Wirtschaftsforum in Russland: Moskau setzt auf effiziente Partner
In St. Petersburg rückt eine hochrangige Delegation an – trotz Sanktionen. Putin kann auf Rekordergebnisse in der Wirtschaft verweisen.
Auch die Deutschen reisen trotz Sanktionen wieder an. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern und der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) werden erwartet. Siemens, die Deutsche Bank, Bayer, Wintershall und BMW sind ebenfalls vertreten.
Kremlchef Putin dürfte die Gelegenheit nutzen, um auf rekordverdächtige Leistungen der heimischen Wirtschaft hinzuweisen. Das russische Finanzministerium verbuchte zusätzliche Einnahmen für den Haushalt von 37 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Doppelt so viel wie erwartet. Die Zentralbank legte gar in der Leistungsbilanz einen Rekordüberschuss von 100 Milliarden Euro vor.
Auch der Rückgang der Auslandsverschuldung lässt aufhorchen: sie sank um 64 Mrd. auf 454 Mrd. Dollar. Im Jahr der Krimannexion 2014 bewegte sich die Verschuldung noch um 730 Mrd. Dollar.
Anhebung der Kreditwürdigkeit
Gleichzeitig sorgte Moskau für ein kräftiges Polster an Devisenrücklagen in Höhe von 470 Milliarden Dollar. Die Ratingagenturen belohnten Moskau bereits im Frühjahr mit einer Anhebung der Kreditwürdigkeit. Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen und zurückgelegte Rubel sichern die Stabilität des Systems – zunächst zumindest.
Grundsätzlich empfiehlt sich ein nüchterner Faktencheck. Denn die Wachstumsaussichten für 2019 fallen bescheidener aus. 2018 überraschte der Zuwachs mit unerwarteten 2,3 Prozent. Das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung schätzte daraufhin 1,3 Prozent für das laufende Jahr. Nach dem ersten Quartal 2019 mit 0,5 Prozent Wachstum sieht der Ökonom Igor Nikolajew nun auch die 1,3-Prozent-Prognose in Gefahr. Von „Stagnation zur Rezession“ neige die Wirtschaft , sagte er dem Moskowski Komsomolez.
Nach dem letzten Amtsantritt 2018 befahl Wladimir Putin seiner Umgebung, für ein „stetiges Wachstum der Realeinkommen“ Sorge zu tragen und die „Armut im Land auf die Hälfte“ zu senken. Ob das gelingt, ist fraglich.
Die Realeinkommen drohen nach der Annexion der Krim 2014 bereits zum sechsten Mal in Folge zu sinken. Das besagt, dass die Bürger eine längere Verzichtsphase hinter sich haben als nach dem schwierigen Umbau der sozialistischen Wirtschaft in den 1990er Jahren.
Unter der Armutsgrenze
Inzwischen ist auch die Zahl der Bürger, die unterhalb der Armutsgrenze leben, wieder gewachsen. Offiziell soll es sich um 19 Millionen handeln, rund 15 Prozent der Bevölkerung. Das wären drei Millionen mehr Bedürftige als noch vor dem Krieg in der Ukraine 2014. Wohlgemerkt, dies sind offizielle Angaben der staatlichen Statistikbehörde, die zu wohlwollender Betrachtungsweise neigt.
Laut Erhebung des Marktforschungsinstituts Romir können mehr als 48 Prozent der Familien es sich auch nicht mehr leisten, längerfristige Gebrauchsgüter anzuschaffen oder teure Reparaturen vornehmen zu lassen. Das Familienbudget reicht gerade für Kleider und Lebensmittel. Ein Viertel der Befragten greift auch zu Lebensmitteln minderer Qualität.
Ein Drittel der Russen verfügt laut unabhängigem Umfrage-Institut Lewada über keine Ersparnisse. 90 Prozent der russischen Rücklagen verteilen sich auf lediglich drei Prozent der Bevölkerung.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich (Romir), dass 29 Prozent nun auch auf Auslandsreisen verzichten. Selbst bei Arzneimitteln sparen 7 Prozent. 15 Prozent – fast so viele wie 2016 – können sich auch keine Restaurantbesuche mehr erlauben.
Kreditnachfrage steigt
Viele Verbraucher wehren sich gegen die Einschränkungen. Sie greifen vermehrt zu Krediten, die von Banken bislang noch großzügig gewährt werden. Im letzten Jahr stiegen die Privatkredite um 23 Prozent. In diesem Jahr dürfte die Kreditnachfrage laut Branchenkennern noch stärker sein. Beobachter warnen bereits vor einem neuen Bankencrash.
Wie vertragen sich damit die rekordverdächtigen Rahmendaten? Beim Außenhandel hat sich die Lage zugunsten Russlands verschoben. Rubel und Konsumnachfrage sind schwach, der Import von Waren ging zurück. Das führte zu einem Leistungsbilanzüberschuss.
Deutsche Unternehmen sollen in Petersburg jetzt dazu beitragen, die russische Wirtschaft effizienter zu machen. Früher, in den Nullerjahren, nannte man dies Modernisierungspartnerschaft. Inzwischen soll eine Absichtserklärung für eine Effizienzpartnerschaft unterzeichnet werden.
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