Verkehrsclub-Vorstand über die A20: „Die Behörden lassen nicht locker“

Mit Sternfahrten protestieren Au­to­bahn­geg­ne­r:in­nen am Wochenende gegen einen Weiterbau der Autobahn A20. Jens Deye fordert einen Planungsstopp.

Aktivistinnen und Aktivisten stehen mit einem Plakat mit der Aufschrift „Keine Autobahn durchs Moor“ auf dem Weserdeich.

Breiter Protest: Ak­ti­vis­t*in­nen auf dem Weserdeich am 12. Oktober 2022 Foto: Sina Schuldt / dpa

taz: Herr Deye, Ende März erschien eine Liste mit Autobahnen, die beschleunigt gebaut werden sollen. Die A20 war auf dieser Liste nicht zu finden. Haben Sie die Korken knallen lassen?

Jens Deye: Nein, bei uns sind keine Sektkorken geknallt. Jede andere Entscheidung wäre katastrophal gewesen. Natürlich ist es eine Art Signal, dass der Klimaschutz in Deutschland nicht völlig vom Autoverkehr überfahren wird. Nur weil die A20 auf der Liste nicht auftaucht, bedeutet das noch nicht, dass deswegen die Planungen eingestellt werden. Allerdings ist genau das für uns eine klare Forderung: Der Planungsstopp der A20 der muss kommen!

Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) sagt als Fan der A20, er wolle einen Bagger kaufen und sie einfach selbst weiterbauen. Was antworten Sie ihm?

Dass er gerne in einen Spielzeugladen gehen kann und sich einen Bagger kaufen soll. Es macht keinen Sinn, mit einem polemischen Statement Stimmung und Wahlkampf zu machen. Wir müssen die Ressourcen dahin lenken, wo sie sinnvoll sind. Da gibt es in Schleswig-Holstein viel zu tun – seine Behörde wäre stark ausgelastet.

Verstehen Sie, dass die Bad Se­ge­ber­ge­r*in­nen den Ausbau wollen?

42, ist Vorstand im Verkehrsclub Deutschland (VCD) Nord.

Dass man die A20 mitten in Bad Segeberg enden lassen hat, ist planerisch ein No-Go. Das ist eine absolute Katastrophe für diese Stadt. Dagegen wäre es zum Beispiel gut, die A20 nach Segeberg rein wieder zurückzubauen, also eine Bundesstraße daraus zu machen. Und dann muss man gucken, welche Lösungen es gibt, um den bereits entstandenen Verkehr zu reduzieren.

Zum Beispiel?

Zum einen muss man den Schienenverkehr in der Region ausbauen. Sicherlich könnte man auch überlegen, dort eine Troglösung zu schaffen: dass die Bundesstraße idealerweise nur noch unterhalb des Stadtzentrums durchführt und somit die massive Lärmbelästigung und Gefahren reduziert und abstellt, die durch diese Autobahn mitten durch die Stadt entstanden sind.

Fahrradsternfahrten gegen den Ausbau der A20 im Rahmen des bundesweiten Aktionswochenendes für die Mobilitätswende: Sa, 22. 4., und So, 23. 4., Kundgebungen in Glückstadt, Gräpel und Gut Hahn; Infos und Treffpunkte: https://t1p.de/kz6ly

Plänen zufolge soll die A20 aktuell auch die Elbe überqueren. Was wäre Ihr Gegenvorschlag zur Autobahnbrücke?

Der Betreiber der Fähre Glückstadt hat ein Konzept vorgelegt, mit dem man gegen den dort ständig starken Stau angehen könnte. Er spricht von einer Kapazitätserweiterung um das Sechsfache. Das ist eine Maßnahme, die sehr zügig umgesetzt werden kann. Wenn der Fährenbetreiber da die Planungssicherheit und Baugenehmigung kriegt, dann ist so was innerhalb von zwei Jahren umsetzbar. Das hätte den großen Vorteil, dass wir nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen, bis diese A20 gebaut wäre, sondern das Stauproblem zügig lösen könnten.

Welche Bedeutung hätte der Weiterbau der Küstenautobahn für das Klima?

Kurzfristig untersagt hat die Stadt Lüneburg die Benutzung der Autobahn 39 für die am Sonntag um 13 Uhr geplante Demonstration „A39 stoppen, bestehende Abschnitte rückbauen und umwidmen: Platz für Leben statt für Autos“.

Das „Klima Kollektiv A39“ hat Widerspruch beim Verwaltungsgericht Lüneburg eingelegt. Dem gab das Gericht nicht statt.

Sollte das Verbot bestehen bleiben, findet die Demo auf einer genehmigten Alternativroute über die Ostumgehung statt. Auftakt ist um 13 Uhr an der Bockelmannstraße, Tierheim, Lüneburg.

Zum einen gibt es die graue Energie, die in den Beton, den Bau des Tunnels und der Fahrstrecke fließen würde. Dazu kommt die Versiegelung der Moore, die als CO2-Speicher dienen. Spätestens wenn man für die Baumaßnahmen den Grundwasserspiegel absenken muss, dann sterben diese Moore, und das verursacht dann auch eine starke Emission an CO2, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Wie nehmen Sie die Stimmung der Menschen vor Ort in Hinblick auf die A20 wahr?

Ein Großteil der Bevölkerung ist gegen die A20. Gleichzeitig glauben auch ganz viele Menschen, dass die Autobahn nie kommen wird, weil die Planungen und Konzepte schon seit den Neunzigerjahren laufen. Aber die Behörden arbeiten stetig am Weiterbau und lassen nicht locker. Dementsprechend ist es wichtig, dagegenzuhalten und zu sagen, dass der Weiterbau sowohl im Sinne der Klimaziele als auch im Sinne einer attraktiven Mobilität in Schleswig-Holstein nicht akzeptabel ist. Wir können nicht alles auf das Auto konzentrieren – wir sollten die Bürger entscheiden lassen, welches Verkehrsmittel sie nutzen möchten.

Das können Sie nicht?

Aktuell bleibt übrig, das Auto zu wählen, weil nur dafür die Infrastruktur ausgebaut ist. Aber dem müssen wir uns entgegenstellen: Wir müssen Möglichkeiten schaffen, mit denen es auch attraktiv wird, den ÖPNV oder das Rad zu nutzen.

Und darauf wollen Sie bei Ihrem Aktionstag am Wochenende aufmerksam machen?

Genau, wir haben eine Sternfahrt geplant. Von verschiedenen Punkten aus werden wir uns zu Fahrraddemos nach Glückstadt aufmachen und unsere Forderung, dass der Weiterbau der A20 gestoppt wird, stark machen!

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