Wildfluss Vjosa in Albanien: Ein Nationalpark neuer Ordnung
Albanien will den Wildfluss Vjosa samt aller Nebenflüsse zum Schutzgebiet erklären. Die geplanten Wasserkraftwerke sind damit vom Tisch.
![Eine Beugung der Vjosa Eine Beugung der Vjosa](https://taz.de/picture/5639566/14/imago0084856451h1-1.jpg)
Das Konzept entspricht ziemlich genau dem, was die Umweltschützer ausgearbeitet hatten: Das Schutzgebiet soll den Fluss mitsamt allen frei fließenden Nebenflüssen auf den gesamten rund 270 Kilometern Länge von der Quelle bis zur Mündung umfassen. Alleine im sogenannten Mittellauf gibt es mindestens acht Lebensraumtypen, die nach der Flora-Fauna Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union dringend erhalten werden müssen, weil sie vom Verschwinden bedroht sind. Mehr als 1.100 Tier- und Pflanzenarten leben dort, darunter mindestens 13, die auf den roten Listen stehen wie der Europäische Aal, potenziell bedroht sind wie der Fischotter oder nur hier vorkommen wie der OhridSteinbeißer.
Es wäre der bislang einzige Nationalpark dieser Art in Europa. Damit bietet er neben dem Schutz für die Natur auch Potenzial für die Entwicklung des Tourismus in dem strukturschwachen Land.
Das war offenbar der Punkt, der die Politik überzeugt hat. Denn auch für den Ausbau des Tourismus hatten die Naturschützer Ideen und Konzepte mitentwickelt. Ein sanfter und kontrollierter Tourismus wohlgemerkt soll es werden, Albanien keine Destination für den Massenansturm von Reisenden, die die letzten seltenen Pflanzen und Tiere niedertrampeln.
Und auch das Problem bei der Energieversorgung ist mitgedacht. Bislang besteht der albanische Mix zu 95 Prozent aus Wasserkraft. Hier sollen Sonne und Wind neu ins Zentrum rücken.
Eine Arbeitsgruppe soll Details klären
Als sich Premierminister Edi Rama und die Tourismus- und Umweltministerin Mirela Kumbaro mit den Vertretern von internationalen Umweltinitiativen Mitte Juni zum Festakt im Nationaltheater in Tirana trafen, waren alle erleichtert. Mit dem Memorandum of Understanding, das die Ministerin und ein Vertreter der Dachorganisation der Umweltschützer Patagonia öffentlich unterzeichneten, war ein entscheidender Schritt für die Bewahrung des letzten großen Wildflusses in Europa getan: „Dieser Wildfluss-Nationalpark wird das gesamte Flusssystem der Vjosa von der Grenze zu Griechenland bis an die Adria unter Schutz stellen. Einschließlich ihrer frei fließenden Nebenflüsse und des Aoos in Griechenland, dem Quellfluss der Vjosa“, steht in dieser gemeinsamen Absichtserklärung. Und dass es „der erste Nationalpark dieser Art in Europa“ sein werde.
Gemäß der Erklärung wollen die Vertragsparteien bis Mitte Juli eine Arbeitsgruppe einrichten, die mit den konkreten Planungen für die Errichtung des Nationalparks beginnt. Der Park soll auch Besucherzentren, Rangerstellen sowie Wissenschafts- und Bildungsprogramme umfassen und neue wirtschaftliche Möglichkeiten für die lokalen Gemeinden bieten.
Besjana Guri, Sprecherin von EcoAlbania, erklärte: „Es gibt zwar noch viel zu tun, bevor wir die Zukunft der Vjosa als gesichert ansehen können, aber es ist ein großer Meilenstein für Albanien und für Flussschützer weltweit.“
Ulrich Eichelmann, der Geschäftsführer der in Österreich beheimateten europäischen NGO Riverwatch, hat einen Etappensieg errungen: „Das Konzept eines Wildfluss-Nationalparks, der nicht nur den Hauptstrom, sondern auch seine Nebenflüsse umfasst, ist einzigartig. An der Vjosa erleben wir ein neues Schutzmodell, das auch auf andere Flüsse in Europa angewendet werden kann, die von Verbauungsplänen bedroht sind. Für den Schutz unserer Natur müssen wir größer denken.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten