Autobahn-Pläne der Ampel: Der Norden wird ausgebremst

In der Planungsbeschleunigungsliste der Ampelkoalition finden sich lediglich sechs Autobahnprojekte aus dem Norden. Nicht dabei sind Neubauvorhaben.

Riesiges Protesbanner auf einer Lichtung aus der Luft fotografiert: "Keine neue Autobahn"

Steht nicht auf der heißen Liste: die A39, gegen die hier protestiert wird Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

HAMBURG taz | Die vom Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung beschlossene Liste an zu beschleunigenden Autobahnbauprojekten enthält kaum Vorhaben aus Norddeutschland. So liegen lediglich sechs von 144 Vorhaben in Niedersachsen und Bremen. Und dabei handelt es sich ausschließlich um Straßenausbauprojekte. Neubauvorhaben wie die umstrittene Küstenautobahn A20 oder die Hamburger Hafenpassage A26-Ost stehen nicht auf der Liste.

Die beschleunigte Beseitigung von Engpässen im Fernstraßennetz gehört zu dem Kompromiss, den SPD, FDP und Grüne im Bund in Marathonsitzungen ausgehandelt haben. Besonders für die Grünen war es dabei schwer zu akzeptieren, dass die Planungsbeschleunigung nicht nur für klimafreundliche Vorhaben wie den Bau von Bahnstrecken gelten soll, sondern dass auch die 144 Autobahnprojekte als „überragendes öffentliches Interesse“ gelten sollen.

Das ermöglicht es, dass die Gerichte mögliche Klagen gegen diese Vorhaben prioritär behandeln. Laut einem Gesetz für Verfahrensbeschleunigung, das der Bundestag im Februar verabschiedet hat, können Verwaltungsgerichte dafür spezielle Gremien einrichten. Kleinere Mängel sollen zudem künftig nicht mehr zu einem gerichtlichen Stopp des Projekts führen.

Kommt es zu Gerichtsverfahren, sind die Parteien nun dazu angehalten, einen „frühen Erörterungstermin“ zu vereinbaren, um sich nach Möglichkeit rasch zu einigen. Auch werden verspätet eingereichte Beweismittel vor Gericht nicht mehr zugelassen, es sei denn, die Verspätung ist gut begründet. Der Gesetzgeber will so die Verzögerung von Verfahren durch das Zurückhalten von Beweismitteln verhindern.

Der Nabu ist erschrocken

Frederik Eggers vom Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen findet es mit Blick auf die Priorisierung von Straßenprojekten „erschreckend, dass sich die FDP an dem Punkt so durchgesetzt hat.“ Eggers übt zwar keine spezielle Kritik an einzelnen Vorhaben, doch der Ausbau etwa einer Autobahn um weitere Fahrstreifen verstärke die Beunruhigung von Mensch und Tier.

Dazu verbrauche der Ausbau viel Fläche und dabei müsse dieser Eingriff in die Natur künftig nicht mehr im Voraus und vor Ort ausgeglichen werden. Stattdessen könne die Autobahn GmbH des Bundes Ausgleichszahlungen leisten, mit denen dann irgendein Naturschutzprojekt finanziert werde. Das habe die Wirkung eines Freikaufs und spiele vielen Projektierern in die Karten.

„Im Prinzip könntest du damit auch Atmosfair bezahlen“, bestätigt Ole Eggers, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Schleswig-Holstein. Ob ein solcher Ausgleich tatsächlich umgesetzt werde, sei schwer zu kontrollieren.

Den Kompromiss der Koalition findet Eggers desaströs. „Für mich ist das Gesamtergebnis ein sozialökologischer Horror“, sagt er. Zwar steht kein schleswig-holsteinisches Projekt auf der Liste, dafür ist in einer Präambel die Küstenautobahn A20 erwähnt, die von Bad Segeberg über Glückstadt Richtung Bremen führen soll.

Nur sechs von insgesamt 144 Autobahnprojekten, die der Koalitionsausschuss der Berliner Ampel-Regierung zur Engpassbeseitigung als prioritär erklärt hat, liegen in Norddeutschland.

Die A27 soll vom Autobahnkreuz Bremen bis zur Anschlussstelle Bremen-Überseestadt von vier auf sechs Fahrstreifen erweitert werden.

Die A30 zwischen dem Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück und dem Autobahnkreuz Osnabrück-Süd soll ebenfalls auf sechs Fahrstreifen ausgebaut werden.

Die A2 soll von der Auffahrt Hannover-Herrenhausen bis zum Autobahndreieck Hannover-West auf 2,6 Kilometern achtstreifig ausgebaut werden.

Das Autobahndreieck Hannover-West, das die A2 mit der A352 verbindet, soll zum Teil aus-, zum Teil neu gebaut werden. Täglich passieren es 46.000 Fahrzeuge.

Das Autobahnkreuz Hannover-Buchholz aus A2 und A37 soll aus- bzw. neu gebaut werden. Heute sind dort 40.000 Fahrzeuge täglich unterwegs.

Die A7 soll von der Anschlussstelle Hildesheim bis zum Autobahndreieck Salzgitter auf sechs Fahrstreifen verbreitert werden.

Diese werde zwar nicht „superschnell umgesetzt“, wie die 144 prioritären Projekte auf der Liste, sie profitiere aber wie „die A100 in Berlin von schnelleren Raumverträglichkeitsprüfungen sowie von Vereinfachungen bei Verwaltungsgerichtsverfahren“.

Die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein tröstet das nicht. Noch vor vier Wochen habe Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) betont, die A20 solle im Eiltempo umgesetzt werden. Dass die A20, anders als ursprünglich geplant, „nicht in die Kategorie Engpassbeseitigung fällt, grenzt an Realitätsverweigerung und ist für uns nicht nachvollziehbar“, kritisierte IHK-Präsident Hagen Goldbeck.

„Das Deutschland-Tempo kommt in Schleswig-Holstein nicht an“, kritisierte der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul. „Die Ampel bremst erneut das wichtigste Infrastrukturprojekt in Schleswig-Holstein aus.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kenne als Schleswig-Holsteiner die Bedeutung des Projekts genau. Leider habe er dem Druck aus seiner Partei nicht standgehalten.

Erleichtert zeigte sich Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg, dass die A26-Ost quer durch den Hamburger Hafen nicht als vordringliches Projekt zur Engpassbeseitigung eingestuft wurde. Die Fortsetzung der von Stade her im Bau befindlichen Autobahn, die die A7 mit der A1 verbinden würde, haben SPD und Grüne in ihrem Hamburger Koalitionsvertrag vereinbart. Ihre Befürworter argumentieren, dass sie die Zufahrt zum Hafen verbessern und die benachbarten Stadtteile entlasten würde.

Hafenautobahn in Frage gestellt

Allerdings hat sie der grüne Hamburger Fraktionschef Dominik Lorenzen in jüngster Zeit aus Klimaschutzgründen infrage gestellt. Und erst vergangene Woche rückte die SPD-Bundestagsabgeordnete Britta Hagedorn, Vizevorsitzende im Haushaltsausschuss, von dem Vorhaben ab. Es wäre zu teuer, sowohl einen Ersatz für die Köhlbrandbrücke zu bauen, auf der heute der Hafen durchquert werden kann, als auch die A26-Ost als Hafenpassage.

Allerdings beeilten sich der Unternehmensverband Hafen Hamburg, der Verein Hamburger Spediteure, die Handelskammer und nicht zuletzt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu versichern, wie wichtig diese Autobahn sei. Oppositionschef Dennis Thering (CDU) nutzte am Mittwoch in der Bürgerschaft die offene Flanke: „Scheitert die A26 oder die Köhlbrandquerung, dann scheitert auch Bürgermeister Tschentscher“, behauptete er.

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