„Windbürgergeld“-Vorschlag der SPD: Nur nicht gleich kopflos werden
Die Vorschläge zum „Windbürgergeld“ sind unausgegoren. Sinnvoller wären neue Strukturen im Stromhandel.
A us dem Vorschlag der SPD spricht tiefe Verzweiflung. Einerseits hat die Bundesregierung für das Jahr 2030 das Ziel ausgegeben, einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren im deutschen Strommix zu schaffen. Zugleich propagiert sie mit E-Mobilität und elektrischen Wärmepumpen neue Stromverbraucher. Indem nun der Ausbau der Windkraft einbricht, der zuletzt größten Stütze der Energiewende, droht das gesamte Konzept zu implodieren.
Da werden manche kopflos. Die Bürgerrechte zu beschneiden ist jedoch ein ganz heikles Thema, und das sollte auch bedenken, wer der Windkraft grundsätzlich positiv gesinnt ist. Denn wer ein solches Fass aufmacht, weiß nicht, wo die Debatte endet. Es könnten so große Errungenschaften wie die Verbandsklage im Naturschutzrecht ausgehöhlt werden.
Zahlungen an Anwohner unterdessen – nun ja, kann man machen. Natürlich kommt dann der Vorwurf auf, man erkaufe sich Zustimmung. Was freilich auch zutrifft, doch wenn man ehrlich ist, muss man konstatieren, dass finanzielle Kompensationen für persönliche Nachteile in der Ökonomie ja durchaus üblich sind. Und wenn die Akteure frei sind, diese anzunehmen oder abzulehnen, widerspricht das auch nicht einem freiheitlichen Denken.
Und doch gibt es ein deutlich besseres Konzept. Nämlich jenes, das erst vor wenigen Tagen auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel propagierte: Deutschland braucht regionale Strommärkte. Der heutige Börsenhandel, der bundesweit einen Einheitspreis für Strom im Großhandel ermittelt, ohne Rücksicht darauf, wo der Strom erzeugt und wo er verbraucht wird, ist nicht mehr zeitgemäß.
Für regionale Märkte gäbe es eine logische Konsequenz: Wo es viel Strom gibt, wird er billiger, wo er knapp ist, teurer. Dann kann jede Region selbst entscheiden, ob sie höhere Strompreise akzeptiert oder doch lieber in regionale Erzeugung investiert. Da braucht es dann keine panische „Lex Windkraft“ mit gekappten Bürgerrechten und keine Förderprämien für Anwohner – aus welchen Töpfen auch immer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“