Weiterbau der A20 in Schleswig-Holstein: Beide Seiten kompromissbereit
Ob die A20 bei Bad Segeberg gebaut wird, ist noch immer offen. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister und der BUND wollen aber nun einen Kompromiss suchen.

Am Freitagmorgen unterzeichneten sie eine Vereinbarung, in der der BUND zusagt, auf einen Eilrechtsschutz zu verzichten. Das bedeutet laut BUND-Landesgeschäftsführer Ole Eggers, dass es keine sofortige gerichtliche Entscheidung geben kann, die den Weiterbau endgültig stoppen würde. Gleichzeitig sagten der Verkehrsminister und die Autobahngesellschaft Deges zu, bis November keine Baumaßnahmen durchzuführen – mit Ausnahme sogenannter artenschutzrechtlicher Vorabmaßnahmen.
Bis dahin wollen Umweltschützer:innen und Vertreter:innen des Verkehrsministerium sowie der Deges weitere Gespräche führen, um einen Kompromiss auszuloten. Sollten diese scheitern, werde der BUND eine Klage gegen den aktuellen Planfeststellungsbeschluss vor dem Bundesverwaltungsgericht aufrecht halten. Denn diese soll unabhängig von der jetzt getroffenen Vereinbarung eingereicht werden, teilte der BUND am Freitag mit. „Wir sehen hier weiter Verstöße gegen den Arten- und Klimaschutz“, so Eggers zur taz.
Konkret geht es dabei um ökologisch bedenkliche Eingriffe in ein Naturschutzgebiet entlang der Trave sowie um gestörte Flugrouten von Fledermäusen. In der Kalkberghöhle in Bad Segeberg überwintern bis zu 30.000 Fledermäuse von sieben Arten. Die Höhle ist damit eines der größten Überwinterungsquartiere in Europa.
Gespräche auf Augenhöhe
Welche Kompromisse hier möglich seien, wollte der BUND-Geschäftsführer nicht verraten. Er sei aber froh, dass erstmals in der langen Auseinandersetzung um die A20 an dieser Stelle überhaupt ein Kompromiss gesucht werde. „Das ist ein Paradigmenwechsel“, sagt Eggers, auch innerhalb seines Verbands.
Claus Ruhe Madsen sei zudem der erste Verkehrsminister Schleswig-Holsteins, der ein Gespräch auf Augenhöhe geführt habe. „Er hat viel getan, um Vertrauen aufzubauen“, sagt Eggers. Allerdings müssten die folgenden Gespräche beweisen, welche Substanz dahinter stecke.
Ähnlich positiv äußerte sich der Minister. „Nach meinen ersten Treffen mit den Verbandsvertretern habe ich das Gefühl gewonnen, dass es auch den Naturschützern nicht um eine ideologisch motivierte Verhinderung der Autobahn geht“, hieß es in einer Pressemitteilung. „Vielmehr sind beide Seiten bemüht, einen Kompromiss zu finden, der einerseits vor allem dem Fledermausschutz Rechnung trägt und andererseits der seit Jahrzehnten überstrapazierten Geduld der Menschen in und um Bad Segeberg.“
Er lade ausdrücklich auch den Naturschutzbund Nabu zu den Gesprächen ein, der nach Prüfung der Planungsunterlagen eine Klage ausgeschlossen hatte. „Die Planung lässt aus Naturschutzsicht nach wie vor an mehreren Stellen zu wünschen übrig“, teilte der Nabu mit. „Zugleich aber ist der nun vorliegende Beschluss immerhin weniger umweltschädlich als es die Planung für den Segeberger Abschnitt früher noch gewesen war.“
Baustopp seit 2013
Die massive Umwelt- und Klimaschädlichkeit der A20 bleibe dennoch unbestritten, so der Nabu. Der Verband könne aber keine klaren Rechtsverstöße mehr erkennen. Ein aufwendiges Klageverfahren würde sich aber nur lohnen, wenn es Aussicht auf Erfolg habe. „Wir vertrauen darauf, dass Verkehrsminister Madsen zu seinem Wort steht und auch ohne Klage mit uns über naturschutzfachlich gebotene Nachbesserungen verhandelt.“
An der „Küstenautobahn“ genannten A20, die Polen mit den Niederlanden verbinden soll, wird seit der deutschen Einheit gebaut. In Schleswig-Holstein stoppte ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2013 den Weiterbau des zehn Kilometer langen Teilabschnitts westlich von Bad Segeberg aufgrund von Planungsmängeln bezüglich des Naturschutzes. Im April war der neue Planfeststellungsbeschluss veröffentlicht worden.
Auch an anderen Stellen klagten Umweltschutzverbände gegen den Bau der A20, die in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur Hälfte auf Marsch- und Moorböden gebaut wird.
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