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Wasserstoff aus AfrikaWarnung vor neuem Kolonialismus

Wasserstoffexporte können der Entwicklung in Afrika auch schaden, heißt es in einer Studie. Doch klare Vorgaben für Investoren können das verhindern.

Mit Strom aus Solarkraftwerken wie diesem in Marocco könnte der Wasserstoff produziert werden Foto: Ute Grabowski/photothek

Berlin taz | Die Pläne Deutschlands und Europas, künftig große Mengen an Wasserstoff aus den Ländern des Südens zu importieren, können für diese eine große Chance sein – aber nur, wenn dafür verbindliche Kriterien festgelegt werden, die die lokale Entwicklung berücksichtigen. Andernfalls könnte der Strom- und Wasserbedarf der Wasserstoffproduktion sich auch als hinderlich erweisen und zu neuem „wirtschaftlichen Kolonialismus“ führen. Davor warnt eine im Auftrag der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellte Studie des Forschungsunternehmens Arepo, die der taz vorliegt.

Der künftige Bedarf an Wasserstoffimporten, da sind sich die meisten Szenarien einig, wird gewaltig sein. Als Grundstoff und Energiequelle für bestimmte Industrieprozesse wird Wasserstoff ebenso benötigt werden wie für Flugzeuge und Schiffe und zur Stromerzeugung bei Wind- und Sonnenmangel. Im Jahr 2030 werden allein in Deutschland mindestens 80 Terawattstunden Wasserstoff benötigt, bis 2045 wird mit über 400 Terawattstunden gerechnet. Selbst bei einem extrem starken Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland könnte diese Menge aber nur zu einem kleinen Teil im Inland produziert werden. Die meisten Szenarien gehen davon aus, dass 70 bis 80 Prozent importiert werden müssen.

Eine wichtige Rolle sollen dabei afrikanische Staaten spielen. Deren Kapazitäten zur Wasserstoffproduktion seien 1.500-mal so hoch wie der Bedarf Deutschlands, hatte die frühere CDU-Forschungsministerin Anja Karlicek im vergangenen Jahr betont. Doch es gibt nicht nur Zweifel, ob solche großen Mengen tatsächlich produziert und transportiert werden können. Fraglich ist auch, inwieweit die potenziellen Exportländer davon tatsächlich profitieren.

Auch die neue Studie stellt zwar das große Potenzial dar, das die Wasserstoffproduktion für die Länder des Südens theoretisch bieten kann. Dieser biete „eine bedeutende Entwicklungschance für die Länder des Globalen Südens und insbesondere für Afrika, indem sie den lokalen Bedarf decken, Arbeitsplätze schaffen und kontinuierliche Einnahmen aus der Teilnahme an den Energiemärkten als Exporteure erzielen“, schreiben die Autor*innen. Doch das gilt nur, wenn die richtigen Bedingungen erfüllt werden. Anderenfalls könne der Wasserstoffexport „bestehende oder neue Praktiken des ‚wirtschaftlichen Kolonialismus‘ fortsetzen“ und „auf Kosten der nationalen Bemühungen zur Erreichung nationaler Entwicklungsziele“ gehen.

Um das zu verhindern, setzt die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auf das „Zusätzlichkeitsprinzip“: Dieses besagt, dass der Strom zur Wasserstoffherstellung nicht aus bestehenden, sondern aus neu gebauten Ökostromkraftwerken stammen soll. Das langt den Stu­di­en­au­to­r*in­nen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung aber nicht. Denn auch wenn für die Wasserstofferzeugung zusätzliche Ökostromkapazitäten geschaffen werden, dürften diese die besten verfügbaren Standorte belegen – und diese stehen dann für die klimafreundliche Deckung des lokalen Energiebedarfs nicht mehr zur Verfügung. Ein ähnlicher Konflikt droht auch beim Trinkwasser, das für die Wasserstoffproduktion ebenfalls benötigt wird.

Zusätzliche Kapazitäten für den lokalen Bedarf

Gegen eine solche Entwicklung empfiehlt das Gutachten ein Konzept, das „Zusätzlichkeit 2.0“ genannt wird. Investoren würden dabei verpflichtet, nicht nur ausreichend Strom und Wasser für die Wasserstofferzeugung zu produzieren, sondern zusätzliche Mengen zur produzieren, die lokal genutzt werden. Nur wenn dies sichergestellt werde, sei der Wasserstoffimport sowohl ökologisch als auch fair.

