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Weitere Proteste in Frankreich46 Festnahmen in Paris

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kam es in französischen Städten erneut zu gewaltsamen Protesten. Tausende gingen gegen die Rentenreform auf die Straße.

In Frankreich haben erneut Tausende gegen die beschlossene Rentenreform der Regierung protestiert Foto: Christophe Ena/dpa

Paris dpa | Erneut ist es in mehreren französischen Städten zu gewaltsamen Protesten gegen die beschlossene Rentenreform gekommen. In Paris wurden in der Nacht zu Mittwoch Medienberichten zufolge 46 Menschen festgenommen, nachdem Polizisten mit Wurfgeschossen angegriffen worden waren und Demonstranten Mülltonnen und Motorroller angezündet hatten. Die Polizei setzte gegen einige der rund 3.500 Demonstrantinnen und Demonstranten Tränengas ein. Proteste mit Tausenden Teilnehmern gab es laut der Zeitung Le Parisien auch in Lille, Grenoble, Rennes, Nantes und Le Mans. An diesem Mittwoch will sich Präsident Emmanuel Macron in einem Fernsehinterview öffentlich äußern. Dabei dürfte er versuchen, die schwierige Lage zu entspannen.

Bereits am Dienstagabend sagte er, die Wut der Franzosen müsse nach der umstrittenen Verabschiedung des Gesetzes „besänftigt“ werden. Zugleich sagte er, die Menschenmenge habe keine Legitimität gegenüber den gewählten Vertretern. Unmut gab es bei vielen Menschen auch, weil die Streiks bei der Müllabfuhr und an Öllagern anhielten und einzelne Tankstellen keinen Kraftstoff mehr hatten.

Am Montagabend waren bei den gewalttätigen Protesten in ganz Frankreich knapp 300 Menschen festgenommen worden. Die Reform zur schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre war zuvor nach der Ablehnung von zwei durch die Opposition eingebrachten Misstrauensanträgen verabschiedet worden. Sie gilt als eines der wichtigsten Vorhaben von Macron. Am vergangenen Donnerstag hatte die Regierung in letzter Minute entschieden, das Vorhaben ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung zu drücken. Seit Wochen gibt es in Frankreich immer wieder Streiks und heftige Proteste gegen die Reform.

Am Donnerstag ist ein weiterer Aktionstag geplant. Innenminister Gérald Darmanin kündigte an, rund 12.000 Polizisten würden im Einsatz sein, davon 5.000 in Paris. Dies wäre seit Beginn der Proteste gegen die Rentenreform das größte Aufgebot.

Um die drohende Lücke in der Rentenkasse zu schließen, will Frankreichs Mitte-Regierung unter Macron das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1.200 Euro hochsetzen.

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4 Kommentare

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  • Licht und Schatten

    Zuerst einmal eine gewisse Bewunderung darüber, dass die Franzosen sich nicht alles vom Staat einfach so gefallen lassen und viel öfters aus die Straße gehen. Der deutsche Michel ist da leider viel träger. So viel zum Licht.



    Leider ist es aber auch so, dass das Geld für die Rente erwirtschaftet werden muss und nicht dauerhaft nur gedruckt werden kann. Und so lange die Babyboomer nun bald ein riesiges Loch in die Rentenkasse reißen werden, so lange muss gehandelt werden. Dies können höhere Beitrage sein, was die Jugend ungerecht finden wird, dies kann ein späterer Renteneintritt sein, was die Fast-Rentner ungerecht finden werden.



    So sehr ich Volkes Zorn verstehe, so sehr verstehe ich leider auch, dass gehandelt werden muss. Das wäre jetzt die Schattenseite.



    Nun fragt bitte nicht mich, was richtig wäre, in diese Brennnesseln setze ich mich nicht.

    • @Rudi Hamm:

      Und warum genau kann der Staat die Rente per Defizit bezahlen?



      Solange genug Ressourcen für Konsum, Transport, Pflege etc da sind, ist das nicht das geringste Problem.

  • Rudolf Balmer , Autor , Auslandskorrespondent Frankreich

    ...nach der Ablehnung von zwei durch die Opposition eingebrachten Misstrauensanträgen verabschiedet worden...

    Besser wäre es zu sagen, dass sie für beschlossen erklärt worden ist, denn es fand ja eben kein Votum statt, das erklärt die zusätzliche Wut der Gegner*innen

    Zur Mindestrente 1200: Mittlerweile musste auch die Regierung eingestehen, dass nur ganz wenige (einige tausend pro Jahr) in den Genuss dieser Erhöhung auf 1200 kommen. Der Rest war Propaganda.

    • @Rudolf Balmer:

      Vielen Dank für die zusätzlichen Infos.

      Ich würde noch hinzufügen, dass die "drohende Lücke" von einigen spezifischen Annahmen abhängt und in den anderen Szenarien nicht auftritt.

      Und, dass der grösste Teil der 300 Festgenommenen ohne jegliche Strafverfolgung wieder entlassen wurde. Einige von ihnen behaupten, von Polizisten gehört zu haben, es habe eine Quote für Festnahmen gegeben.