Wie Tiere unter Hitze leiden: Hecheln, japsen, kollabieren
Hitzewellen schlagen nicht nur Menschen auf Gesundheit und Gemüt. Auch Haus-, Wild- und Nutztiere leiden unter extremen Temperaturen.
Manche dieser Tiere leben sehr eng mit Menschen zusammen, sogar auf ihren Sofas und Betten. „Wenn es für uns ungemütlich wird, dann gilt das auch für Hunde und Katzen“, sagt Holger Volk. Er ist der Direktor der Kleintierklinik an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Katzen und Hunden ziehen sich zurück, wenn es zu warm ist. Sie werden träge, verbringen viel Zeit drinnen und im Haus und brauchen sehr viel Wasser.
Bei 30 Grad müssen Menschen ihnen ausreichend Möglichkeiten bieten, sich vor der Hitze in Sicherheit zu bringen. An einem solchen Ort muss es genug Wasser und Luftzirkulation geben. Gassirunden sollten auf die Morgen- und Abendstunden beschränkt werden.
Hunde können sich außerdem auf heißem Asphalt schnell die Pfötchen verbrennen. Ob der Boden zu heiß ist, lässt sich durch einfaches Abtasten feststellen. Und auch Hunde bekommen Sonnenbrand. Zu kurz geschoren werden sollten die Vierbeiner also nicht. In der Regel schützt das Fell vor zu starker Sonneneinstrahlung.
Allgemein bekannt ist, dass Autos im Sommer für Tiere schnell zur Todesfalle werden. „Auch wenn es eigentlich in allen Medien verbreitet wird, ist das sehr wichtig“, sagt Holger Volk. Bei 30 Grad Außentemperatur steigt diese innerhalb einer Stunde im Auto auf fast 60 Grad Celsius.
Immer mehr Hunde, berichtet Holger Volk, seien in den letzten Jahren mit einem Hitzschlag in die Tierklinik gekommen. Zu erkennen ist ein solcher Notfall am starken Hecheln, Erbrechen, Durchfall und potenziell tödlichen Krampfanfällen. Was in solchen Fällen zu tun ist, hat die Tierärztliche Hochschule Hannover auch in einer Broschüre auf ihrer Internetseite www.tiho-hannover.de veröffentlicht.
Dass immer mehr Hunde mit Hitzschlag eingeliefert werden, liegt neben den steigenden Temperaturen auch an überzüchteten Hunderassen. Rassen wie der Mops oder die Französische Bulldogge sind beliebt, weil sie mit ihrem flachen Gesicht menschlichen Kindern ähneln. Doch ihre künstlich kurz gezüchteten Schnauzen sorgen dafür, dass sie kaum Luft bekommen. Zudem zeigt eine Untersuchung der Veterinärin Rowena Packer, dass Menschen nicht erkennen, wenn diese Hunde leiden: Angestrengtes Hecheln wird als Lächeln fehlgedeutet.
Neben Haustieren leiden auch Wildtiere unter der Hitze. Sie reagieren darauf ähnlich, bewegen sich kaum und suchen sich schattige Lichtungen im immer lichter werdenden, schrumpfenden Wald.
„Die Hitze trifft die Wildtiere direkt, aber auch indirekt“, sagt Janice Pahl vom Naturschutzbund (Nabu). „Nahrungsangebote werden weniger, Wasserstellen verschwinden.“
Weil sich Tiere weniger bewegen, könne auch die Fortpflanzung leiden. Generell hätten die Tiere aber eine gewisse Temperaturtoleranz und wüssten sich zu helfen, sagt Pahl. Rothirsche suhlen sich im Schlamm, Füchse und sogar Vögel können hecheln, um die Temperatur auszugleichen, und Hummeln fächern ihrer Brut mit den Flügeln kühlende Luft zu.
Aber viele leiden eben auch: Igel sind unterernährt und dehydriert, weil ihre Hauptnahrungsquelle, Würmer, in sehr trockenen Perioden einfach nicht zu finden ist. Fledermausbabys stürzen in den Tod, weil sie vor extremer Hitze in den oberen Stockwerken von Häusern flüchten.
Um den Tieren bei vielen ihrer Probleme zu helfen, hat Janice Pahl einen Tipp für alle, die vor ihrer Haustür Tieren helfen wollen: „Naturnahe Gärten mit heimischem Gehölz und Wasserquellen sind hier eigentlich die Antwort auf fast alle Fragen.“ Nur auf eine nicht, die zentrale: Wie können wir verhindern, dass die Erde unbewohnbar wird? „Was wirklich helfen würde, wäre, die Klimakrise zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen.“
Nutztiere spielen bei der Beschleunigung des Klimawandels eine entscheidende Rolle, denn Rinder stoßen extrem klimaschädliches Methan aus, dessen Treibhauseffekt zehn- bis zwanzig Mal stärker ist als der von Kohlenstoffdioxid. Und auch diese Tiere leiden, wenn es zu warm ist – sogar früher als Menschen.
Katrin Mahlkow-Nerge ist Professorin für Tierernährung an der Fachhochschule Kiel und hat früher an der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein geforscht. Sie sagt, schon 20 Grad seien für Milchkühe eigentlich zu warm. Sie sind darauf gezüchtet, dass sie mindestens 30 Liter Milch pro Tag produzieren. Dafür müssen sie extrem viel Energie, sprich Wärme, wieder an die Umwelt abgeben, weil ihr Körper hart arbeitet.
Ventilatoren in den Ställen
„Kühe sind ab zehn Grad nicht mehr in der Lage, ihre Körpertemperatur zu halten. Je heißer es wird, desto schwieriger ist es für sie“, sagt Mahlkow-Nerge. Das gelte auch für andere Nutztiere wie Schweine: „Eine Muttersau mit 14 Ferkeln kann auch 16 Liter Milch geben, das entspricht einer Hochleistungskuh.“
Wenn Kühe zu lange solchen Temperaturen ausgesetzt sind, geben sie trotzdem nicht weniger Milch. Sie sind darauf gezüchtet. „Auf Dauer geht das auf Kosten der Körpersubstanz“, sagt Mahlkow-Nerge. Und das könne für die Kühe gefährlich werden. Hitzestress, sagt sie, ist eines der Hauptprobleme für Kühe und Landwirt*innen. Ventilatoren in den Ställen, Tränken und Schattenstellen auf Weiden seien deshalb wichtig für gute Tierhaltung. Das gelte umso mehr, als auch sie die steigenden Temperaturen in Deutschland beobachtet. „In Schleswig-Holstein ist es noch nicht extrem heiß, aber auch hier wird es zeitweise zu warm.“
Ob das auch bedeutet, dass mehr Tiere sterben, möchte sie nicht pauschal bestätigen. Aber die wissenschaftliche Literatur spricht dafür: In einer Studie im Journal of Dairy Sciences haben Forscher*innen der Universität Tuscia zum Beispiel nachgewiesen, dass während Hitzewellen mehr Kühe sterben als in kühleren Zeiten. Und Hitzewellen gibt es immer öfter. In Teilen Deutschlands waren die Temperaturen gerade erst wieder auf 40 Grad klettern. Es wird nicht die letzte Hitzewelle gewesen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste