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„Wir setzen ein Zeichen gegen die Gentechnik“

Oft steht die Kartoffel für deutsche Einfalt. Das ist aber eine Fehlwahrnehmung. Julius Ellenberg erklärt, warum für Kartoffeln dasselbe gilt wie für die Gesellschaft: je bunter, desto leckerer

Die Welt ist eine Kartoffel. Und sie ist vielfältig und bunt Foto: Andreas Böhm/pixabay

Interview Mahé Crüsemann

taz: Herr Ellenberg, warum Kartoffeln?

Julius Ellenberg: Auf der ganzen Welt ist die Kartoffel ein wichtiges Nahrungsmittel: Sie wachsen fast überall auf der Welt, sind nahrhaft und schmecken gut. Viele Sorten sind an schwierige klimatische Bedingungen gut angepasst. Die Vielfalt an Kartoffeln ist sehr bunt und fast schon unübersichtlich. Es gibt nicht nur Sorten in hellem Gelb, sondern auch in roten Schalen, mit violettem Kartoffelfleisch und vielen anderen bunten Varianten.

Schmecken verschiedene Sorten wirklich unterschiedlich?

Auf jeden Fall! Ähnlich wie beim Wein schmecken die Kartoffeln je nach Jahrgang auch unterschiedlich. Aber auch jede Sorte hat einen individuellen Geschmack. Auch die Bodenart wirkt sich geschmacklich auf die Knollen aus.

Wie viele Sorten haben Sie bei sich auf dem Hof?

Wir haben immer ungefähr 35 Sorten im Verkauf. Wir bauen aber etwa 100 Sorten an. In unserer Genbank haben wir Material für etwa 150 Sorten. Es können nicht alle gleichzeitig angebaut werden, weil wir dafür zu wenig Platz haben. Je nach Nachfrage wechseln wir darum jedes Jahr ein wenig durch. Bei den Vorlieben gibt es auch große regionale Unterschiede. In Osteuropa sind beispielsweise eher weißfleischige, weichkochende Sorten beliebt. In Deutschland sind gelbfleischige fest- oder mehligkochende Kartoffeln gefragt. Es kommt dabei auch immer auf die Gerichte an, die in den jeweiligen Gebieten viel gekocht werden.

Zahlt sich eine so große Sortenvielfalt denn aus?

Es kommt dabei auf die Sorte an. Ältere Sorten sind meist anfälliger gegenüber Krankheiten. Darum züchtet man immer neue, ertragreichere Sorten. Wir merken aber, dass Hobbygärtner lieber ältere Sorten kaufen. Manche kennen sie vielleicht noch von früher oder sie wünschen sich einen speziellen Geschmack. Man sagt ja: Vielfalt macht Arbeit, sie schafft aber auch Arbeit.

Sind Ihre Kartoffeln gesünder als die, die es im Supermarkt gibt?

Den farbigen Sorten wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben, ja. Die bunte Farbe kommt vor allem durch sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie dem Anthocyan. Die farbigen Kartoffeln enthalten davon mehr als helle Sorten und können daher als potenziell gesünder angesehen werden.

Wie kommt es, dass es solche gesunden Sorten nicht im Supermarkt gibt?

In der modernen Zucht wird auf Ertrag gezüchtet. Früher war eine große Vielfalt selbstverständlich. In Südamerika zum Beispiel ist es ganz normal, dass das Angebot insbesondere auf Märkten sehr vielfältig ist. Viele lieben aber auch einfach die hellen Kartoffeln. Farbige Sorten bringen oft weniger Ertrag, aber nicht immer. Sie sind einfach ein bisschen in Vergessenheit geraten.

Wie stehen Sie zu Düngen und Gentechnik?

Bei uns wird alles auf biologische Weise per Hand gezüchtet und unter Schonung von natürlichen Ressourcen. Wir verwenden auf keinen Fall Gentechnik bei unserer Zucht. Im Gegenteil: Wir setzen ein Zeichen gegen die Gentechnik in Lebensmitteln. Wir düngen kaum auf unseren Betrieb, wenn nur mit etwas Stallmist. Allerdings haben wir an unserem Standort auch einen sehr guten Boden. Über eine sogenannte Fruchtfolge geben wir dem Boden die Nährstoffe, die wir mit den Kartoffeln entziehen, wieder zurück.

Kann ich Ihre Kartoffeln kaufen und dann selbst bei mir zu Hause anpflanzen?

