Wie weiter bei der Deutschen Bank?: Unbeirrbar auf Zockerkurs
Das größte Geldhaus der Republik bekommt einen neuen Chef. Sonst bleibt alles beim Alten. Braucht man so eine Bank überhaupt noch?
Die Deutsche Bank hat ihr Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen in die Wüste geschickt. Was haben die beiden verbockt?
Jain und Fitschen haben das Vertrauen von allen Seiten verloren, von Aktionären, Analysten, Aufsichtsbehörden und Beschäftigten. Als sie 2012 angetreten sind, sollten sie die kriminellen Nester ausheben – haben aber versagt. Der Deutschen Bank wurden und werden Gesetzesverletzungen vorgeworfen wie Marktmanipulationen oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Statt konsequent dagegen vorzugehen und mit den Behörden zusammenzuarbeiten, hat die Bank weiter vertuscht und getrickst. Seit dem Amtsantritt von Jain und Fitschen 2012 musste sie stolze 8,7 Milliarden Euro an Strafe und Rechtskosten aufbringen. Das sind auch für die Deutsche Bank keine Peanuts.
Können Banker denn machen, was sie wollen, und sich einfach freikaufen, wenn ein Gesetzesverstoß auffällt?
Nein, auch wenn das manche Manager zu glauben scheinen. Die angelsächsische Finanzkultur sieht allerdings weitaus schärfere Regeln und Kontrollen vor als die deutsche. So gesehen ist die Deutsche Bank auch ein Globalisierungsopfer. Intern soll der Aufsichtsrat den Vorstand kontrollieren, nur er kann ihn entlassen. Doch der Aufsichtsrat ist bei der Deutschen Bank Teil des Problems, nicht der Lösung. Aber: Die Aktionäre haben ein Misstrauensvotum gegen Jain und Fitschen abgegeben, als sie bei der Hauptversammlung im Mai den Vorstand mit nur 61 Prozent der Stimmen entlastet haben. Üblich sind mehr als 90 Prozent.
Sind die beiden denn persönlich sauber?
Geht so. Jain war von 2001 bis 2012 Leiter der Investmentabteilung, jenes Bereichs, in dem es viele systematische Regelverstöße gab. Seine Kritiker werfen ihm vor, entweder davon gewusst oder seinen Laden nicht im Griff gehabt zu haben. Beides spricht nicht für ihn. Fitschen steht zurzeit wegen versuchten Prozessbetrugs im Schadenersatzverfahren um den Zusammenbruch des Medienimperiums von Leo Kirch vor Gericht.
Kann die Deutsche Bank hohe Strafzahlungen nicht locker wegstecken?
Nein. In den Jahren 2012 bis 2014 hat die Deutsche Bank einen Gewinn von 2,6 Milliarden gemacht – zu wenig, im Verhältnis zu den Strafzahlungen. Den Aktionären ist das ohnehin zu wenig. Jain und Fitschen hatten beim Amtsantritt versprochen, den Gewinn auf 9 Milliarden im Jahr 2015 zu jazzen. Das haben sie genauso wenig geschafft, wie den niedrigen Kurs der Deutsche-Bank-Aktie in die Höhe zu treiben.
Bekommen Jain und Fitschen eine hohe Abfindung?
„Kein Kommentar“, heißt es dazu bei der Bank. Das Duo wird nicht darben: Laut Geschäftsbericht haben die beiden 2014 je 6,7 Millionen Euro und 2013 sogar 7,5 Millionen Euro verdient. Hinzu kommen die Aufwendungen der Bank für Alters- und Übergangsbezüge der beiden in Millionenhöhe.
Wie reagiert die Börse auf den Abgang des Duos?
Der Aktienkurs steigt. Die Börse lebt von der Hoffnung. Ändert sich bei der Deutschen Bank nichts, wird der Kurs wieder fallen.
Der Aufsichtsrat hat den Briten John Cryan zum neuen Vorstandschef gemacht. Ist der besser?
Nein – sagen jedenfalls Analysten wie Dieter Hein von Fairresearch. „Unter Cryan wird sich nichts ändern“, sagt Hein. Der 54-jährige Cryan kommt wie Jain aus dem Investmentbanking. Er wurde 2008 Finanzchef der Schweizer Bank UBS, die wie die Deutsche Bank in Zinsmanipulationen verwickelt war. „Die Deutsche Bank ist fest im Griff der Investmentbanker“, ist Hein überzeugt. „Die melken die Kuh, bis sie stirbt.“ Zwischen 2012 und 2014 haben die Investmentbanker Boni in Höhe von 9,1 Milliarden Euro bekommen.
