Laufe des Mittwoch kamen weitere 2.659 hinzu. Eine Gruppe von Bürgermeister*innen der benachbarten Region Valparaíso forderte die Regierung auf, ihre Region ebenfalls unter Quarantäne zu stellen.
Bisher hatte die Regierung auf strikte Quarantänemaßnahmen verzichtet. Doch jetzt hat Corona das Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses geführt. „Wegen des Ausbruchs im Großraum Santiago stoßen wir an die Grenze bei der Verwendung von Betten für kritische Fälle und Beatmungsgeräten“, erklärte Gesundheitsminister Jaime Mañalich. Die Auslastung der Intensivbetten liege bereits bei 87 Prozent. Mehrere Privatkliniken in Santiago meldeten bereits einen Annahmestopp bei Corona-Patient*innen.
Insgesamt war die Zahl der Infizierten bis Donnerstag auf 37.040 gestiegen. 70 Prozent entfallen auf den Großraum Santiago. „Tatsächlich ist die Schlacht von Santiago die entscheidende Schlacht im Krieg gegen das Coronavirus“, verschärfte Gesundheitsminister Jaime Mañalich hörbar sein Vokabular.
Krise auch wegen sinkendem Kupferpreis
Die Zahl der Toten lag am Donnerstag landesweit bei 369. Damit hat Chile noch immer eine der niedrigsten Sterberate in der Region. Aber liegt die Zahl der Infizierten liegt im regionalen Vergleich im oberen Bereich.
Auch finanziell ist Chile in Schwierigkeiten geraten. Der Staat entlang der Anden ist weltweit der größte Kupferproduzent. Kupfer ist sein wichtigstes Exportprodukt und der größte Devisenbringer. Noch im Dezember 2019 hatte die Tonne Kuper den Rekordpreis von 6.200 Dollar erzielt. Inzwischen ist er um 1.000 Dollar gesunken. Ähnlich wie beim Erdöl übersteigt das Angebot aufgrund der Pandemie die weltweite Nachfrage und die kommt bei Kupfer vor allem aus China.
Chiles Bergbauexperten schätzen das Überangebot für 2020 auf 200.000 bis 300.000 Tonnen. Einige kleinere Minen haben den Abbau bereist eingestellt, um die geringe Nachfrage auszugleichen. Noch machte Bergbauminister Baldo Prokurica auf Optimismus als er kürzlich verkündete, die Jahresproduktion würde lediglich um 63.300 Tonnen sinken – und damit nur um ein Prozent.
Die Wirtschaft wird nach Einschätzung der Regierung im laufenden Jahr um 2,5 Prozent schrumpfen. Der Internationalen Währungsfonds (IWF) prognostiziert dagegen einen Rückgang von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Vorsichtshalber hat die Regierung für die kommenden zwei Jahre beim IWF um eine Kreditlinie von 23,8 Milliarden US-Dollar nachgefragt. IWF-Chefin Kristalina Georgieva hat bereits empfohlen, die Kreditlinie zu bewilligen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch