Wegen Schäden in Südamerika: Beschwerde gegen Bayer bei der OECD
Sechs Menschenrechtsorganisationen werfen dem Konzern vor, mit dem Einsatz von Glyphosat in Lateinamerika Mensch und Umwelt zu schädigen.
Berlin taz | Bayer verstößt gegen die Leitsätze für multinationale Unternehmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Das wirft ein Bündnis aus sechs zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Argentinien, Brasilien, Paraguay, Bolivien und Deutschland dem deutschen Agrarkonzern vor.
Der DAX-Konzern sei seiner Verantwortung bei der Anwendung des Unkrautvernichters Glyphosat und bei der Nutzung von Gensoja nicht nachgekommen. Darum haben die Menschenrechtsvereinigungen eine Beschwerde bei der Industrie- und Schwellenländerorganisation OECD eingereicht. Dies teilten sie am Donnerstag in Berlin mit.
Bayer fördere ein Agrarmodell in Südamerika, das zu Nahrungsunsicherheit, Wasserknappheit, extremer Abholzung, Biodiversitätsverlust, gravierenden Gesundheitsauswirkungen sowie zu Landkonflikten mit indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften führt. „Das Unternehmen hat es versäumt, auf die schwerwiegenden Menschenrechts- und Umweltrisiken zu reagieren, die mit seinem Geschäftsmodell in der Region verbunden sind“, sagte Sarah Schneider vom katholischen Hilfswerk Misereor.
Die OECD-Beschwerde dokumentiert vier konkrete Fälle in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Paraguay. So wird detailliert über eine Frau namens Sabrina Ortiz und andere Personen und ihre Familien berichtet, die im argentinischen Pergamino lebten. Die Anwohner:innen berichteten von Haut- und Augenreizungen, Schädigungen der Haut oder der Atemwege und Allergien nach dem Pestizid-Sprühen auf den riesigen angrenzenden Sojafeldern.
Kompensation gefordert
Ortiz litt sogar an einer schweren Vergiftung und hatte eine Fehlgeburt. Auch von schweren Umweltschäden wie Wasserverschmutzung ist im Bericht die Rede. Abel Areco von der paraguyanischen Organisation Base-Is wies darauf hin, dass Menschen an Vergiftungen und schweren Krankheiten litten und Wasserquellen verschmutzt seien.
Auf taz-Anfrage weist Bayer die Vorwürfe zurück: „Die von Ihnen genannten Vorfälle aus Paraguay, Argentinien und Brasilien sind uns nicht bekannt.“ Die beschriebenen Fälle würden auch nicht zum Produkt- und Sicherheitsprofil von Glyphosat passen, welches „eines der am besten untersuchten Pflanzenschutzmittel weltweit“ sei. Ein argentinisches Gericht gab Ortiz jedoch Recht und legte Mindestabstände für die Anwendung von Pestiziden fest.
Mit den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen verpflichten sich Staaten dazu, Unternehmen zu überprüfen, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Menschenrechte nicht erfüllen. Entsprechende Beschwerden können Personen oder Organisationen bei nationalen Kontaktstellen einreichen. Die Nichtregierungsorganisationen reichten ihre Beschwerde am Donnerstag bei der deutschen Stelle ein. „Wir verlangen, dass Bayer sich mit den Gemeinschaften in Verbindung setzt und mit ihnen über eine Kompensation entscheidet“, schreibt das Bündnis.
„Grundsätzlich ist es das Ziel, Verfahren binnen eines Jahres nach Beschwerdeeingang abzuschließen. Die sogenannte Erste Evaluierung, mit der über die Annahme einer Beschwerde entschieden wird, soll binnen drei Monaten nach Beschwerdeeingang vorliegen“, so das Bundeswirtschaftsministerium. Sanktionsmöglichkeiten hat die OECD allerdings keine.
Leser*innenkommentare
Budzylein
Betreibt Bayer denn selbst Landwirtschaft in Südamerika? Sind es nicht die dortigen Agrarbetriebe, die das Glyphosat einsetzen, das sie von Bayer gekauft haben? Und liegt die Verantwortung dafür, nach welchem "Agrarmodell" in südamerikanischen Ländern Landwirtschaft betrieben wird, nicht bei diesen Staaten?
Janix
Dass Deutschland die energieintensiven Exportunternehmen so bezuschusste (Auto, Chemie, ...) erweist sich immer mehr als Fehler,
das kann auch kein hilfloser M. Berninger zu bemänteln suchen.
Bei Bayer ist die Absetzbewegung zu erkennen.
Earl Offa
Von wegen „Si es Bayer, es bueno“ (alter Slogan der Firma, z.B. in Mexiko)! Glyphosat gehört verboten - was allerdings auch in Europa weiterhin nicht der Fall sein wird, nach meinem Kenntnisstand hammse hier für des Zeug erst kürzlich weitere zehn Jahre Aufschub bekommen, Bewährungszeit?! Und damit nochmal nach Mexiko: Dort immerhin wurde Glyphosat vor gut einem Jahr verboten. Respekt!
Magic Theo
@Earl Offa Naja, nicht ganz ... 2023 hatte die mexikanische Regierung angekündigt, Glyphosat mit Wirkung zum 01.04.2024 verbieten zu lassen. Im März 2024 hat sie es sich jedoch anders überlegt, sich umentschieden und das geplante Verbot nicht umgesetzt. Gibt man 'glyphosate ban Mexico' in eine Suchmaschine ein, lässt sich das im Detail nachlesen.
1Pythagoras
@Earl Offa Auch Mexiko hat kein Verbot gegen Glyphosat erlassen.
Semon
Wie konnte das Management bei Bayer nur so dämlich sein für 66 Milliarden USD Monsanto zu kaufen?