Wie wird der Energienetze-Volksentscheid umgesetzt?: Kampf um die Öko-Wärme
Dieser Tage entscheidet sich, ob die künftige Fernwärmeversorgung tatsächlich so ökologisch und sozial wird wie im Netze-Volksentscheid vorgesehen.
HAMBURG taz | Das Ringen um die Fernwärmeversorgung geht in die kritische Phase. Eigentlich wollte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) schon im Oktober seinen Vorschlag dazu präsentieren. Die Frage ist, wie klimaschonend und sozial die Fernwärmeversorgung in Zukunft aussehen wird. Kritiker befürchten, dass durch die Hintertür Wärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg ins Netz gespeist werden könnte, während auf naheliegende CO2-arme Alternativen verzichtet wird.
2013 hatten die HamburgerInnen in einem Volksentscheid dafür gestimmt, die Energieversorgungsnetze wieder in städtische Hand zu bringen. „Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“, hieß es in dem Abstimmungstext. „Wir wollen, dass dieser Satz des Volksentscheides umgesetzt wird“, sagt Dietrich Rabenstein vom Hamburger Energietisch, der sich für eine Energiewende einsetzt.
Dabei geht es zunächst darum, die Fernwärme aus dem veralteten Kohlekraftwerk Wedel zu ersetzen. Der Energietisch und andere befürchten, dass der Senat dabei eine große Chance verschenken könnte. Das wäre aus ihrer Sicht der Fall, wenn er die Abwärme der Kupferhütte Aurubis nicht in seine Fernwärmepläne einbezöge. Bisher heizt der Konzern mit seiner Abwärme die Elbe auf, deren Wasser er als Kühlwasser benutzt.
Die Aurubis-Wärme war zunächst Teil der Szenarien, die der Energienetzbeirat erörtert hat – ein Beratungsgremium, dem interessierte Akteure von kritischen Bürgern bis zu den Unternehmen angehören. Anfang September tauchte die Aurubis-Wärme in der Vorlage der Umweltbehörde plötzlich nicht mehr auf.
Jetzt scheint sich der Wind allerdings erneut gedreht zu haben: Aurubis, Vattenfall und die Firma Enercity Contracting, die für die Wärmeversorgung der östlichen Hafencity verantwortlich ist, haben Gespräche darüber bestätigt, wie die Aurubis-Abwärme ins Netz gespeist werden könnte. Ziemlich weit gediehen sind Enercitys Pläne, eine Fernwärmeleitung von Aurubis zum östlichen Eingang der Hafencity zu bauen. Enercity braucht jedoch nur ein Drittel dessen, was Aurubis auskoppeln könnte. „Wir haben vereinbart, die Leitung so zu bauen, dass alles durchpasst“, sagt Manfred Schüle, Geschäftsführer von Enercity Contracting.
Aus Sicht Matthias Ederhofs, Vorstand der Genossenschaft Energienetz Hamburg, läge es nahe, diese Leitung um zwei Kilometer bis zum Heizwerk Hafencity zu verlängern, um auch den Westen der Stadt bedienen zu können. Mit der Verlängerung könne sichergestellt werden, dass ein Maximum erneuerbarer Energie ins Netz gelange. Kombiniert mit einer Altholzverbrennungsanlage und einem Müllheizkraftwerk könnten 70 Prozent grüne Wärme ins Netz gepumpt werden, sagt Ederhof.
Wichtig sei es, die Aurubis-Wärme schnell ins Netz zu bringen – erstens aus Klimaschutzgründen, zweitens, weil die Nutzung der Aurubis-Fernwärme bis 2021 vom Bund mit einem zweistelligen Millionenbetrag gefördert würde; und drittens, weil es dann für Fernwärme aus Moorburg keinen Platz gäbe.
„Abwärme von Aurubis war immer Teil unserer Überlegungen für die Wärmewende in Hamburg“, versichert die Umweltbehörde. „Das gilt insbesondere für den Ersatz von Kohlewärme aus dem Kraftwerk Tiefstack.“ Das wäre zu spät, wendet Rabenstein vom Energietisch ein. Tiefstack gehe erst 2030 vom Netz.
Auch Vattenfall möchte in seiner Eigenschaft als Energieversorger die Aurubis-Wärme nutzen – aber nicht als Ersatz für Wedel: „Aus netzhydraulischen Gründen“ sei eine Wärmelieferung aus dem Hamburger Osten, wo Aurubis sitzt, in den Westen, der von Wedel versorgt wird, nicht möglich“.
Ederhof und Rabenstein, wollen diese Erklärung nicht einfach hinnehmen. In der nächsten Sitzung des Energienetzbeirats am 11. November werden sie ein Gutachten beantragen, das eine entsprechende Anschlussmöglichkeit prüfen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“