Warnung an säumige EU-Nachbarn: Union pfeift notfalls auf Schengen
Grenzkontrollen in der EU sind für Unions-Politiker kein Tabu, Merkel fordert eine Kraftanstrengung aller EU- Staaten und Ramelow will den Soli-Zuschlag umwidmen.
Das Schengen-Abkommen regelt die Kontrolle der EU-Außengrenzen durch die Mitgliedstaaten. Nach dem Dublin-Abkommen müssen Asylbewerber in dem ersten EU-Staat, den sie betreten, einen Antrag auf Schutz stellen. Bei den Prümer Beschlüssen geht es um die grenzüberschreitende Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität.
In ihrem Papier, das den Titel „Europa – kein Raum für Schlepper und organisierte Kriminalität“ trägt, fordern die Unionspolitiker die EU-Kommission auf, zu prüfen, ob und in welcher Qualität die Kontrolle der Außengrenzen der Europäischen Union nach dem Schengener Abkommen von den Mitgliedsländern überhaupt noch umgesetzt wird. Die Grenzkontrollen während des G-7-Gipfels in Elmau hätten bereits gezeigt, dass Deutschlands Nachbarn mit Ausnahme der Schweiz ihrer Verpflichtung zur Bekämpfung von Grenzkriminalität nicht ausreichend oder gar nicht mehr nachkämen.
„Binnengrenzfahndung in allen Ländern würde auch den unkontrollierten Flüchtlingsströmen Einhalt gebieten und das Dublin-Verfahren gewährleisten“, heißt es in dem Papier weiter. Es gehe aber vor allem um ein gravierendes Sicherheitsrisiko, „wenn Straftäter wie Terroristen ungehindert und unkontrolliert reisen können“. Die Innenpolitiker forderten auch eine Entlastung der Bundespolizisten von Aufgaben, für die eigentlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig sei. Außerdem schlugen sie die Einrichtung von fünf zusätzlichen mobilen Überwachungseinheiten der Bundespolizei vor. Dafür würden ihren Berechnungen zufolge 1.000 neue Planstellen und rund 87 Millionen Euro benötigt.
„Die Zeit drängt für eine gemeinsame Lösung“
Nach der Koalitionseinigung auf ein milliardenschweres Paket zur Flüchtlingshilfe sieht die Bundesregierung nun die anderen EU-Staaten am Zug. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine „Kraftanstrengung“ der Europäischen Union. „Die Zeit drängt für eine gemeinsame Lösung.“ Notwendig sei eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge. In dieser Frage ist die EU bisher zerstritten, vor allem osteuropäische Staaten wehren sich gegen verbindliche Regeln. Deutschland hatte seit Samstag angesichts der dramatischen Zustände in Ungarn in einer beispiellosen Aktion Tausende Flüchtlinge aufgenommen.
Bis zum Sonntagabend kamen nach offiziellen Angaben über Bayern fast 20.000 Menschen in Deutschland an. Für diesen Montag wird damit gerechnet, dass weitere 10.000 Flüchtlinge ankommen. Das teilte die Regierung von Oberbayern mit. Nach Angaben der Deutschen Bahn wurden mehr als 22.000 Flüchtlinge in mehr als 100 Zügen transportiert. Viele Menschen wurden bereits in andere Bundesländer gebracht.
Zuvor hatte sich die Lage in Ungarn zugespitzt. Am Budapester Ostbahnhof hatten Tausende Flüchtlinge tagelang kampiert, viele hatten sich zu Fuß in Richtung österreichische Grenze aufgemacht. Daraufhin hatten Kanzlerin Merkel und ihr österreichischer Kollege Werner Faymann am Freitagabend in Absprache mit der ungarischen Regierung eine Ausnahmeregelung vereinbart. Demnach durften die Flüchtlinge ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen.
Die Aufnahmeentscheidung vom Wochenende solle eine Ausnahme bleiben, heißt es in dem Papier, auf das sich die Spitzen der Koalition in der Nacht zum Montag geeinigt hatten.
150.000 winterfeste Plätze
Die Koalition beschloss unter anderem, dass der Bund die Mittel für Flüchtlinge im Haushalt 2016 um drei Milliarden Euro erhöht. Bundesländer und Kommunen sollen weitere drei Milliarden Euro erhalten. Vereinbart wurde auch, dass der Bund Länder und Kommunen beim Ausbau von etwa 150.000 winterfesten Plätzen in menschenwürdigen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge „verstärkt unterstützen“ wird. Die Koalition will zudem den Kreis der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitern.
Kanzlerin Merkel zeigte für EU-Staaten, die sich weigerten, Flüchtlingen Schutz zu geben, kein Verständnis: „Manch einer sagt, er hat damit wenig zutun. Das wird auf Dauer nicht tragen.“ Vor allem osteuropäische EU-Mitgliedsländer wehren sich bisher gegen verbindliche Regeln. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will am Mittwoch ein Konzept zur Verteilung von 120.000 weiteren Flüchtlingen auf EU-Staaten vorstellen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat gefordert, den Solidaritätszuschlag in Zukunft für die Unterstützung von Flüchtlingen zu verwenden. „Es wäre besser, wenn der Soli, der zum Aufbau der neuen Länder derzeit nur noch zur Hälfte genutzt wird, zu einem Integrations-Soli umgebaut werden würde“, sagte Ramelow am Montag im Deutschlandfunk. „Dann hätten alle Bundesländer und Kommunen mehr davon und es wäre für die Bevölkerung transparenter und ehrlicher.“
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