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Windkraftanlagen in HamburgAusgleich für Anwohner

Anwohner sollen von Windrädern in der Nähe profitieren. Hamburg will ein Gesetz dazu auf den Weg bringen. Andere Bundesländer zeigen, wie es geht.

Bringt künftig Geld ein: Nachbarschaft zu Windenergieanlagen Foto: Patrick Pleul/dpa

Hamburg taz | Wer eine Windkraftanlage vor seiner Tür stehen hat, soll in Zukunft davon profitieren, indem er oder seine Gemeinde – oder beide – etwas von den Einnahmen abbekommen. Ein entsprechendes Gesetz wollen SPD und Grüne in der Bürgerschaftssitzung am 10. Juli beim Hamburger Senat in Auftrag geben. Vorbild sollen entsprechende Gesetze in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sein. Ein ähnliches Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern, das damit Vorreiter war, ist gescheitert.

Die beiden Hamburger Regierungsfraktionen wollen mit dem geplanten Bürgerenergiegesetz die Energiewende beschleunigen, indem sie den örtlichen Widerstand gegen Windräder schwächen. Letztlich sollen diejenigen, die unter Schlagschatten und der Verspargelung ihres Horizonts leiden, einen Ausgleich dafür bekommen.

„Vom Windkraftausbau sollen alle profitieren können“, sagt Alexander Mohrenburg von der Hamburger SPD-Fraktion. Bürgerenergiegesetze machten es möglich, dass sich Anwohner aktiv am Ausbau der Windkraft in ihrer Nachbarschaft beteiligten und dabei bares Geld verdienen könnten.

Die Gesetzesinitiative sieht vor, schneller Windenergiegebiete auszuweisen, als das Windenergieflächenbedarfsgesetz es für die Länder vorschreibt. Für Hamburg lautet das Ziel 0,5 Prozent der Landesfläche bis Ende 2032 – wobei der Hafen ausgenommen ist. Dieses Ziel soll jetzt schon fünf Jahre früher ­erreicht ­werden.

Vorbild Nordrhein-Westfalen

Und damit auf der dann zur Verfügung stehenden Fläche auch Windkraftanlagen gebaut werden, sollen die Anwohner beim Neubau und Ersetzen (Repowering) von Anlagen „finanziell und organisatorisch beteiligt werden können“. So steht es in dem Antrag der Regierungsfraktionen an die Bürgerschaft. Zu prüfen sei auf welchen Wegen das geschehen könne.

Zur klären sei zudem, ob sich die Gemeinde oder einzelne Bürger an Projekten beteiligen sollten. Ob es eine unternehmerische Beteiligung sein sollte, bei der auch Verluste getragen werden müssten, oder ein reines Geldgeben gegen Zins, wobei das investierte Geld nur bei einer Insolvenz weg wäre. Und schließlich komme es noch auf die Rechtsform der Beteiligung mit mehr oder weniger Mitspracherechten an.

Nordrhein-Westfalen, das von Rot-Grün als Vorbild genannt wird, hat Ende vergangenen Jahres ein Bürgerenergiegesetz verkündet. „Da es nicht die ‚eine‘ Beteiligungsform für alle Projekte und alle Kommunen gibt, macht das Gesetz dazu keine festen Vorgaben“, heißt es auf der Website des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums.

Demnach haben die Projektentwickler und die Gemeinden zunächst mehr als ein Jahr Zeit, sich über eine Beteiligung zu einigen. Sollte das nicht gelingen, greift ein Standard-Beteiligungsmodell: Die Betreiber müssen der Gemeinde 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde anbieten – was den Gemeinden bei modernen Windrädern an die 20.000 Euro pro Jahr einbringen kann. Zudem müssen die Betreiber den Einwohnern fest verzinste Beteiligungen ab 500 Euro je Anteil anbieten. Sollte beides nicht geschehen, müssen die Betreiber als Notfallbeteiligung 0,8 Cent je Kilowattstunde an die Standortgemeinde zahlen.

Bürokratiemonster in Schleswig-Holstein

Der niedersächsische Landtag hat das im April ähnlich geregelt. Hier ist eine „Akzeptanzabgabe“ von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Gemeinde fällig. Dazu kommen mindestens 0,1 Cent für Anwohner im 2,5-Kilometer-Umkreis. Äquivalent dazu können sich Kommunen oder Einwohner auch auf verschiedenen Wegen zu 20 Prozent direkt beteiligen.

Zwar hatte das niedersächsische Gesetzt noch kaum Zeit zu wirken. Silke Weyberg, Geschäftsführerin des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) sagt aber: „Da das Gesetz den Projektierern viele Möglichkeiten lässt, gehen wir davon aus, dass sich nicht viel ändert.“ Viele Projektierer hätten den Kommunen und Anwohnern bisher schon gute Angebote gemacht.

Weyberg begrüßt, dass das niedersächsische Gesetz nur den Rahmen vorgibt und den Projektierern viele Wege offen lässt – ganz im Gegensatz zu der Regelung in Mecklenburg-­Vorpommern. Dort sei nur ein einziges Projekt nach den Vorschriften des Gesetzes realisiert worden. Der LEE-Landesverbandsvorsitzende ­Johann-Georg Jaeger nannte das Gesetz ein „verfassungskonformes ­Bürokratiemonster“.

Der Landesverband Erneuerbare Energie begrüßt, dass das Gesetz den Projektierern viele Wege offen lässt

Dass es auch einfacher geht, zeigt das Land Brandenburg. Nach dessen Windenergieanlagenabgabengesetz von 2019 müssen die Betreiber von Windkraftanlagen Gemeinden in einem Umkreis von drei Kilometern 10.000 Euro pro Windrad und Jahr bezahlen. Das Geld ist vom kommunalen Finanzausgleich ausgenommen und soll dazu dienen, die Akzeptanz der Windenergie zu ­erhöhen.

Der Stadtstaat Hamburg hat bei alledem freilich noch ein besonderes Problem zu lösen. Er fungiert wie Berlin als Gesamtgemeinde – seine Bezirke sind keine Kommunen im eigentlichen Sinne. Der Senat muss also einen besonderen Weg finden, das Geld den Einwohnern vor Ort zukommen zu lassen.

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1 Kommentar

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  • Wir können uns dann über diesen Ablasshandel freuen Falls die Kommune etwas von den Windkraftanlagen hat, werden weniger Kritiker vorhanden sein. Den Schlagschatten, den Lärm und das verringerte touristische Interesse bleibt dann bei Einzelnen, die dann damit leben müssen. Einzelne Wohngebäude werden dann bei der gerichtlichen Beurteilung herausgenommen, weil die Anzahl der Betroffenen geringer ist. Es gibt zB Lärm Grenzwerte und wenn die nicht eingehalten werden, sind Entschädigungen an den Geschädigten zu zahlen. Da könnten auch bei der Konstruktion diese Probleme berücksichtigt werden. Es bleibt dann das Problem, dass in Norddeutschland ein Windrad mit 100m Gesamthöhe sinnvoll betrieben werden kann, in Süddeutschland sollten es wegen der Geländestruktur schon 200m sein.