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Wenn eine Zusage wie ein Rauswurf klingtKieler Kommunikationsdesaster

Das Kieler Innenministerium wollte neu ausgebildeten Po­li­zis­t*in­nen mitteilen, dass sich ihr Job-Einstieg verschiebt. Die Briefe verstand niemand.

Da gab's noch kein Brief-Problem: Ministerin Sabine Sütterlin-Waack 2020 bei der Landespolizei Foto: dpa | Frank Molter

„Wir müssen Ihnen leider mitteilen“ – trotz aller Klagen über sinkende Lesekompetenz dürften die meisten Menschen diesen Satz klar verstehen: So beginnt eine schlechte Nachricht. Aber was sonst überall gilt, gilt noch nicht in Schleswig-Holstein: Mit diesem „leider“ beginnt ein Brief des Kieler Innenministeriums, in dem An­wär­te­r*in­nen für den Polizeidienst die verbindliche Zusagen für eine Dienststelle erhalten. Äh, geht’s noch?

Zur Ehrenrettung des Ministeriums sei gesagt: Die Sache ist nicht ganz einfach. Weil in den vergangenen Jahren rund 20 Prozent der angehenden Po­li­zis­t*in­nen die Ausbildung abbrachen, stellte das Land dieses Mal mehr An­wär­te­r*in­nen ein. Von denen traten zwar 58 erst gar nicht in der Polizeischule Eutin an, aber der Rest des 2023er-Jahrgangs ist gut. Mehr Kan­di­da­t*in­nen als erwartet erreichten den Mindest-Notenschnitt, viele waren deutlich besser.

Aufgrund des Fachkräftemangels will das Land nun gern alle halten – kann nur nicht alle sofort einstellen, schließlich muss es ja freie Spinde, Schreibtische und Dienstwagen für die Neuen geben. Also: Ja, es gibt Jobs, aber halt erst in einigen Monaten.

Blöderweise erklärt das Land das nicht so, dass die Betroffenen es kapieren. Einen Brief, den das Innenministerium im Juli an An­wär­te­r*in­nen schickte, verstanden viele so, als rate das Land ihnen davon ab, bei der Polizei anzufangen: Sie könnten doch nach der Ausbildung einfach ein Jahr Pause machen, hieß es dort sinngemäß.

Wie sie die Leerlaufphase finanzieren, was sie in der Zeit anfangen könnten, dazu gab es keinen Vorschlag. Die Gefahr, dass die frisch ausgebildeten Kräfte in andere Bundesländer abwandern, war daher groß. Nach Protesten musste Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) dann zugeben, dass das ­„unglücklich“ sei.

Die Opposition freut sich

Auf die Kommunikationspanne im Juli setzt das Ministerium noch einen drauf, den „leider“-Brief, der sich an An­wär­te­r*in­nen für den mittleren und höheren Dienst richtet. Das Problem: Ihnen war zugesagt worden, dass sie im Februar anfangen könnten. Nun wurden sie auf August 2024 vertröstet – und das Ganze ist so schräg formuliert, dass die meisten wohl mehrfach lesen mussten, um zu begreifen, dass sie keine Ab-, sondern eine Zusage erhalten haben. Wieder gab es keinen Vorschlag, wie sie die Zwischenzeit überbrücken sollten.

Dieses Mal entschuldigte sich Staatssekretärin Magdalena Finke im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags: Die Schreiben seien „sehr unglücklich“. Beim nächsten in den Sand gesetzten Brief dürfte wieder die Ministerin dran sein. Formulierungsvorschlag: Sie könnte die Aktion „richtig, richtig doll unglücklich“ nennen.

Dass Behörden sich schwer tun in der Kommunikation mit dem Volk, ist altbekannt. Aber ein Schreiben, mit dem ein Ministerium junge Fachkräfte an sich binden will, klingen zu lassen wie einen Rauswurf, dürfte einmalig sein.

Immerhin freut sich die Opposition über die Chance, den missglückten Behördensprech zu kritisierten: „Enttäuschend“ und „schräg“ nennt Niclas Dürbrook (SPD) den Vorgang. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt, die Debatten hätten zu Verunsicherungen geführt, und fordert, das Land möge die An­wär­te­r*in­nen nun rasch einstellen. Und möglichst so, dass die Betreffenden es auch verstehen.

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5 Kommentare

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  • Nixfunktioniert. Und es war - ausnahmsweise mal NICHT in Berlin. Nasowas.

  • Wir können alles, außer Hochdeutsch.



    Das gilt wohl für alle Bundesländer 😄

  • Das ist doch super, das Land spart, solange können die ja einen Job beim Discounter oder beim Fast-Food-Lokal annehmen und dann irgendwann im August dürfen sie bei der Polizei loslegen. Klasse: Diese Regierung ist wirklich selten dämlich. Aber sparsam und das wollte die Landesregierung ja auch unbedingt, insofern: Intern macht das Sinn. Wie viele werden dann noch übrig sein?

  • Es schadet nichts, wenn bei der Polizei Menschen arbeiten, die Texte bis zu Ende lesen und in der Lage sind komplexe, womöglich "amtsdeutsche" Formulierungen zu verstehen.

  • Tja, das wird ja nun nicht an einem privaten Schreibtisch im Hinterzimmer zwischen Küche und Bad verfasst, sondern von hochkompetenten Fachkräften, die in Teams zusammenarbeiten, sich nach Beschlüssen und Vorlagen richten, Kontrollen unterliegen etc. : Wer, um Himmels Willen, arbeitet da? Die fassen ja keine geringen Gehälter ab.

    Und warum muss man bei der Bewerbung in einem bescheuerten Callcenter mehrere Frendsprachen teilweise verhandlungssicher nachweisen, um dann dankbar für den Mindestlohn 9 Stunden unter äußerst unangenehmen Bedingungen zu verbringen? Die Kompetenz mancher Servicekraft an der Hotelrezeption und die damit verknüpfte Erwartungshaltung scheint die von und an Ministerialbeamte/n deutlich zu übersteigen. Nur dass man für die Beamten deutlich mehr Verständnis aufbringt.