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Warten auf die Impfung„Toi, toi, toi!“

Es ist kein Spaß, als hochbetagter Mensch auf einen Impftermin warten zu müssen. Ein fiktives Gespräch an der Supermarktkasse.

Für viele noch keineswegs datiert: Corona-Impfung Foto: dpa / Felix Kästle

Mensch, Frau Eberhard, Sie werden doch bestimmt die Tage geimpft“, sagt der Supermarktkassierer zur Frau im pinken Mantel mit Rollator. – „Nee, dass das dazu noch kommt, bevor ich dem Herrgott Moin an der Pforte sach, daran glaub ich nicht mehr.“

„Haben Sie denn keine Behördenpost bekommen?“ – „Doch, längst schon! Seitdem ruf ich da jeden Tag an, morgens, mittags, abends, ich hab mir sogar einmal nachts um 3 Uhr den Wecker gestellt, weil ich dachte, Inge, jetzt biste mal ganz ausgefuchst, vielleicht sitzt da doch jemand für die ganz Ausgeschlafenen. Aber wieder nix. Eine Enttäuschung folgt auf die nächste! Jetzt bin ich schon so lange pensioniert, ich hätt’ nicht damit gerechnet, noch mal in einen Wettbewerb zu geraten, wo der schönste Ehrgeiz im Frust versickert, da spür’ ich nochmal bis ins Mark, was existentielle Konkurrenz ist, dachte, damit muss ich mich nie mehr rumplagen, als ich aus der Firma ausgeschieden bin.“

„Ach Mensch, Frau Eberhard, das tut mir so leid, das ist ja schon fast Körperverletzung, mit Mitte 90 hat man bestimmt Besseres zu tun.“ – „Genau, nix als genießen hat man gefälligst zu tun, jeden Tag leben, als wär es der letzte, hat man zu tun – die jungen Leute reden immer nur davon – lebe im Augenblick! Und wissen doch gar nicht, wie es is’, wenn es wirklich um die Wurst geht mit der Zeit! Das hab ich denen da an der Telefonschranke auch mal deutlich gesagt, dass ich endlich wieder in Ruhe müßig gehen will und zwar am besten in Gesellschaft meiner Skatrunde.“

„Mensch, was ein Skandal, Frau Eberhard, kann man sich da irgendwo hinwenden? An oberste Stelle?“ – „Hatte ich mir auch schon überlegt, direkt an die Behörde zu schreiben, aber dann hab ich Angst bekommen, dass ich ganz unten auf die Liste komme, falls es eine gibt.“

Bild: Roberta Sant'anna
Jasmin Ramadan

ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Nur weil Sie auf Recht und Würde pochen?“ – „So war das einst auch bei der Arbeit, wenn man den Mund aufgemacht hat, hat man früher oder später die Nachteile gespürt.“

„Haben Sie denn keine Kinder, die es im Internet für Sie versuchen könnten?“ – „Ich hab eine Tochter, aber wissen Sie, die hat nicht mehr alle Sinne beisammen, die macht den ganzen Januar Detox! Sie reduziert alles, dabei ist doch nun schon alles reduziert! Ihre gute Laune hat sich auch reduziert, sie ist noch miesepetriger als vorher, dem Hirn fehlt Kapazität, der Psyche Elastizität, weil sie hungert, dabei isse dürr genug.“

„Detox bedeutet aber nicht unbedingt Diät, Frau Eberhard, vielleicht will ihre Tochter einfach mal entgiften.“ – „Ach Papperlapapp, Giftstoffe, dafür haben wir doch Leber und Niere. Das wahre Gift sitzt bei uns allen im Kopf, das sag ich Ihnen, und das wird immer giftiger, wenn man den ganzen Tag am Telefon sitzt!“

„Mensch, Frau Eberhard, ich drück Ihnen die Daumen, toi toi toi und alles Gute!“

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