Nach Einstufung zum „Risikogebiet“: Helft Spanien jetzt!

Deutschland muss den spanischen Staat dabei unterstützen, den Anstieg der Infektionen zu stoppen. Das liegt auch im Interesse der Bundesrepublik.

Urlauber liegen am Strand unter Sonnenschirmen mit Erdbeermuster

Auch deutsche Urlauber haben zum Infektionsgeschehen in Spanien beigetragen Foto: Clara Margais/dpa

Fast ganz Spanien gilt also jetzt offiziell als Coronarisikogebiet. Aber nur vor Reisen in das Land zu warnen, reicht nicht. Deutschland muss auch Solidarität zeigen mit Spanien, indem es dem Staat hilft, die steigenden Corona-Infektionszahlen in den Griff zu bekommen.

„Die Situation ist sehr besorgniserregend, weil die Zahl der Fälle dort so schnell steigt“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Montag der taz. „In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Spanier sich bei dem guten Wetter jetzt noch draußen aufhalten, lässt sich für den Winter eine schwere zweite Welle erwarten“, so der Epidemiologe.

An der aktuellen Misere in Spanien ist die Bundesrepublik mitschuldig. Allein auf Mallorca sollen sich bis vor Kurzem 30.000 deutsche Touristen aufgehalten haben. Bei den Partys am berühmt-berüchtigten Ballermann auf der Insel haben auch Deutsche sich nicht an die Regeln zum Schutz vor Infektionen gehalten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben auch Deutsche das Virus auf Mallorca verbreitet. „Wir haben zu der Entwicklung der Pandemie, die jetzt in Spanien zu sehen ist, mit beigetragen“, ergänzt Lauterbach. „Nicht alleine, aber auch deutsche Urlauber haben sich verantwortungslos verhalten, und das ist sehr bedauernswert.“

Deutschland hat aber ebenfalls ein Interesse daran, Spanien in der akuten Krise zu helfen. Denn wenn ein so großer EU-Staat über längere Zeit ein Infektionsherd ist, wird es sehr schwierig werden, ein Übergreifen auf Deutschland zu verhindern. Mit Reiseverboten könnte man es theoretisch versuchen, aber der politische und wirtschaftliche Preis ist einfach zu hoch.

Geostrategisch wichtig

Deutschland muss Spanien auch deshalb helfen, weil beide Länder wirtschaftlich voneinander abhängig sind. Ein großer Teil der deutschen Exporte wird von spanischen Kunden bezahlt. Aber Spaniens Wirtschaft liegt wegen der Coronakrise am Boden. Die wichtige Tourismusbranche wird sich wegen der deutschen Reisewarnung erst einmal nicht erholen können. In Spanien gibt es bereits Sorgen, dass Deutschland nun seine Grenzen für Reisende aus Spanien schließt. Wenn aber Spaniens Unternehmen wegen des Kampfes gegen die steigenden Infektionszahlen noch weiter in die Knie gehen, wird das auch dazu führen, dass die Bundesrepublik weniger dorthin verkauft.

Zudem könnte sich die soziale Krise in Spanien weiter verschärfen. Die sowieso schon sehr hohe Arbeitslosigkeit wird wohl noch steigen. Wenn das so weitergeht, könnte das Land irgendwann instabil werden, immer mehr Spanier würden auswandern. Das können wir als Europäer nicht ignorieren.

Auch geostrategisch ist jetzt massive Hilfe für Spanien geboten. Denn wenn Deutschland und die anderen reichen EU-Länder untätig bleiben, werden möglicherweise Konkurrenten wie China und Russland die Chance nutzen. Das haben wir schon bei der ersten Coronawelle gesehen, als Deutschland verbot, medizinisches Gerät zu exportieren. China flog damals öffentlichkeitswirksam Schutzmasken nach Spanien.

Die Frage kann also nur noch lauten: Wie genau sollte Deutschland helfen? „Wir können unseren Beitrag leisten, indem wir Spanien unbürokratisch die Hilfe zur Verfügung stellen, die wir beschlossen haben im Rahmen der europäischen Hilfsprogramme“, empfiehlt Lauterbach. Die EU will Spanien 140 Milliarden Euro überweisen. „Was wir aber auch brauchen, ist, dass wir den Spaniern beispielsweise Testkapazität und Masken zur Verfügung stellen.“ Zudem müsse Deutschland helfen, das Testverfahren zu beschleunigen.

Wenn Deutschland jetzt nicht nur auf die eigenen Infektionszahlen in diesen Wochen guckt, dann würde das auch eine klare Botschaft senden: dass endgültig Schluss ist mit deutschem Egoismus in der Coronakrise.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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