piwik no script img

Windbranche verfehlt AusbauzieleMehr Windkraft – und doch zu wenig

Neue Zahlen aus der Windbranche zeigen: Die Ausbaudynamik nimmt zu. Sie erfüllen die Pläne der Bundesregierung aber bei weitem nicht.

Aufbau eines Windrades in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland 331 neue Windkraftanlagen aufgebaut, zugleich wurden 198 Altanlagen abgerissen. In der Summe betrug die Leistung der Neuanlagen 1.565 Megawatt, der Netto-Zubau nach Abzug der stillgelegten Anlagen 1.325 Megawatt. Das geht aus der Halbjahresbilanz der Windbranche hervor.

Zwar lag der Netto-Zubau im bisherigen Jahresverlauf höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, als nur 878 Megawatt hinzu kamen. Gleichwohl beklagen die Branchenverbände BWE und VDMA, dass die Genehmigungszahlen „bei Weitem noch nicht ausreichen, um den Ausbaupfad von jährlich 10 Gigawatt ab 2025 zu stemmen“. Mit diesen Zahlen plant derzeit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Aktuell liegt die Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland bei rund 28.500. Diese kommen in der Summe auf eine Nennleistung von 59,3 Gigawatt. Für das Jahr 2030 peilt die Bundesregierung 115 Gigawatt an, also praktisch eine Verdopplung. Bereits Ende 2024 sollen 69 Gigawatt errichtet sein, was binnen anderthalb Jahren einen sehr ambitionierten Netto-Zubau von zehn Gigawatt erfordern würde.

Spitzenreiter beim Zubau war in den vergangenen sechs Monaten Schleswig-Holstein, wo 125 Anlagen errichtet wurden, gefolgt von Niedersachsen mit 52 Anlagen. Unter den Flächenländern gab es zwei, in denen keine einzige Anlage aufgebaut wurde: Sachsen und Thüringen.

Rotoren haben Durchmesser von 141 Meter

Die Maschinen in Deutschland werden immer größer und erreichen inzwischen eine durchschnittliche Leistung von 4,7 Megawatt, was gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs um acht Prozent ist. Entsprechend sind auch die Rotoren mit einem Durchmesser von nun durchschnittlich 141 Metern weiter gewachsen. Die Gesamthöhe der Anlagen liegt inzwischen bei 206 Metern.

Nach Auskunft der Branche stellen langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Mangel an verfügbaren Flächen die größten Zubauhürden dar. Von Teilen der Bundesregierung sieht sich die Branche durchaus unterstützt, fordert aber ergänzend „intensive Anstrengungen“ speziell des Bundesverkehrsministeriums sowie der betreffenden Landesministerien und der Behörden vor Ort. Auch brauche man verbesserte Rahmenbedingungen für die Anlagenbauer in Deutschland. Würden die Ausbauziele der Windenergie an Land verfehlt, könne dies „Auswirkungen auf Fortschritte in anderen Sektoren haben“, warnt die Windlobby, speziell seien dies Wärmepumpen, Elektromobilität und grüner Wasserstoff.

Unterstützung wird die Windkraft an Land wohl noch auf Jahre hinaus auch in finanzieller Hinsicht brauchen. Anders als die Offshore-Windparks, die längst planen, sich am Markt durch ihren Stromverkauf zu finanzieren, sind die Anlagen an Land noch auf garantierte Vergütungen angewiesen. Bei den beiden bisherigen Ausschreibungsrunden des Jahres lag die Vergütung der bezuschlagten Projekte im Mittel bei 7,34 Cent je Kilowattstunde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die 133 neuen Windkraftankagen haben eine Nennleistung von 1.325MW, also mehr als 10MW pro Anlage. D.h. es wurden praktisch ausschließlich die gegenwärtig größtmöglichen Anlagen verbaut - beeindruckend. Es wäre noch schön zu wissen, ob die Anlagen an Land oder auf See errichtet wurden, um den tatsächlichen Ertrag abschätzen zu können. Auf Land etwa 20% der Nennleistung, auf See bis zu 40%. Selbst bei hälftiger Aufteilung kommt man nur auf max. 400MW durchschnittlicher Leistung. Das reicht in Bezug auf die sportlich gesetzten Ziele der Energiewende hinten und vorne nicht. Und mangels Netzausbau kann die Energie auch nicht geeignet verteilt werden. Was läuft da schief? Wunschdenken oder Versagen beim definieren der Ziele und der Randbedingungen?