Ähnliche Kriterien hatte in der Vergangenheit auch das Öko-Institut angeregt. Inwieweit die Bundesregierung diese aufgreift, ist offen. Die Nationale Wasserstoffstrategie soll noch in diesem Jahr überarbeitet werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu lediglich: „Beim Import von Wasserstoff werden wir die klimapolitischen Auswirkungen beachten und faire Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft sicherstellen.“

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9 Kommentare

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  • Die Produktion von Solarstrom in Südeuropa und Afrika könnte den notwendigen Innovationsschub liefern, um dem Klima und der Unabhängigkeit von Gas und Öl (nicht nur aus Russland) näherzukommen. Zugleich würde in diesen Ländern die Möglichkeit für soziale Stabilität durch dauerhafte Jobs usw. geschaffen werden, damit der Migrationsdruck durch Armut nachlässt. Nebenbei: Statt 45 Milliarden für Twitter auszugeben, hätte Elon Musk sein Geld besser in Solartechnologie investiert.

  • Gestern noch wurde kritisiert, dass zu wenig, zu langsam und nicht drastisch genug agiert wird.



    Heute sammeln wir Bedenken, was denn eventuell oder möglicherweise, trotz klarer Aussagen schief gehen könnte.

  • Abhängig von Afrika statt von Putin?



    Nein, danke!

    • @Rudi Hamm:

      Sind wir schon lange. Deshalb ist der Kontinent so wie er ist.

    • @Rudi Hamm:

      Ergänzung: Beides nicht!

  • Das Problem an "verbindlichen Leidlinien" ist halt, dass wir in Afrika mit chinesischen Investoren um Flächen konkurrieren und bereits im Rückstand sind. China setzt insoweit die Standards fest.

    Zusätzliche Kapazitäten sind da eher nachrangig. Wichtiger ist, wie viel Kapital mitgebracht werden wird.

    Die EU muss sich im Übrigen fragen, wie sie ihre Investitionen sichern möchte. Auch insoweit ist China mindestens drei Schritte weiter.

  • Wasserstoff aus Solarenergie ist eine sehr gute Idee.



    Fragwürdig ist dabei allerdings die völlig einseitige Ausrichtung auf dessen Produktion in Ländern in Afrika/ Nordafrika.



    Weshalb zieht man hierfür nicht die viel näher gelegenen, ebenfalls sehr sonnenreichen Gebiete im Süden Europas , z.B. Zentralspanien, etc. in Betracht.



    Die evtl. geringfügig niedrigeren Wirkungsgrade werden sicher kompensiert durch deutlich geringere Transportwege !!!



    Ein weiteres, sehr wesentliches Argument für europäische zumal EU- Standorte ist auch die nahezu 100 %ige politische Sicherheit/Zuverlässigkeit, wenn man bedenkt, daß China seit langem extreme Anstrengungen macht, um seinen Einflußbereich gerade in Afrika auszudehnen.



    Also, gerade angesichts der aktuellen Probleme mit Rußland, bitte Hirn einschalten und vom Ende her denken !!!

    • @Thüringer:

      Naja der Süden Europas erwirtswchaftet ja schon unser Gemüse und Obst, da sind keine Flächen für Wasserstoff mehr da. Also müssen neue "Felder" akquiriert werden. Sprich der noch südlichere Part, Afrika, Naher Osten, wird uns somit "zur Verfügung stehen" um für uns Wasserstoff zu produzieren. Läuft doch super für uns. Und so lange wir es schaffen, diese Länder klein zu halten, hier und da paar Kriege zu führen, ohh nein heißt ja im NATO-Jargon milit. Operation zur Wiederherstellung der Menschenrechte, wird das doch super passen, dass die für uns sehr günstig den Wasserstoff herstellen. Selbst brauchen sie den doch nicht. Ist doch ähnlich wie mit dem Obst/Gemüse was afrik. Bauern für uns schon herstellen. Dafür bekommen sie dann wenigstens auch paar Chlorhühner, wir geben ja manchmal auch was ab.

      *KannSpurenvonSarkasmusenthalten*

    • @Thüringer:

      Es wäre dringend geboten dem Bürger mal zu gestehen, daß man für die Wasserstoffwirtschaft noch absolut keinen Plan hat. Verrechnen wir uns da wie Altmaier bei dem küntigen Bedarf an elektrischer Energie? Unsere neue Ministerpräsidentin im Saarland propagiert das Wasserstoffauto als Lösung der Zukunft, kann aber nicht erklären, wie ein derart ineffizientes System eine Verbesserung gegenüber Benzin sein soll. Dann will man Stahlwerke von Koks auf Wasserstoff konvertieren, weiß aber noch nicht, woher der begehrte Stoff kommen soll.



      Es gibt viel zu tun - wer hat das Konzept?