Weltweite Verteilung von Impfstoff: Industriestaaten blockieren
Die Mehrheit der Menschen muss auf eine Impfung weiter warten. Eine Initiative, die die Patentrechte aufheben wollte, ist am Donnerstag gescheitert.
Bereits Anfang September vergangenen Jahres hatten Indien und Südafrika in der WTO beantragt, es allen Mitgliedstaaten freizustellen, für die Dauer der Pandemie geistige Eigentumsrechte auf medizinische Produkte auszusetzen, die im Kampf gegen die Pandemie gebraucht werden. Das würde eine weltweite Ausweitung der dringend benötigten Produktion von Impfstoffen, Tests, Medikamenten, Schutzmasken und Beatmungsgeräten ermöglichen und könnte so Millionen Menschen in den bislang unterversorgten Ländern des Südens Schutz bieten.
Die Möglichkeit zur Aussetzung von Patentrechten im Fall eines Gesundheitsnotstands ist in dem 1994 zeitgleich mit der WTO-Gründung vereinbarten „Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum“ (TRIPS) vorgesehen. Die Ratifizierung des TRIPS-Abkommen ist Vorbedingung für den Beitritt eines Landes zur WTO.
Bis zum Mittwoch hatten über 100 der 164 WTO-Mitglieder ihre Unterstützung für den indisch-südafrikanischen Antrag erklärt. Doch für die Aussetzung des Patentschutzes ist nach den Verfahrensregeln der WTO ein Konsensbeschluss erforderlich. Dieser wurde am Donnerstag wie bei den vorherigen vier Beratungsrunden zwischen Oktober bis Dezember vergangenen Jahres in erster Linie von den Sitzstaaten der weltgrößten Pharmakonzerne USA, Japan, Schweiz, Großbritannien sowie den EU-Ländern Deutschland und Frankreich verhindert.
Eine weitere Beratung des TRIPS-Rates der WTO ist für März vorgesehen. WTO-Diplomaten aus Ländern, die den Antrag unterstützen, äußerten gegenüber der taz die Sorge, die Verhandlungen könnten sich bis Ende des Jahres hinziehen. Es werde bereits erwogen, notfalls einen Mehrheitsbeschluss zu fassen.
NGOs kritisieren „Blockadehaltung“
Ärzte ohne Grenzen, Oxfam und andere Nichtregierungsorganisationen kritisierten die „fortgesetzte Blockadehaltung“ der Industriestaaten. „Kanzlerin Merkel hat vor knapp einem Jahr gesagt, dass ein Covid-19-Impfstoff ein globales öffentliches Gut sein wird und man an möglichst vielen Stellen auf der Welt Produktionskapazitäten für einen Impfstoff schaffen muss. Davon ist jetzt nichts mehr zu sehen“, erklärte Marco Alves von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. Es sei „ein Skandal, dass von dem Bekenntnis zu globaler Weitsicht nur noch nationale Kurzsicht übriggeblieben ist“.
Die auch beim jüngsten Impfgipfel in Berlin von den Pharmaunternehmen vorgebrachte Erklärung, eine signifikante Ausweitung der Produktion von Corona-Impfstoffen sei wegen technischer Schwierigkeiten oder des Mangels an Grundstoffen nicht möglich, wies Alves mit Verweis auf die bereits seit Januar 2020 praktizierte und sehr erfolgreiche Kooperation zwischen dem britischen Hersteller AstraZeneca und dem Serum Institute of India zurück.
Die Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur gerechteren globalen Verteilung von Impfstoffen, deren Unterstützung durch Deutschland die Bundesregierung betont, sei „keine Lösung des Problems“. Denn auch Covax könne „nur die Impfstoffe verteilen, die zuvor auch produziert werden“.
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