Weltwirtschaftsforum in Davos: Konzerne wollen Klima retten
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos steht Klimapolitik auf der Agenda. Firmenchefs stellen große Pläne vor. Ob das der Atmosphäre hilft, ist unklar.
Der Sektor, der für fast 40 Prozent aller energiebedingten Treibhausgasemissionen steht, „wird oft vernachlässigt, wenn es um Dekarbonisierung geht“, sagt Matthew Blake, Leiter der Abteilung Finanzen beim Weltwirtschaftforum (WEF). „Die Anführer in allen Branchen müssen Verantwortung für die Emissionen ihrer Gebäude übernehmen, um Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel sicherzustellen.“
So wird das Thema Klima inzwischen auf dem Treffen von Konzernchefs und Weltpolitik verhandelt: Überall präsent, mit Forderungen, die eher nach Umweltverbänden klingen, und mit groß angekündigten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Und beim jährlichen Report über die Gefahren für die Weltwirtschaft belegten 2022 klimabedingte Risiken die ersten fünf Plätze – bevor sie in diesem Jahr von Krieg und Inflation überschattet wurden. Allerdings stehen über einen Zeitraum von zehn Jahren immer noch klimabedingte Risiken auf den ersten drei Plätzen.
Der genauere Blick indes zeigt: Ob und wie das Treffen den Klimaschutz voranbringt, ist unklar. Die Ankündigungen der Konzerne sind in der Regel weder auf ihre Wirksamkeit nachprüfbar noch einzuklagen – die Unternehmen mit dem aktuellen Versprechen für „grüne Immobilien“ managen etwa nur einen Bruchteil aller Gebäude. Oft konzentrieren sich die Projekte der KonzernlenkerInnen in Davos auf technologische Lösungen und die Hoffnung auf die nächste lukrative Investition in neue grüne Techniken. Politische Weichenstellungen wie etwa ein globaler CO2-Preis werden von den Wirtschaftslenkern kaum angemahnt. Und Verhaltensänderungen schon gar nicht: Die CEOs kommen weiterhin gern mit ihren Privatjets. Deren Emissionen vervierfachen sich während der Veranstaltung, nach Informationen von Greenpeace.
Superreiche interessieren sich für Klimaschutz
Das liegt auch daran, dass inzwischen viele Superreiche das Klimathema als Hobby entdeckt haben. Nur wenige Milliardäre wie die amerikanische Ölerbin Aileen Getty oder der australische Software-Entwickler Mike Cannon-Brookes nutzen ihr Kapital, um Klimaaktivismus zu finanzieren. Die meisten der grünen Milliardäre suchen mit ihrem Geld politischen Einfluss über das Umweltthema (wie die US-Politiker Michael Bloomberg oder Tom Steyer) oder persönliche Anerkennung wie Amazon-Chef Jeff Bezos mit seinem milliardenschwerden „Earth Fund“. Oder sie suchen gleich das nächste große grüne Geschäftsmodell – wie etwa Microsoft-Gründer Bill Gates mit seinen Investitionen in Laborfleisch, CO2-Speicherung und kleine Atomkraftwerke. Der private CO2-Fußabdruck der Superreichen liegt nach einer Oxfam-Studie etwa tausendfach höher als der globale Durchschnitt – rechnet man ihnen die Emissionen ihrer Firmen zu, sogar millionenfach höher.
KlimaschützerInnen versprechen sich wenig von dem Treffen: In einem Jahr, wo die Klimafinanzierung und die Reform des Weltbanksystems ganz oben auf der Agenda stehen, werde Davos keine größeren Änderungen bringen, ist sich Rachel Kyte sicher, Klima-Finanzexpertin der US-Universität Tuft: „Die große Frage ist, ob in Davos immer die wichtigen Fragen behandelt werden. Es wird interessant zu sehen, wie viel Widerstand es in Davos gibt, die Schlupflöcher beim Greenwashing zu schließen, und was das für die Klimaneutralität bedeutet.“
Kritiker:innen monieren Greenwashing
Vanessa Nakate, Jugendaktivisten aus Uganda, beschreibt Davos als „dominiert von einer reichen Elite aus dem globalen Norden, die aus dieser Sicht über globale Probleme redet. Die Chefs von Öl- und Gaskonzernen werden eingeladen, um ihr Geschäft grünzuwaschen. Es ist schwer, nach einer Woche in Davos nicht zynisch zu werden über die Aussichten für Klimagerechtigkeit.“
Dabei ist das Klimathema im Programm des Weltwirtschaftsforums überall präsent: Es geht um grüne Märkte, neue grüne Jobs, die Sicherung der globalen Energiewende, die Reduktion von Plastik, die Anpassung an den Klimawandel – und immer aus der „Business-Perspektive“. In einer unübersehbaren Menge von „Allianzen“ finden sich Konzerne und ihre Chefs zusammen: Für die „Restaurierung der Wälder“, für Null-Emissions-Schifffahrt, für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, für die Dekarbonisierung besonders dreckiger Branchen, für Investments in erneuerbare Energien in Entwicklungsländern.
50 globale Konzerne wollen vorangehen
Einen großen Schritt für die Reduktion von globalen Emissionen verspricht nun die neue „First Movers Coalition“: Eine Allianz von mehr als 50 globalen Konzernen will ein Drittel der globalen CO2-Emissionen durch neue Technik reduzieren und bis 2050 auf null bringen. Sie haben sich vorgenommen, die besonders harten Nüsse zu knacken: die Emissionen aus Bereichen, die nicht einfach durch Ökostrom zu vermeiden sind, sondern wo Emissionen im Prozess anfallen oder noch keine geeignete Technik zur Verfügung steht.
Der Clou dabei: „Um dem Markt Starthilfe zu geben“, verpflichten sich die Mitglieder der Koalition im Voraus, „trotz der Premiumkosten“ Material und Dienstleistungen wie etwa Transport zu kaufen, die mit Null-Emissions-Technik hergestellt und noch nicht marktfähig sind – also höhere Kosten zu akzeptieren, die sie an ihre Kunden weiterreichen. Ein Ökokartell zur Schaffung von grünen Märkten also. In der FMC-Koalition befinden sich Autobauer, Stahl- und Zementkonzerne, Logistikunternehmen und Energiekonzerne – viele Unternehmen, die in der Vergangenheit selbst oder über ihre Verbände gegen jede Art von internationaler Ökoregulierung etwa bei Luft- oder Schifffahrt oder im EU-Emissionshandel lobbyiert haben.
Wirkliche Impulse fehlen
„Wirklich transformative Impulse im Klimaschutz hat es vom WEF bisher nicht gegeben“, sagt Christoph Bals, Direktor der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Zwar habe sich das Gremium deutlich verändert und das Klimathema aufgegriffen, weil es immer mehr Akteuren der Wirtschaft auf den Nägeln brenne. „Aber vom eigentlich notwendigen ökosozialen Rahmen für globalen Handel und Finanzmärkte, die so wichtig wären, um ernsthafte Klimaziele umzusetzen, sind wir sieben Jahre nach dem Paris-Abkommen noch weit entfernt“, sagt Bals.
Die Spaltung der Welt durch den Aufstieg von Autokratien wie China und Russland hinterlasse ihre Spuren auch in Davos. „Umso wichtiger wäre es, wenn die globalen Unternehmen den UN-Prozess ergänzen und das Pariser Abkommen umsetzen würden. Aber bisher fehlen auch in Davos die Impulse für Instrumente, die diese Ernsthaftigkeit transparent überprüfen und die Umsetzung sicherstellen.“
Genug geredet
Auch Sabine Nallinger, Vorständin der „Stiftung KlimaWirtschaft“, die deutsche Konzerne zum Klimaschutz zusammenbringt, steht kritisch gegenüber Davos. „Es ist schwer zu messen, ob dabei etwas rauskommt. Die Zeit der Plaudereien ist vorbei, jetzt in der Dekade der Umsetzung muss es ums Handeln gehen.“
Sie verlangt von den Unternehmen Standards für ihre Branchen, die Orientierung ihrer Geschäfte an CO2-Reduktionszielen und Zwischenzielen auf dem Weg zur Klimaneutralität, ernsthafte Unterstützung an Prozessen wie Klimaschutzgesetze und Sofortprogramme. „Die Unternehmen müssen auch ernsthaft über Strategien diskutieren, welche Geschäftsfelder wie in der Klimaneutralität eine Zukunft haben.“
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