Wir verkaufen sowohl Speise- als auch Pflanzkartoffeln. Pflanzkartoffeln und herkömmliche Speisekartoffeln sehen zwar von außen gleich aus, tatsächlich unterscheiden sie sich aber in etlichen Kriterien. Pflanzkartoffeln, die man auch Saatkartoffel nennt, sind auf Krankheiten und vor allem Viren untersuchte Kartoffeln. Solche Tests sind sehr aufwendig und die Pflanzkartoffeln werden dann im Labor als Pflänzchen steril herangezogen. Speisekartoffeln sind im Handel nicht als Pflanzkartoffeln zugelassen. Nur zugelassene Sorten, die auch eine Pflanzkartoffelanerkennung haben, dürfen als Pflanzkartoffeln gehandelt werden!

Kann man auf Kartoffelsorten ein Patent anmelden?

Foto: Ellenberg

Julius Ellenberg

Agrarbetriebswirt, arbeitet seit 2017 vollständig auf dem Hof in Barum, auf dem die Familie seit zwei Generationen eine nachhaltige Kartoffelvielfalt kultiviert.

Ja, allerdings spricht man hier von einem Sortenschutz – ein mit dem Patent vergleichbares Ausschließlichkeitsrecht. Damit wird das Eigentum an Pflanzenzüchtungen geschützt. Neue Sorten zu züchten, dauert über ein Jahrzehnt und ist sehr kostspielig. Bei Kartoffeln gilt der Sortenschutz 30 Jahre. So lange ist der Sortenschutzinhaber der Einzige, der die Sorte als Pflanzgut an Gewerbetreibende verkaufen darf. Allerdings ist die Sorte danach frei: Dann darf jeder sie vertreiben.

Wie läuft das Geschäft jetzt zu Coronazeiten?

Zwar brachen uns am Anfang in der Coronazeit einige Stammkunden aus der Gastronomie weg, doch als es Anfang März mit den Hamsterkäufen losging, kamen wir kaum mit den Bestellungen hinterher. In dieser Zeit fing nämlich auch die Vermarktung von Pflanzkartoffeln an. Da mussten wir neben den Bestellungen für die Hobbygärtner zusätzlich noch die Speisekartoffeln abfertigen. Wir mussten teilweise sogar das Telefon halbtags abschalten, da wir sonst die restlichen Bestellungen nicht versenden hätten können. Mittlerweile hat sich die Situation deutlich entspannt. Ehrlicherweise profitieren wir aber weiterhin in diesen Zeiten, da wir viele ältere Kunden haben, die zur Risikogruppe gehören und derzeit nicht aus dem Haus gehen. Wir versenden unsere Kartoffeln seit den 1990er-Jahren per Post in Paketen. Das Einkaufsverhalten wird sich drastisch ändern. In Zukunft werden auch vermehrt Lebensmittel online bestellt. Da bin ich mir sicher. Man wird wohl auch aktuell als Landwirt wieder etwas mehr wertgeschätzt, da wir die Grundversorgung sichern. Der Trend wird sicherlich wieder zu regionaleren Produkten gehen nach dem Motto: global denken, regional handeln. Kartoffeln haben schon so manche Hungersnot verhindert.

Ist Ihre Ernte durch die Situation denn gefährdet?

Nein, die Ernte bei Kartoffeln wird nicht eingeschränkt sein. Die Kartoffel an sich ist relativ pflegeleicht im Anbau und wird größtenteils maschinell geerntet. Auch die Pflanzung und die Unkrautregulierung erfolgt durch einen Traktor mit speziellen Maschinen. Darum benötigen wir keine Erntehelfer aus dem Ausland. Wenn die Ernte gefährdet sein wird, dann nur durch die derzeit schon anhaltende Trockenheit.

Wie gehen Sie mit extremer Trockenheit um?

Das Beste ist in so einem Fall, wenn man auf Flächen anbaut, die man bewässern kann. Wir haben das Glück, wir können bis zu 80 Prozent unserer Flächen bewässern. Dafür haben wir in den letzten Jahren kräftig investiert. Trockenheit ist für Kartoffeln besser, als wenn es zu nass ist. Man kann so die Wasserzufuhr variieren, wenn man bewässern kann. Entwässern bei zu feuchten Sommern ist dagegen schwieriger. Als Biobetrieb kann man bei Krautfäule dann nicht viel machen.

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