Whistleblower-Gesetz verabschiedet: Fast schutzlos ausgeliefert
Mehrere Jahre ist das Whistblower-Gesetz von der Ampel-Koalition verschleppt worden. Nun wurde es weiter abgeschwächt – ausgerechnet auf den letzten Metern.
F ast zweieinhalb Jahre Verspätung und nun ein klares Signal: Die Mitglieder von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat halten einen starken Schutz von Whistleblower:innen in weiten Bereichen für sekundär. Sonst hätten die Regierungen und Parlamente der vergangenen Jahre das Gesetz, das der Bundestag am Donnerstag nun verabschiedet hat, nicht derart verschleppt, dass die EU mittlerweile sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat.
Sonst hätte maßgeblich die Union nicht auf den letzten Metern noch weitere Schwächungen in Sachen Schutz reinverhandelt. So fehlt nun etwa die Pflicht, anonyme Meldekanäle einzurichten, also Kommunikationswege, über die zum Beispiel Beschäftigte Missstände melden können, ohne Rückschlüsse auf ihre Identität zu hinterlassen. Auch der Schutz vor Repressalien ist schwächer geworden.
Es sind viele kleine Defizite, die aber in der Summe potenziellen Whistleblower:innen signalisieren: Wer unbedingt meint, Missstände melden zu müssen, soll das halt tun, aber umfassenden Schutz darf man sich nicht erwarten.
Dieses Signal ist fatal. Denn Unternehmen und Behörden in Deutschland brauchen dringend einen grundlegenden Wandel hin zu einem positiven Umgang mit dem Kritisieren und Aufdecken von Missständen. Zu tief sitzt hierzulande die Angst vor Nestbeschmutzung. Vor allem dann, wenn interne Kritik auf eine Mauer der Abwehr stößt und nur der Weg an die Öffentlichkeit bleibt.
Nicht immer geht es um große Verfehlungen
Dabei belegen verschiedene Untersuchungen: Hinweisgeber:innen helfen dabei, Missstände aufzudecken, aus denen finanzielle Schäden für die Unternehmen folgen. Ihr Handeln ist im wirtschaftlichen und öffentlichen Interesse. Auch wenn es dabei nicht immer um die großen Verfehlungen à la Abgasskandal geht, sondern ebenfalls um Steuerbetrug oder Geldwäsche.
Angesichts der Vorteile, die Whistleblowing für Unternehmen und Gesellschaft bringt, ist es unverständlich, dass das Gesetz hinter der EU-Richtlinie zurückbleibt. Aus dem dringend benötigten Kulturwandel wird so nichts.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss