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Weitere Proteste angekündigtGeneralstreik in Katalonien

„Selbstbestimmung ist kein Verbrechen“: Die Aktionen in Barcelona richten sich gegen einen Prozess von Chefs der Unabhängigkeitsbewegung.

Und es soll weiter protestiert werden: Barcelona am 16. Februar Foto: dpa

Madrid taz | Die Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens haben am Donnerstag vielerorts im Rahmen eines regionalen Generalstreiks den Verkehr lahmgelegt. Am frühen Abend gingen in Barcelona Zehntausende Menschen auf die Straße. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden mehr als 20 Menschen verletzt.

Bereits in den frühen Morgenstunden wurden Zuglinien, Autobahnen und Landstraßen blockiert. Aufgerufen hatten die katalanische Gewerkschaft Intersindical-CSC und mehrere Bürgerbewegungen, die die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens anstreben.

Offiziell ging es beim Generalstreik um eine Erhöhung des Mindestlohnes und eine kürzere Wochenarbeitszeit. Der eigentliche Grund war das Verfahren gegen zwölf Führer der Unabhängigkeitsbewegung, das seit Anfang vergangener Woche in Madrid vor dem Obersten Gerichtshof stattfindet. Den Angeklagten, darunter ein Großteil der damaligen katalanischen Regierungsmitglieder, wird wegen der Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017, „Rebellion“ und „Aufstand“ vorgeworfen. Ihnen drohen hohe Haftstrafen.

Von den Blockaden betroffen waren die wichtigsten Zufahrtsstraßen zu den großen Städten, wie Barcelona, Girona oder Tarragona sowie die Grenzübergänge nach Frankreich.

Vor allem in Verwaltung und öffentlichen Diensten blieben viele der Arbeit fern. Der öffentliche Nahverkehr funktionierte nur eingeschränkt. Die meisten Oberschüler und Studenten tauschten den Hörsaal gegen die Straße. Die Proteste verliefen weitgehend friedlich. Die großen landesweit aktiven Gewerkschaften CCOO und UGT blieben dem Streik fern. Demgegenüber schloss sich die katalanische Regierung dem Streik an.

Gegen Mittag kamen in Katalonien Tausende zu Kundgebungen zusammen. Sie verlangten die Unabhängigkeit Kataloniens, die Freilassung der zwölf Gefangenen und die straffreie Rückkehr der sieben ins Ausland geflohenen Politiker, darunter Kataloniens Ex-Premier Carles Puigdemont. Am vergangenen Samstag waren in Barcelona laut Veranstalter 500.000 Menschen auf die Straße gegangen. Ihr Motto: „Selbstbestimmung ist kein Verbrechen“. Für Donnerstagabend waren in mehreren Städten Kataloniens weitere Proteste angekündigt.

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7 Kommentare

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  • die alte idee vom europa der regionen. nichts daran ist problematisch. ausser frü die spanischen machteliten, die einen teil vom einfluß und ausbeutungsgegenstand verlieren würden und deshalb die polizei mit knüppeln losschicken.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Na klar, wir werden jetzt alle autonom. Die Bayern sind es ja eh schon halb, die Baden trennen sich von den Schwaben und so weiter uns so fort.

    Bis wir wieder lauter Stämme haben, die alle ihr ganz eigenes TamTam haben.

    Lichtjahre entfernt von einer Weltgesellschaft, die keine Grenzen mehr kennt. Das war mal die kommustische Utopie. Heute ist die Utopie: Kuhdorf A grenzt sich von Kuhdorf B ab.

    Und jeder ist ganz was besonderes.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Kuhdorf A, z.B. die USA, bauen Mauern, Kuhdorf B, z.B. die EU hat Stacheldrahtzäune GEGEN andere Menschen (Ceuta), Australien (auch so eine Art Kuhdorf) ist da noch rigoroser. Und da ist ausgerechnet Katalonien ein solcher Dorn im Auge ganz unabhängig von der Frage, was die Katalanen dazu motiviert?

      Sie sind natürlich der geborene Weltbürger, kennen keine regionalen Besonderheiten und betrachten die ganze Welt als ein einziges Dorf. Aber jedes Jahr Waffen produzieren für unendliche Summen, um ein wenig die Weltbevölkerung zu reduzieren ist natürlich in Ordnung. Und wenn ein paar palästinensische Jugendliche mit Steinen gegen Stacheldrahtzäune anrennen, dürfen diese gezielt getötet werden, weil sie das Ziel der Weltbevölkerung missachten. Oh Mann ....

  • Mitten in Europa finden politische Prozesse stattgegen Europäer, die für sich mehr Autonomie beanspruchen. Selbstbestimmung, Autonomie usw. ist für das EU Bürokratenregime wie Pest und Cholera zugleich. Kein Wunder, dass sich da kein Finger rührt für die Verfolgten und Inhaftierten. Warum bekommen die Katalanen nicht die gleiche Autonomie wie die Basken?

    • @Rolf B.:

      In Spanien herrscht die Meinung vor, dass zwischen der eigenen autonomen Region und Katalonien kein Unterschied besteht bzw. bestehen sollte, was sicher auch Produkt von 40 Jahren Franco-Diktatur und des nicht vollendeten Übergangs in eine echte Demokratie ist. Katalonien besteht auf seine eigene Sprache und Kultur und akzeptiert deren Zweitrangigkeit zu Recht nicht. Nach gescheitertem Estatut und der Unfähigkeit der spanischen Politik, einen Kompromiss zu finden, ist ein (international?) ausgehandeltes Referendum (von 80% der Bevölkerungs Kataloniens gewünscht!) und die eventuell danach friedliche Trennung die beste Lösung des Problems.

      • @Priest:

        man sieht, dass Sie keine Ahnung haben. Katalonien ist zweisprachig, spanisch und katalanisch, spanisch wird mehrheitlich gesprochen und die separatistischen Parteien haben immer max. 47% erreicht, bei den letzten Wahlen im April 2019 nur noch 38% , vielleicht sollte man das mal akzeptieren , nennt man Demokratie !!

        Im Uebrigen ist Katalonien Teil Spaniens genauso wie Bayern Teil Deutschland ist, das Bundesverfassungsgericht hat der Bayernpartei diktiert dass fuer eine Abspaltung Bayerns das gesamte deutsche Volk befragt werden muss und nicht nur die Bewohner Bayerns und das gleiche gilt fuer Spanien !!!

  • Man, also zumindest ich, kann sich hier nur über die s.g. "Mächtigen" wundern.