Pharmazeutin über die Klimakrise: „Medikation aktiv ansprechen“
Wer Medikamente einnimmt, sollte sich über die Wirkung bei hohen Temperaturen informieren. Sonst drohen Gesundheitsgefahren.
taz: Frau Schuster, Hitze wird durch die Klimakrise häufiger sowie intensiver und belastet den Körper sehr. Muss man das auch bei der Einnahme von Medikamenten beachten?
arbeitet als Pharmazeutin in einer Apotheke. Die 29-Jährige engagiert sich außerdem ehrenamtlich für die Medikamentenberatung des Stadtteil-Gesundheitszentrums GeKo Berlin im Bezirk Neukölln.
Elisabeth Schuster: Medikamente können zum Beispiel die natürliche Temperaturregulierung des Körpers im Gehirn verändern, was die Abkühlung erschwert. Sie können Schwitzen hemmen oder die Wahrnehmung verändern, sodass man schläfrig wird und weniger der Hitze entgehen kann. Wenn man zu wenig trinkt und dehydriert, können Arzneimittel deutlich toxischer werden.
Für welche Medikamente gilt das besonders?
Insbesondere für solche, die das Herzkreislaufsystem beeinflussen, etwa Blutdruckmittel oder sogenannte Wassertabletten für Herz- oder Nierenprobleme. Antidepressiva, Antipsychotika und Antihistaminika in Schlaftabletten haben Einfluss auf die Wahrnehmung; manche Abführmittel können die Wassermenge im Körper verringern. Und von wirkstoffhaltigen Pflastern nimmt der Körper bei Hitze durch eine erhöhte Durchblutung mehr von dem Wirkstoff auf als normalerweise.
Wo kann man sich darüber informieren, wie sich die Hitze auf die eigene Medikation auswirkt?
In der Apotheke können alle, die mehr als fünf Medikamente nehmen, einen von der Krankenkasse bezahlten Medikamentencheck machen lassen. Aber auch bei weniger Medikamenten kann man in die Apotheke oder zur Arztpraxis gehen, die eigene Medikation und Hitze aktiv ansprechen und nachfragen.
Für wen ist die Hitze besonders gefährlich?
Natürlich für diejenigen, die besonders viele Medikamente nehmen – da ist oft das Alter ein Thema, weil die Menschen dann häufig mehr Medikamente nehmen. Aber auch unabhängig davon haben ältere Menschen einen anderen Kreislauf und weniger Durstgefühl. Das heißt, sie merken bei Hitze langsamer, dass sie zu wenig trinken. Auch Schwangere und Kinder sind besonders betroffen, weil ihr Wasserhaushalt anders ist. Und Menschen, die durch ihre Arbeit draußen extremer Hitze ausgesetzt sind oder in aufgeheizten Wohnungen wohnen müssen, können weniger gegen die Hitze unternehmen.
Ist die Bevölkerung ausreichend über die Gefahren durch Hitze informiert?
Nein, das ist ein Thema, bei dem nur wenige aktiv nach Informationen suchen. Da müsste es mehr aktive Informationskampagnen, Hitzeschutzpläne und öffentliche Werbung geben, etwa für Kälteorte.
Ist das in der Fachwelt ein Thema?
Im Medizin- oder Pharmaziestudium spielt das Thema Hitze meist keine Rolle. In pharmazeutischen Zeitschriften gibt es aber im Sommer öfter Artikel zu dem Thema, und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat gerade in diesem Jahr mehr dazu informiert. Für gute Übersichten zu Auswirkungen auf einzelne Medikamente musste ich allerdings länger recherchieren.
Redaktioneller Hinweis: Das Gespräch wurde im Rahmen eines Rechercheprojekts zu Klimawandel und Gesundheit geführt, das von der taz Panter Stiftung unterstützt wird.
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