Welthunger-Index vorgestellt: Klimakrise verstärkt Hunger

Laut Welthunger-Index steigt die Zahl der Hungernden auf 822 Millionen. Grund sind unter anderem Regierungskrisen und die Erderwärmung.

Menschen stehen in einer Reihe. Sie tragen mindestens zwei leere Wasserkanister in der Hand. Die Kanister haben ein Fassungsvermögen von fünf Litern

Warten auf Wasser: Anwohnende in Kapstadt stehen Schlange Foto: dpa

BERLIN taz | Die Klimakrise sowie Regierungskonflikte verschärfen den Hunger weltweit und führen dazu, dass Länder wie der Jemen sogar Rückschritte bei der Hungerbekämpfung machen. Das ist das Ergebnis des am Dienstag veröffentlichten Welthunger-Index (WHI) der Welthungerhilfe. Die Zahl der Hungernden ist demnach gestiegen: 2015 waren es 785 Millionen Menschen, heute sind es 822 Millionen, also mehr Einwohner:innen, als die USA, Indonesien und Brasilien zusammen aufzuweisen haben.

Der Welthunger-Index wird seit 2006 jährlich veröffentlicht und anhand von vier medizinischen Indikatoren berechnet: Unterernährung, Auszehrung (bei Kindern), Verzögerung im Wachstum sowie Kindersterblichkeit. Es gibt eine Skala, die von 0 bis 100 Index-Punkte reicht und Hungersituationen von „niedrig“ bis „gravierend“ in fünf Stufen einteilt.

In 48 der 117 berücksichtigten Länder wird die Hungerlage mindestens als „ernst“ eingestuft. Besonders dramatisch ist die Situation in Ländern, die unter Kolonialherrschaften litten und in denen es heute noch Gewalt oder Kriege gibt: Im Tschad, in Sambia, Madagaskar und im Jemen ist die Anzahl der Hungernden so hoch, dass die Welt­hungerhilfe die Lage als „sehr ernst“ einstuft, im Fall von Zentralafrika sogar als „gravierend“.

Der diesjährige Index trägt den Titel „Wie der Klimawandel den Hunger verschärft“ und stellt dar, wie Klimakrise und Hungersnot zusammenhängen. „Der Klimawandel ist ungerecht“, sagte Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. „Es leiden diejenigen am meisten unter ihm, die am wenigsten dazu beitragen.“

Die verkürzte Regenzeit sorgt für längere Hungersnot

Seit den 1990ern habe sich die Zahl der extremen Wetterereignisse verdoppelt. Das führe zu Ernteverlusten bei wichtigen Anbaupflanzen sowie steigenden Preisen bei Lebensmitteln, so Thieme. Nach einer Dürre oder einer Flut sei aufgrund der schlechten Ernte zudem kein Geld da, um neue Aussaat zu kaufen. So verstärke sich eine Art Teufelskreis, unter dem vor allem Frauen und Kinder leiden.

In manchen Ländern hat sich die Situation verschlimmert: Im Jemen, im Libanon, in der Zentralafrikanischen Republik sowie in Venezuela seien die WHI-Werte laut Index derzeit höher als noch vor neun Jahren.

Francis Djomeda beobachtet den Zusammenhang von Klimakrise und Hunger im Niger, wo er für die Welthungerhilfe arbeitet: „Früher dauerte die Hungersnot drei Monate. Heute sind es fünf bis sechs.“ Grund dafür sei die verkürzte Regenzeit. „Die Menschen verlieren Häuser, Ernte und Tiere. Dazu kommt Malaria.“ Im Niger habe man sich deshalb auf zwei Lösungen fokussiert: Schnelle Direktmaßnahmen und die Möglichkeit, Menschen so schnell wie möglich zur Autonomie zu verhelfen.

Niger fordert mehr Geld

Djomedas Forderung: „Wir brauchen mehr Geld im Niger, damit wir unsere Widerstandsfähigkeit stärken können.“ Um den Hunger zu bekämpfen, hilft es laut Welthungerhilfe, die Gefahren für die Ernährungssicherheit aufgrund der Klima­krise zu bekämpfen. Nötig sei deshalb, dass sich die betroffenen Länder auf Katastrophen besser vorbereiten. Die Finanzierung hierzu solle gerecht verteilt werden.

Ernährungssicherheit und Klimawandel seien „die beiden Überlebensfragen der Menschheit“, zitierte die Organisation Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Aus den Dürreregionen Afrikas seien bereits 20 Millionen Menschen geflohen.

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