Warnung vor Reisen nach Spanien: Die Saison ist wohl im Eimer
Nur noch für die Kanaren kann das Auswärtige Amt kein erhöhtes Corona-Risiko erkennen. In Spanien ist man wenig erbaut über deutsche Kategorisierungen.
Es kam, was kommen musste. Samstag früh sagten erste Tourismusunternehmen Pauschalreisen nach Spanien ab. So nimmt etwa TUI Mallorca aus dem Angebot. Wer will, kann auf die Kanaren umbuchen. Wer sich bereits auf der Insel befindet, kann früher nach Hause fliegen. Damit bricht der spanischen Tourismusindustrie, die in normalen Zeiten 12 Prozent des BIP stellt und rund 2,5 Millionen Menschen beschäftigt, der zweite wichtige Markt weg. Bereits seit Ende Juli müssen Briten nach einer Spanienreise in eine zweiwöchige Quarantäne. Mittlerweile reist so gut wie niemand mehr von Großbritannien nach Spanien.
Das wichtigste Kriterium für die Einstufung einer Region oder eines ganzen Landes zum Risikogebiet ist die Zahl der Neuinfizierungen in den vergangenen sieben Tagen. Überall dort, wo über 50 Fälle pro 100.000 Einwohner registriert werden, herrscht nach Ansicht des deutschen Robert-Koch-Instituts ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Das Auswärtige Amt schließt sich dem an. Für ganz Spanien gibt das Gesundheitsministerium in Madrid die Zahl am Freitag mit 58 an. Auf den Balearen liegt sie sogar bei 77. Auf den Kanaren hingegen bei nur 24.
Seit der Öffnung Spaniens nach einem der weltweit härtesten Lockdowns Ende Juni steigen die Neuinfektionen ständig. Mittlerweile sind es pro Tag wieder 3.000 neue Covid-Fälle. In der vergangenen Woche verstarben 62 Erkrankte. Damit sind bisher 28.617 Tote zu beklagen. Insgesamt wurden bisher 342.000 Covid-Fälle bestätigt.
In vielen Gegenden des Landes werden die deutsche Reisewarnung und die britischen Quarantänebestimmungen als ungerecht und überzogen angesehen. „Aragón hat 33 Landkreise, in 30 davon ist die Lage absolut normal“, erklärt etwa Javier Lambán, Regierungschef der nordspanischen Region mit der Hauptstadt Zaragoza.
Aragón ist mit 250 Neuinfizierungen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen spanischer Spitzenreiter. Jedoch konzentrieren sich die Fälle in Zaragoza sowie auf Obstplantagen in zwei Landkreisen im Südosten der Region. In- und ausländische Touristen zieht es aber eher in die Pyrenäen. Und dort gibt es kaum Fälle. „Das ist weiterhin ein sicheres und vertrauenswürdiges Reiseziel“, erklärt Lambán deshalb.
Mittlerweile greifen die Madrider Zentralregierung und die Regionen zu neuen Maßnahmen. So wurden etwa Clubs und Diskotheken wieder geschlossen, die allgemeine Sperrstunde vorverlegt. Ausserdem darf in der Öffentlichkeit nur noch geraucht werden, wenn ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden kann.
Das größte Problem Spaniens ist allerdings das Gesundheitssystem. Es fehlt vielerorts an Personal, um die Kontakte der Erkrankten nachzuverfolgen und ebenfalls auf Covid zu untersuchen. So etwa in der Region rund um Madrid. Die Infizierungsrate dürfte dort viel höher sein als 97 pro 100.000 Einwohner, wie offiziell angegeben. Madrid bräuchte – so die Experten – mindestens 1.000 zusätzliche Kontaktverfolger.
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