Weltnaturerbefonds der Bundesregierung: Menschen, Tiere und Millionen
Der Weltnaturerbefonds der Bundesregierung soll den Artenschutz revolutionieren. Private Spender haben großen Einfluss auf das Projekt.
Das ambitionierte Ziel der Konferenz: Es soll festgeschrieben werden, dass bis 2030 weltweit 30 Prozent aller Flächen als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Ein Ansatz, der umstritten ist. Am vergangenen Samstag demonstrierten in Montreal Indigene mit einem Banner: „Wir sind eins mit der Natur.“ Sie forderten, dass Menschenrechte beim Artenschutz nicht vergessen werden.
Legacy Landscapes Fund, kurz LLF, heißt der nun aufgestockte Fonds. Zu Deutsch: Weltnaturerbefonds. Ziel ist es, bis 2030 einen Kapitalstock von rund 1 Milliarde US-Dollar aufzubauen, womit weltweit 30 Schutzgebiete grundfinanziert werden sollen – in Entwicklungs- und Schwellenländern, weil sich dort zwar rund drei Viertel der artenreichsten Gebiete befinden, bislang aber wenig Geld in den Naturschutz fließt. Für die Bundesregierung ist der LLF ein Leuchtturmprojekt. Aber ist das Ganze wirklich so vorbildlich?
Vorlieben privater Geldgeber:innen
Der taz liegen interne Unterlagen aus dem BMZ vor, E-Mails, Protokolle und Präsentationen, die die Nichtregierungsorganisation Survival International mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erlangt hat. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass das Leuchtturmprojekt Schattenseiten hat: Die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung rund um die Naturschutzgebiete spielte bei der Gründung des Fonds kaum eine Rolle. Kritische Stimmen wurden überhört. Bemerkenswert ist vor allem, dass den Vorlieben privater Geldgeber:innen ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt wird.
Der „intellektuelle Vater“ des LLF, so wird er intern genannt, ist Christof Schenck. Der 60-Jährige hat einst über Riesenotter in Peru promoviert und ist heute Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die weltweit Schutzgebiete unterstützt. Im Januar 2018 stellt er im BMZ ein Konzept für den Weltnaturerbefonds vor. Die Idee: Artenschutzprojekte sollen langfristig finanziert werden. Bislang gibt es eine Förderung meist für drei oder vier Jahre, so kann nur schwer eine funktionierende Verwaltung aufgebaut werden. Der Weltnaturerbefonds sieht pro Park und Jahr 1 Million Euro vor – und das möglichst für die Ewigkeit. Um das zu stemmen, sollen neben dem Bund als wichtigem Geldgeber andere Länder und vor allem Philanthrop:innen gewonnen werden. Superreiche, die der Welt etwas Gutes tun wollen.
Kritik wird ignoriert
Mit Kritik wurden die Macher:innen früh konfrontiert. Im März 2018 lädt die Zoologische Gesellschaft Frankfurt zu einem Workshop nach Washington ein. Neben dem BMZ und der Förderbank KfW sind auch Mitarbeitende von NGOs und Stiftungen vertreten. Nach dem Treffen rät ein Teilnehmer, den Rahmen des Naturerbefonds zu weiten, um Artenverlust auch außerhalb der Schutzgebiete zu stoppen. Schenck wiegelt schnell ab. In einer Mail an seine „Mitstreiter“ aus BMZ und KfW argumentiert er: „Der Ansatz hat nicht den Anspruch, die Welt zu retten, sondern einen wichtigen Bestandteil, nämlich global herausragende Schutzgebiete, zu stabilisieren.“ Die Anregung eines Biodiversitätsexperten aus Afrika, nicht nur Parks mit sehr hohen Artenschutzstandards auszuwählen, wird später vom BMZ-Verantwortlichen ebenso beiseite gewischt.
Kurz nach dem Besuch in Washington wird das Project Preparation Team eingerichtet und durch die KfW im Mai 2018 eine Machbarkeitsstudie beauftragt, Kostenplan: 554.000 Euro. Aber das Ergebnis dieser Studie wird nicht abgewartet.
Schutzgebiete als Festung
Menschenrechtsorganisationen wie Survival International und Amnesty schauen kritisch auf diesen Naturschutzansatz, sie befürchten eine „Fortress Conservation“. Schutzgebiete mehr oder minder als Festung zu betrachten, dahinter steht der Glaube, dass ein Ökosystem am besten geschützt werden kann, wenn Menschen möglichst draußen bleiben. Als Folge wurden und werden Menschen, die in den Schutzgebieten leben, von Ranger:innen vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt.
Die krassesten Fälle gab es in Zentralafrika, wo unter anderem vom WWF finanzierte militante Gruppen Menschen gefoltert, vergewaltigt und sogar getötet haben sollen. Deutschland gebe weiter „keinen Pfifferling auf die Rechte indigener Völker“, kritisiert Fiore Longo von Survival International. Das BMZ betont, dass bei dem Projekt „hohe Menschenrechts- und Umweltstandards“ gelten.
Grundsätzlich macht sich das BMZ viele Gedanken um die Außenwirkung des Fonds. „Der LLF soll nicht als eine vom Norden angetriebene Initiative wahrgenommen werden“, wird im Dezember 2019 protokolliert. „Wie könnte der globale Süden eingebunden werden?“
Aber wichtiger ist es offenbar erst einmal, Philanthrop:innen von dem Projekt zu überzeugen. Potenzielle Geldgeber:innen und Partner-NGOs werden im Herbst 2019 ins BMZ eingeladen, vom WWF bis zur Leonardo DiCaprio Foundation. Auch in den USA wird nach engagierten Superreichen gesucht. Es gebe Vorlieben bei den Fördergebieten, notiert eine BMZ-Mitarbeiterin. Nach diesen müsse man sich wohl richten, sonst würden die Leute nicht zahlen. Ihr Geld wird aber gebraucht. Das Konzept sieht vor, dass alle Gebiete je zu einem Drittel privat finanziert werden.
Kann es ein sinnvolles Kriterium sein, dass bei dem einen das Herz mehr für den Tiger auf Sumatra schlägt und bei der anderen für den Weißwangenklammeraffen im Amazonas? Die vorgesehene Auswahl nach objektiven Kriterien wird jedenfalls vertagt. Was die BMZ-Frau auch erwähnt: Die Einbindung der Partnerländer sei bislang noch nicht erfolgt. Spätestens wenn die Pilotschutzgebiete festgelegt seien, müsse das geschehen, sonst könne es zum „Vorwurf einer ‚kolonialistischen Herangehensweise‘“ kommen.
Soziale Konfliktrisiken
Anfang Mai 2020, gut eineinhalb Jahre später als geplant, liegt die Machbarkeitsstudie der KfW vor. Mit dem Team wird aber nur eine Stellungnahme der KfW geteilt. „Bei der Umsetzung vor Ort bestehen vielfältige soziale Konfliktrisiken“, heißt es darin. „Im Kontext der Schutzgebietsüberwachung und der Wildereibekämpfung können Menschenrechtsrisiken entstehen.“ Die Risiken werden als „mittel“ eingeschätzt.
Einigen Spender:innen geht es nicht schnell genug, sie äußern Zweifel, ob der Fonds je gegründet wird. Kurzerhand verschickt das BMZ einen Brief an ein ungeduldiges reiches Ehepaar. Der Vorschlag: Zwei ihrer fünf eingereichten Schutzgebiete werden als Pilotparks in den Weltnaturerbefonds aufgenommen. Als das BMZ im Mai 2020 sechs Schutzgebiete auswählt, haben die zuständigen Regionalreferate nur 24 Stunden Zeit, um aus „triftigen politischen Gründen“ gegen die Auswahl zu votieren.
Kuratorium bringt Ansehen
Unter Druck steht das BMZ nicht nur durch ungeduldige Geldgeber:innen. Wie aus den der taz vorliegenden Dokumenten hervorgeht, meldet auch der Bundesrechnungshof Bedenken an. Wiederholt kritisiert er die Gründung einer privatrechtlichen Stiftung durch den Bund. Diese Rechtsform sei attraktiver für private Spender:innen, begründet die KfW. Die Mitgliedschaft in einem Stiftungskuratorium bringe ein hohes Ansehen mit sich. Ende 2020 wird die Stiftung gegründet.
Die Akquise der Geldgeber:innen läuft weiter schleppend. Bislang sind vier private Stiftungen beteiligt, vor allem aus den USA. Deutsche Stifter:innen sind zögerlich. Etwa Sabine Plattner, die Frau des Softwaremilliardärs Hasso Plattner, die der damalige Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Oktober 2020 bei einem persönlichen Besuch umwarb. Die Plattners zählen bis heute nicht zu den Geldgeber:innen des Fonds.
Niemand aus dem Globalen Süden
Auf Anfrage teilt das BMZ mit, dass inzwischen Gespräche mit weiteren potenziellen Partnern fortgeschritten seien. Als Geldgeber ist nach Frankreich nun auch Norwegen dabei, beide aber mit vergleichbar kleinen Summen. Sieben neue Schutzgebiete wurden als Kandidaten für den LLF ausgewählt, vor allem in Afrika und Südamerika, darunter der Yasuní-Park in Ecuador, wo vor Jahren eine Naturschutzinitiative scheiterte.
In dem fünfköpfigen Stiftungskuratorium, dem höchsten Gremium des Weltnaturerbefonds, das auch am Ende über die Finanzierung weiterer Parks entscheidet, sitzen heute zwei Vertreter:innen von Stiftungen und NGOs. Aber niemand aus dem Globalen Süden. Vertreter:innen aus Entwicklungsländern hätten ohnehin nicht viel zu sagen. Sie sollten zwar „aus Transparenz- und Sicherheitsgründen“ in dem Gremium vertreten sein, wie es in einem Sitzungsprotokoll heißt. Die Mehrheit der Stimmen liege aber „selbstverständlich“ bei den Geldgeber:innen.
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