    • Bernward Janzing , Autor des Artikels,
      @Nachtsonne:

      So kann man nicht rechnen. Es wurden 1565 MW neu errichtet, 331 Anlagen. Im Mittel also 4,7 MW je Anlage. Und es wurden 198 mit zusammen 239 MW abgerissen. Im Mittel also 1,2 MW je Anlage. Nettozubau an Leistung (1325 MW) geteilt durch Nettozubau an Anlagen (133) ist eine unsinnige Berechnung. Übrigens: alle Zahlen hier beziehen sich auf die Windkraft an Land. Hätte ich im Text erwähnen sollen....

      • @Bernward Janzing:

        Herrjeh, wie peinlich ;-). Danke für die Korrektur.

  • Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht.



    Nun liegt es an den Ländern und Kommunen,



    die Vorlage in Landesrecht und Verordnungen umzuzusetzen und die Energiewende voranzubringen.



    Wie an Niedersachsen deutlich wird, ist man/ frau hier bereit, für die Zukunft zu arbeiten.



    Der Großteil der CDU geführten Länder gefällt sich als Sand im Getriebe.



    Jeder Mißerfolg der Ampel soll doch ein Erfolg der CDU/CSU sein!? Das diese Blockadepolitik auch für die CDU/CSU ein Irrweg ist, verdeutlichen die aktuellen Umfragen.



    Aber auch politisch links orientierte BürgerInnen sollten mal anfangen, den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft voran zu bringen.



    Sitzen bleiben und Besserwisserei sind wenig zukunftsweisend. Die Aufgaben unserer Zeit können nur durch Anpacken und Mitmachen gelöst werden.

  • Um Wärmepumpen, e-Autos etc. klimaneutral betreiben zu können, reicht es nicht, einfach nur mehr Windräder und Solarpanels zu installieren. Man braucht auch eine Strategie für die Zeiten, in denen Wind und Sonne gleichermaßen schwächeln, etwa durch Speichertechnologien, zB Wasserstoff. Davon ist bislang viel zu wenig zu hören.

    • @yohak yohak:

      Um grünen Wasserstoff zu produzieren benötigt man sehr viel Wasser, Platin und Iridium. Das mit dem Wasser ist wohl lösbar aber Platin und insbesondere Iridium stehen nur begrenzt zur Verfügung. Das Speichern macht auch keine Freude. In KFZ sind 700+ bar notwendig und Wasserstoff dringt in so ziemlich jedes Materisl ein und verursacht dann Strukturprobleme. Kalt werden dürfen die Brennstoffzellen auch nicht, sie scheiden ja Wasser ab. Haben wir schon über den Wirkungsgrad Windstrom/grüner WasserstoffStrom gesprochen? Über den Daumen 50% - wenn es gut läuft. In der Summe wird Wasserstoff das ein oder andere Nischenproblem lösen. Das Dunkelflautenproblem wird Wasserstoff bedauerlucherweise nicht lösen können.

    • @yohak yohak:

      Es wäre kein (Welt-)Untergang, wenn für Dunkelflauten und Windstille ein paar (alte) Kohle- und Gaskraftwerke die Lücke füllen müssten. Zumal dies Primärenergiequellen sind im Unterschied zum 'tollen' Wasserstoff. Alleine dessen Dauerkühlung verbraucht schon Unmengen an Energie.

  • Die Pläne der Bundesregierung kennen wir nicht.



    Wir kennen nur deren Lippenbekenntnisse.

    Und wo ebenjene Bundesregierung den Windausbau nach Kräften blockiert, um nicht zu sagen boykottiert, hat braucht man sich nicht zu wundern wenn es rumpelt und hakt.

  • Man schafft derzeit also 2,6 GW pro Jahr, möchte aber so schnell wie möglich auf 10 GW pro Jahr. Und dies eigentlich nicht nur für die nächsten 7 Jahre, denn die alten Anlagen müssen sukzessive erneuert werden. Ich würde dies nicht nur ambitioniert nennen sondern auch ein bisschen blauäugig.