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Wege aus der Konfrontation

Israel und Palästina wollen Außenminister Joschka Fischer als Vermittler. Doch in die Fußstapfen der USA kann er nicht treten. Raushalten will er sich nicht

von YASSIN MUSHARBASH

Ausgerechnet Berlin. Möglicherweise schon in der kommenden Woche werden sich der palästinensische Präsident Jassir Arafat und der israelische Außenminister Schimon Peres zu Friedensgesprächen in der deutschen Hauptstadt treffen. Auf Vorschlag des Ersteren, mit Zustimmung des Zweiten – und unter Vermittlung eines Dritten, des deutschen Außenministers Joschka Fischer. Kein Zweifel, Fischers Nahostreise hat Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gebracht. Die Früchte einer eigenständigen deutschen Nahostpolitik?

Auf keinen Fall, betont der deutsche Außenminister. Er handle im europäischen Rahmen und mit Einverständnis der USA. Eine Vermittlerrolle, sagt Fischer, „würde Deutschland überfordern“. Die Bundesrepublik könne zum Beispiel die für eine echte Vermittlerrolle notwendigen Sicherheitsgarantien gar nicht bieten. Auch die finanzielle Unterstützung für die Konfliktparteien, die harte Kompromisse im Nahen Osten traditionell versüßen hilft, übersteigt die deutschen Möglichkeiten. Die USA und die Europäische Union werden also auch weiterhin die einzigen Vermittler sein können, und genau das weiß und sagt Fischer auch.

Vertrauen von beiden Seiten

Doch die USA unter George W. Bush lassen den Nahen Osten eher uninteressiert links liegen. Auch die EU ist noch weit entfernt von einer gemeinsamen Nahoststrategie. Und so gewinnt der deutsche Außenminister, immerhin zum zweiten Mal in einem Vierteljahr im Nahen Osten, nolens volens an Gewicht. Zumal es gute Gründe für beide Konfliktparteien gibt, ihm zu vertrauen: Die Israelis können sich wegen der deutschen Vergangenheit und der dadurch begründeten „besonderen Beziehungen“ beider Länder zueinander auf deutsche Solidarität verlassen. Die von den Israelis gefürchtete europäische „Araberfreundlichkeit“ sehen sie bei der deutschen Regierung nicht.

Die Palästinenser hingegen wissen, dass Deutschland der größte Geldgeber für ihren im Entstehen begriffenen Staat ist und als erstes Land ein Vertretungsbüro in den Autonomiegebieten eröffnete. Gemessen an der Einwohnerzahl erhält kein Land von Deutschland mehr finanzielle und technische Unterstützung als die palästinensischen Autonomiegebiete, immerhin rund 100 Millionen Mark pro Jahr.

Arafat habe noch nie einen Politiker so sehr gelobt wie Fischer, sagte der palästinensische Vertreter in Deutschland, Abdallah Frangi, gestern gegenüber Spiegel-online. Und fügte hinzu: „Es gibt kaum einen, der in der Lage ist, so mit Scharon zu sprechen.“

Dieses begründete Zutrauen beider Seiten erklärt, warum Joschka Fischer nun schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten versucht, Scharon und Arafat für einen Moment aus der Konfrontationsfalle zu befreien. Er ist zur Zeit der Einzige, der es kann.

Andere potenzielle Kräfte fallen aus: Frankreich gilt als zu israelkritisch, Russland hat sich, scheint’s, ganz aus der Nahostpolitik verabschiedet. Im Juni hatte Fischer geholfen, eine kurzzeitige Waffenruhe zu implementieren. Jetzt soll er Gastgeber der ersten hochrangigen Friedenssondierung seit Monaten sein. Berlin also, ausgerechnet Berlin.

Joschka Fischer fühlt sich durch das Vertrauen der beiden Seiten zwar aus gutem Grund geschmeichelt. Zugleich hat er aber Angst, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Scheitert das Gespräch zwischen Arafat und Peres, hat es sich mit deutschen Impulsen für einen Frieden im Nahen Osten erst einmal erledigt. Wohl deshalb reagierte Fischer zögernd auf Arafats Vorschlag, sich in Berlin zu treffen. Wichtiger als der Ort sei die Vorbereitung des Treffens, erklärte er.

Damit hat er Recht. In Berlin über das Schicksal Israels und der Palästinenser zu sprechen, damit wären automatisch hohe Erwartungen verbunden. Und Grund zur Skepsis, dass die Berlin-Connection zu einem echten Durchbruch führt, gibt es genug. Außenminister Schimon Peres hat von seinem Premierminister Scharon nur ein Mandat über Verhandlungen zur Beendigung der Gewalt, nicht aber über ein Friedensabkommen erhalten. Zudem gab es allein in den vergangenen zwölf Monaten drei gescheiterte israelisch-palästinensische Gesprächsrunden.

Beginn eines Prozesses

Wie aber ist es zu erklären, dass Fischer trotz seines Bekenntnisses, kein Vermittler sein zu wollen, gleich zwei Mal in so kurzer Zeit nach Nahost gereist ist? Traute Fischer der deutschen Außenpolitik im Nahen Osten wirklich nichts zu, würde er wohl in Berlin bleiben. In die Fußstapfen der USA kann er nicht treten. Sich raushalten will er nicht. Fischers Vorstellungen, das darf vermutet werden, liegen in der Mitte: Deutschland könnte auf Grund des Vertrauens, das es im Nahen Osten genießt, eine Vorbereiterrolle einnehmen.

Dem Gespräch in Berlin, so es zu Stande kommt, sollte nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden. Aber am Ende eines dort in Gang gesetzten Prozesses könnte eine internationale Nahostkonferenz nach dem Vorbild Madrid 1991 stehen. Dort müssten dann die USA und die EU als Vermittler tätig werden. Deutschlands Engagement könnte dem Norwegens bei der Vorbereitung des Oslo-Abkommens ähneln. Keine Vermittlerrolle, sondern die eines „Facilitators“, der unaufgeregt und ohne zu viele eigene Interessen belastet als Moderator auftritt.

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