Wiederwahl von Söder in Bayern: Rechter Spuk im Plenarsaal
Rassistische Parolen und höhnisches Gelächter: Die AfD-Fraktion macht die Ministerpräsidentenwahl in Bayern zu einem unwürdigen Spektakel.
Immer wieder tritt die nach der Wahl deutlich gestärkte AfD-Fraktion lautstark in Erscheinung, pöbelt, quittiert Redebeiträge der demokratischen Parteien mit höhnischem Gelächter. Während CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek gerade in seiner Rede den bisherigen Ministerpräsidenten Markus Söder zur Wiederwahl vorschlägt, tauscht man in der ganz rechten Ecke des Plenarsaals die Sitze, die Kollegen holen Daniel Halemba vor in die dritte Reihe, nehmen ihren Jüngsten in die Mitte. Die Botschaft ist klar: Du bist einer von uns. Wir stehen hinter dir. Die Kollegen machen noch schnell ein Selfie mit dem Nachwuchsstar.
Halemba hatte der bayerischen AfD in den vergangenen Tagen ein paar Extra-Schlagzeilen beschert: Mit Haftbefehl wurde er von der Polizei gesucht, bis zum Zugriff am Montagvormittag. Während der Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam, stand der AfD-Politiker in Würzburg vor dem Ermittlungsrichter. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Halemba der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen.
Am Montagabend jedoch hatte das Amtsgericht Würzburg entschieden, den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug zu setzen. Einmal wöchentlich muss sich der 22-Jährige an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden. Außerdem ist ihm der Kontakt zu Mitgliedern der Burschenschaft „Teutonia Prag zu Würzburg“ untersagt, deren Mitglied Halemba ist. Neben Halemba richten sich die Ermittlungen gegen vier weitere der Burschenschaftler.
AfD-Fraktionschefin: „Ziehen Sie sich warm an“
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner hatte im Zusammenhang mit der Festnahme am Montag bereits von „staatlicher Repression“ gesprochen. In ihrem ersten Redebeitrag vor dem neuen Landtag schockiert sie dann den Großteil des Plenums, indem sie von lebensgefährlichen „sogenannten Impfungen“ sprach, zu denen die Regierung die Menschen in der Pandemie gezwungen habe, und krude rassistische Parolen schwang. Von „gesetzeswidriger Merkelscher Masseninvasionspolitik“ sprach sie, in deren Folge „Messerstecher“ und „Gruppenvergewaltiger“ ins Land gekommen seien. Asylbewerber lebten hier wie im Schlaraffenland, während so mancher deutsche Rentner Pfandflaschen sammeln müsse.
Der Ton, auf den sich der Landtag für die kommenden Jahre einstellen muss, ist gesetzt. „Der Wind in dieser Legislaturperiode wird sich noch mal verstärken“, drohte Ebner-Steiner den Regierungsparteien. „Ziehen Sie sich warm an.“
Söder mit gepflegtem Understatement
Am deutlichsten reagierte Florian Streibl auf den rechtsradikalen Redeschwall der AfD-Politikerin: „Wenn es eine Schande für Bayern gibt, dann hat sie soeben gesprochen“, begann der Fraktionschef der Freien Wähler seine Rede unter heftigem, lang anhaltenden Applaus der demokratischen Parteien. Auch Holetschek wandte sich später noch einmal direkt an die AfD-Fraktion: Im Landtag sei kein Platz für Hetze. Die AfD wolle mit kruden Thesen das Land spalten. „Wir werden Sie entlarven mit dem, was Sie hier vorhaben.“
Inmitten des teils unwürdigen Starts in die Legislaturperiode wurde dann doch auch noch ein Ministerpräsident gewählt. 120 Abgeordnete stimmten für Söder, so viele, wie Mitglieder der Koalitionsparteien anwesend waren.
Der Wiedergewählte erwähnte dann noch, was Bayern für ein Superland sei und dass es die Ehre seines Lebens sei, dieses Land zu führen und „in der Tradition ganz großartiger Ministerpräsidenten“ zu stehen, „deren Maß und Größe ich persönlich nie erreichen werde“. Es darf jedoch vermutet werden, dass er in dieser Hinsicht ausnahmsweise auch Widerspruch dulden würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen