Whistleblower-Gesetz verabschiedet: Fast schutzlos ausgeliefert

Mehrere Jahre ist das Whistblower-Gesetz von der Ampel-Koalition verschleppt worden. Nun wurde es weiter abgeschwächt – ausgerechnet auf den letzten Metern.

Ein Kind mit Trillerpfeife hält sich die Augen zu

Pst! Ich habe nichts gesehen! Foto: Dirk Morla/plainpicture

Fast zweieinhalb Jahre Verspätung und nun ein klares Signal: Die Mitglieder von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat halten einen starken Schutz von Whist­leb­lo­wer:­in­nen in weiten Bereichen für sekundär. Sonst hätten die Regierungen und Parlamente der vergangenen Jahre das Gesetz, das der Bundestag am Donnerstag nun verabschiedet hat, nicht derart verschleppt, dass die EU mittlerweile sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat.

Sonst hätte maßgeblich die Union nicht auf den letzten Metern noch weitere Schwächungen in Sachen Schutz reinverhandelt. So fehlt nun etwa die Pflicht, anonyme Meldekanäle einzurichten, also Kommunikationswege, über die zum Beispiel Beschäftigte Missstände melden können, ohne Rückschlüsse auf ihre Identität zu hinterlassen. Auch der Schutz vor Repressalien ist schwächer geworden.

Es sind viele kleine Defizite, die aber in der Summe potenziellen Whist­leb­lo­wer:­in­nen signalisieren: Wer unbedingt meint, Missstände melden zu müssen, soll das halt tun, aber umfassenden Schutz darf man sich nicht erwarten.

Dieses Signal ist fatal. Denn Unternehmen und Behörden in Deutschland brauchen dringend einen grundlegenden Wandel hin zu einem positiven Umgang mit dem Kritisieren und Aufdecken von Missständen. Zu tief sitzt hierzulande die Angst vor Nestbeschmutzung. Vor allem dann, wenn interne Kritik auf eine Mauer der Abwehr stößt und nur der Weg an die Öffentlichkeit bleibt.

Nicht immer geht es um große Verfehlungen

Dabei belegen verschiedene Untersuchungen: Hin­weis­ge­be­r:in­nen helfen dabei, Missstände aufzudecken, aus denen finanzielle Schäden für die Unternehmen folgen. Ihr Handeln ist im wirtschaftlichen und öffentlichen Interesse. Auch wenn es dabei nicht immer um die großen Verfehlungen à la Abgasskandal geht, sondern ebenfalls um Steuerbetrug oder Geldwäsche.

Angesichts der Vorteile, die Whistleblowing für Unternehmen und Gesellschaft bringt, ist es unverständlich, dass das Gesetz hinter der EU-Richtlinie zurückbleibt. Aus dem dringend benötigten Kulturwandel wird so nichts.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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