Wie man unliebsame Besucher los wird: Tourismusvermeidung für Anfänger
Während anderswo Städte unter den Folgen des Massentourismus ächzen, vermeidet Hannover den einfach mit einem genialen Plan.
D a hat die Weltpresse also die halbe EM damit verbracht, sich über das Gastland lustig zu machen, hmm? Die seltsame Liebe der Deutschen zum Bargeld, die nicht funktionierende Bahn, das hässliche Gelsenkirchen.
Lustig, wenn so etwas von Engländern kommt, dem Homeland abgewrackter Industrieregionen und ruinierter öffentlicher Infrastruktur. In Wirklichkeit steckt dahinter ein genialer Plan: Während anderswo Städte unter den Folgen des Massentourismus ächzen, vermeiden wir den einfach. Bitte sehr, ihr trampelnden Horden, hier gibt es gar nichts zu sehen, geht einfach weiter.
Die ungekrönte Königin der Touristenvermeidung ist natürlich Hannover. Hier registriert man neuerdings verstärkt Buchungsanfragen aus dem Ausland, sogar aus Japan und den USA. Schuld ist diese Amazon-Serie „Maxton Hall“, die sich um irgendwas mit jugendlichen Snobs in einem Eliteinternat dreht.
Das Schloss Marienburg in Pattensen, zwischen Hannover und Hildesheim, hat man für die Dreharbeiten nur widerwillig hergegeben. Die Fan-Touristen hält man jetzt ganz draußen: „ACHTUNG: Wegen aufwendiger Renovierungsarbeiten sind die Innenräume und das Außengelände von Schloss Marienburg nicht betretbar!“ steht auf der Seite der Touristinfo. Sollen die dieses Playmobilschloss halt aus der Ferne fotografieren, diese depperten Touristen, dann gehen die auch schneller wieder.
Marienburg-Streitereien eigene Soap wert
Dabei wäre die Geschichte um die Streitereien rund um die Marienburg eine eigene Soap wert. Erst verscherbeln die traurigen Überreste der Welfenfamilie große Teile des Interieurs bei Sothebys, um ihre Schulden zu decken.
Dann liefern sich Vater und Sohn, Ernst August von Hannover senior und junior, eine epische Auseinandersetzung um Schenkungen und Doch-nicht-Schenkungen. „Wegen groben Undanks“ behauptet der Senior; der Junior muss dazu nicht viel sagen. Der desaströse Zustand des einst von Prügel- und Pinkel-Skandalen umwitterten Alten spricht für sich.
Als läge ein Fluch auf der Butze
Aber – als läge ein Fluch auf der Butze – auch nachdem das gerichtlich final geklärt ist, reißen die Streitigkeiten nicht ab. Die Stiftung, in die der Junior-Prinz das ganze Ding geschoben hat, um die aufwendige Sanierung vom Steuerzahler finanziert zu bekommen, befindet sich seither im Dauerkonflikt mit dem zuständigen Wissenschaftsministerium.
Demnächst muss wohl der sechste Vorstand in fünf Jahren gehen. Daneben mischte bis vor Kurzem auch noch ein umtriebiger Pächter mit, der gern weiterhin mit disneyhaften Kommerzveranstaltungen wie Winterzauber, Mittelaltermärkten oder Dreharbeiten Geld verdient hätte, ohne sich dabei von diesen Rettungsversuchen eines kulturellen Erbes stören zu lassen.
Das ist alles sehr unterhaltsam, aber touristisch praktisch nicht zu verwerten. Jüngsten Gerüchten zufolge soll die Burg frühestens 2031 wieder richtig zugänglich sein. Bis dahin dürfte die Serie sicher vergessen sein. So geht das liebe Barceloneser, Athener, Mallorquiner. Scheißwetter und kein Meer hilft aber auch.
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