Waldbrände in Kanada: New Smog City

Teile der USA ersticken im Rauch, der von über 1.000 Meilen entfernten Waldbränden kommt. Bewohner berichten von einer apokalyptischen Stimmung.

Eine Frau fotografiert die Freiheitsstatue im Nebel

Freiheitsstatue in New York: Der Rauch kommt aus Kanada Foto: Yuki Iwamura/ap

NEW YORK taz | Es sind schon fast apokalyptische Bilder, die am Mittwoch an der US-Ostküste zu sehen waren. Städte wie Boston, New York und Washington befanden sich unter einem Schleier aus dickem Rauch. Der Grund für die schlechte Luftqualität und die stark eingeschränkte Sicht waren mehr als 160 Waldbrände, die seit Tagen im Osten Kanadas wüten.

Der Rauch dieser Brände, die vor allem in den kanadischen Provinzen Quebec und Neuschottland ihr Unwesen treiben, hat sich in den vergangenen Tagen Richtung Süden ausgebreitet und zu Smog-Warnungen in mindestens 13 US-Bundesstaaten geführt. Mehr als hundert Millionen Menschen sind von der schlechten Luftqualität betroffen.

Robert Vuolo arbeitet als Beleuchter beim Film und war in New York, als das große Orange am Mittwoch über die Stadt kam. „Es war, als wären wir plötzlich auf einem anderen Planeten. Ein gespenstischer, apokalyptischer Dunst bedeckte alles“, beschreibt er – und findet noch einen Vergleich zu Der Herr der Ringe: „Wie als Mordors Finsternis sich über die Stadt Minas Tirith senkte, kurz bevor Saurons Truppen dort einfielen.“ Der Geruch habe ihn zudem an die verschmutzte New Yorker Luft aus seiner Kindheit in den 1970ern erinnert.

Öffentliches Leben eingeschränkt

Fotos und Videos aus den betroffenen US-Metropolen zeigen bekannte Touristenattraktionen wie die Freiheitsstatue oder das US-Kapitol umgeben von einem gelblich-orangen Nebel. Die wie aus einem Hollywood-Film entsprungene Kulisse ist jedoch nicht nur unheimlich, sondern wirkt sich auch auf das Leben von Millionen von Amerikanern aus.

Die Gesundheitsbehörden von Massachusetts bis Georgia – in einer Distanz von mehr als 1.000 Meilen – warnten am Mittwoch vor möglichen gesundheitlichen Folgen aufgrund der schlechten Luftqualität. Vor allem die sich in der Luft befindlichen feinen Rauchpartikel können zu Atemproblemen führen. New Yorks Bürgermeister Eric Adams empfahl daher den mehr als 8 Millionen Einwohnern seiner Stadt, die Zeit im Freien auf ein Minimum zu reduzieren. „Besonders Menschen mit Vorerkrankungen sollten zu Hause bleiben“, sagte er.

Die Schulen in New York und Washington strichen aufgrund der Situation am Mittwoch alle Freiluftaktivitäten. Im US-Bundesstaat New Jersey schlossen staatliche Einrichtungen vorzeitig und das Baseballspiel zwischen den New York Yankees und den Chicago White Sox wurde kurzfristig verschoben. Auch Reisende mussten Beeinträchtigungen in Kauf nehmen. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse kam es zu teils erheblichen Verspätungen im Flugverkehr.

US-Präsident Joe Biden bot Kanadas Premierminister Justin Trudeau in einem Telefonat am Mittwoch weitere Unterstützung im Kampf gegen die Waldbrände an. Mehr als 600 amerikanische Feuerwehrmänner und -frauen sind bereits im Einsatz.

Dass etwas nicht stimmt, merkte Robert Vuolos Frau, Laura Taylor, bereits am vergangenen Wochenende an der Sonne. Sie ging plötzlich ganz in Pink auf und ungewöhnlich orange unter. „Und seit Montag kann ich das Feuer riechen“, sagt die 62-jährige Künstlerin, die drei Stunden nordwestlich von New York in den Catskill Mountains lebt. Der Geruch allerdings sei nicht heimelig wie der von Lagerfeuern. Viel schlimmer, es riecht einfach verschmutzt, sagt sie. Am Montag nach den rosa Sonnenaufgängen stand plötzlich eine Warnung in ihrer Wetterapp, die Laura Taylor täglich checkt: Schlechte Luftqualität. Sie verbringt normalerweise viel Zeit draußen. „Die ersten Tage hab ich einfach alles ganz normal gemacht, aber dann wurde es immer schlimmer“, sagt sie.

Sobald sie jetzt auch nur fünf Minuten draußen ist, hat sie Tränen in den Augen und Halskratzen. Seit Mittwoch hält sie die Fenster geschlossen und verlässt das Haus nur noch für das Mindeste. „Es fühlt sich apokalyptisch an“, sagt Taylor. Ständig überprüft sie die aktuellen Luftqualitätswerte auf der App Airnow.gov. Niedrig ist gut: In Taylors Ortschaft lag der Wert bei 172 AQI, am Vortag waren es 200. In Brooklyn war es am Tag des apokalyptischen Lichts über 420. Über 300 gilt als die höchste gesundheitliche Warnstufe.

Zwar soll sich die Situation entlang der US-Ostküste aufgrund sich verändernder Windverhältnisse bis zum Wochenende hin stetig verbessern, doch aufgrund des anhaltenden Klimawandels könnten sich ähnliche Zustände in Zukunft häufen.

„Die Gegebenheiten, welche zu einer Erhöhung der Waldbrandgefahr führen, werden durch den Klimawandel nur noch verschärft. Mehr Hitze und Trockenheit bedeutet eine größere Brandgefahr“, sagte die Wissenschaftlerin Carly Phillips im Gespräch mit der taz. Und nicht nur in Kanada brennt der Wald: Laut dem EU-Atmosphärendienst CAMS gab es in mehreren Regionen der Nordhalbkugel im Frühjahr Rekord-Weltbrände. Neben Kanada sind besonders Spanien und Zen­tral­asien betroffen.

Spürbarer Klimawandel

Eine Untersuchung der US-Klimabehörde NOAA aus dem Jahr 2021 bestätigt, dass der Klimawandel die Hauptursache für den Anstieg von heißen und trockenen Wetterbedingungen im Westen der USA sei. