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Wasserstoff in der IndustrieMilliarden für den grünen Stahl

Wie kann die Industrie schneller auf grünen Wasserstoff umsteigen? Experten analysieren die Optionen für das Wirtschaftsministerium.

Damit hier klimaneutral produziert werden kann, muss der Staat zahlen: Stahlkocher bei Thyssenkrupp Foto: Friedemann Vogel/epa

Berlin taz | Das Gros der Industrie in Deutschland setzt heute immer noch auf fossile Energie. Erdgas liefert so Prozesswärme in der Chemieproduktion, Kohle befeuert die Stahlherstellung. Doch in nur 22 Jahren – 2045 – soll die Wirtschaft komplett mit Ökoenergie arbeiten, vor allem grünem Wasserstoff. Wie kann das funktionieren? Um die Unternehmen zu unterstützen, entwickelt das Bundeswirtschaftsministerium derzeit neue Politikansätze.

Zwei dieser Instrumente – Klimaschutzverträge und grüne Leitmärkte – haben Fachleute nun analysiert und bewertet. Klaus Schmidt, Ökonom der Uni München, und Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim, präsentierten das Gutachten am Mittwoch in Berlin. Beide gehören dem unabhängigen Beirat des Wirtschaftsministeriums an.

Ihre Empfehlung: Lieber etwas mehr Wettbewerb in Gestalt grüner Leitmärkte riskieren, wobei zusätzliche staatliche Subventionen für Unternehmen im Rahmen von Klimaschutzverträgen sich wohl nicht ganz vermeiden lassen.

Wie funktionieren die beiden Mechanismen? Klimaschutzverträge würde die Regierung beispielsweise mit Stahlherstellern wie Salzgitter oder Thyssenkrupp abschließen. Für den Ersatz des Brennstoffs Kokskohle durch „grünen“, mit Wind- und Sonnenstrom hergestellten Wasserstoff sollen die Unternehmen staatliche Zuschüsse zu ihren Betriebskosten erhalten – denn die klimaneutrale Stahlproduktion ist teurer als die konventionelle.

Subventionen für Wind- und Sonnenkraftwerke

Die Förderung führt dazu, dass „grüner“ Stahl großtechnisch hergestellt wird und die Zusatzkosten im Laufe der Zeit sinken. Dieses Verfahren funktioniert ähnlich wie die jahrzehntelange Bezuschussung von Wind- und Sonnenkraftwerken im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Wenn die staatlich unterstützte Stahlproduktion in einigen Jahren konkurrenzfähig geworden ist, müssten die Konzerne dann aber einen Teil der Förderung zurückzahlen. Dieser Mechanismus könnte auch für die Zement- und Chemieindustrie funktionieren.

Der Beirat sieht jedoch Nachteile. „Die Unternehmen kennen ihre Kosten besser als der Staat“, sagte Ökonom Schmidt. Das heißt, sie stellten dem Staat zu hohe Rechnungen, Steuergeld würde vergeudet. Aber: Zum Teil könnte man das mit Ausschreibungen vermeiden, bei denen der teuerste Anbieter keinen Vertrag bekäme. Trotzdem äußerte Schmidt sich „skeptisch“. Gleichwohl vermutete er, „dass man an Klimaschutzverträgen nicht vorbeikommt“ – dann aber bitte nur im Rahmen weniger, zeitlich begrenzter Pilotprojekte.

Besser findet das Beratungsgremium die Idee der grünen Leitmärkte. Dabei legt der Staat beispielsweise fest, dass die Wirtschaft 20 Prozent grünen Stahls einsetzen muss. So entsteht eine Nachfrage etwa in der Autoindustrie, auf die die Stahlerzeuger mit einem Angebot reagieren können. Damit das klappt, müssen die Unternehmen 20 Prozent der Stahlmenge mit Zertifikaten für grünen Stahl hinterlegen.

Diese werden an einer speziellen Börse ähnlich der Strombörse gehandelt, wodurch sich ein Marktpreis für grünen Stahl ergibt. Er bildet die Kosten besser ab als eine Berechnung im Rahmen der Klimaschutzverträge. Die Regierung könnte so Milliarden an Subventionen sparen, meint der Beirat. Und empfiehlt, dem Instrument der grünen Leitmärkte den „Vorrang gegenüber den Klimaschutzverträgen“ zu geben.

Ein „Mix“ von Maßnahmen

Dadurch würden die „richtigen Preissignale“ an Hersteller und Verbraucher gesendet, erklärte Ökonom Wambach, „grüne Leitmärkte sollten zentral sein“.

Praktisch könnte es darauf hinauslaufen, dass beide Mechanismen installiert werden. Im Wirtschaftsressort wird der gesamte Ansatz als „transformative Angebotspolitik“ bezeichnet. Man strebe einen „Mix“ von Maßnahmen an, sagte eine Sprecherin von Minister Robert Habeck (Grüne). Die Richtlinie zu den Klimaschutzverträgen sei bereits mit den Unternehmen und Verbänden diskutiert worden – und soll bereits im Sommer in Kraft treten.

Aber auch die grünen Leitmärkte müsse man „vorantreiben“, so die Sprecherin. Es hat aber wenig Sinn, wenn Deutschland hier alleine aktiv wird. Besser wäre eine gemeinsame Regulierung des europäischen oder sogar gleich des transatlantischen Marktes für Stahl und weitere Produkte. Das dürfte auch ein Thema bei Habecks aktueller Reise in die USA gewesen sein. Die Europäische Union fürchtet eine Benachteiligung der hiesigen Industrie.

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1 Kommentar

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  • Da wird wohl mal wieder das Fell des Bären verteilt, bevor man ihn erlegt hat...