Geht es anderen Investmentbanken auch so schlecht wie der Deutschen Bank?
Nein. Viele Banken machen wieder satte Gewinne und haben die hohen Strafzahlungen zum Teil mühelos weggesteckt. Weltweit wurden bisher 174 Milliarden Dollar an Bußgeldern verhängt, die die Banken zu zahlen haben. Trotzdem geht es einigen Investmenthäusern blendend. Nur zwei Beispiele: Die amerikanische Großbank JP Morgan Chase machte 2014 einen Gewinn nach Steuern von 21,7 Milliarden Dollar. Goldman Sachs kam auf 8,5 Milliarden Dollar – obwohl das Institut eine deutlich kleinere Bilanzsumme als die Deutsche Bank aufweist. Noch einmal zum Vergleich: Die Deutsche Bank erwirtschaftete 2014 einen Jahresgewinn von 1,7 Milliarden Euro.
Warum ist die Deutsche Bank besonders schlecht dran?
Sie sitzt nicht in New York. Dort sind alle anderen Investmentbanken beheimatet, die international eine Rolle spielen. Es ist kein Zufall, dass die US-Banken führend sind. Der Dollar ist die globale Leitwährung, die USA sind der größte Binnenmarkt der Welt, und zudem funktioniert ein großer Teil der amerikanischen Sozialversicherungen kapitalgedeckt. Pensions- und Krankenkassen sorgen dafür, dass ein steter Strom von Anlagekapital bei den Investmentbanken landet. Hart gesagt: Europäische Banken haben keine Chance im weltweiten Investmentbanking. Das Risiko ist zu groß und der Ertrag zu klein. Die Schweizer Großbank UBS hat daraus schon Konsequenzen gezogen und ihr Investmentbanking deutlich zurückgeschraubt. Sie setzt jetzt vor allem auf Vermögensverwaltung.
Welche Alternativen hätte die Deutsche Bank zum Investmentbanking?
Das ist die ungelöste Frage. Die Deutsche Bank will sich jetzt stärker darauf konzentrieren, deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt zu begleiten. Doch viele Firmen benötigen gar keine Kredite mehr, sondern haben das umgekehrte Problem: Sie sitzen auf enormen Barbeständen und wissen nicht, wo sie ihr Geld anlegen sollen. Man könnte sagen, dass die deutschen Großkonzerne selbst schon Banken sind.
Wie groß ist das Risiko, dass die Deutsche Bank am Ende pleitegeht?
Wenn es wieder zu einer weltweiten Finanzkrise kommen sollte, wird die Deutsche Bank garantiert getroffen. Dies gehört zu den Risiken einer Investmentbank, die vor allem mit Zinsen, Währungen, Aktien und Anleihen spekuliert. Zudem ist das Eigenkapital der Deutschen Bank immer noch zu gering. Momentan beträgt es 4 Prozent der Bilanzsumme. Es gibt also fast gar keinen Puffer, der große Verluste abfedern könnte.
Wer muss zahlen, falls die Deutsche Bank in die Pleite rutscht?
Seit dem 1. Januar 2015 ist die europäische Bankenunion in Kraft, die eine „Haftungskaskade“ vorsieht. Erst müssen die Aktionäre zahlen, dann die Gläubiger. Dies dürfte jedoch blanke Theorie bleiben. Wahrscheinlich müssten die Steuerzahler einspringen, weil die Pleite einer großen Bank zu gefährlich ist und die gesamte Wirtschaft in den Abgrund ziehen kann. Der Konkurs von Lehman Brothers im September 2008 ist noch immer ein warnendes Beispiel.
Kann man auf die Deutsche Bank verzichten?
Theoretisch ja. Die Deutsche Bank wurde 1870 gegründet, um die deutschen Großunternehmen mit Krediten zu versorgen und beim überseeischen Handel zu unterstützen. Aber diese Funktion übernehmen längst auch die großen Sparkassen. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies: Die Deutsche Bank könnte ruhig ihr Investmentbanking verkleinern – und ebenfalls zu einer Art Sparkasse werden.
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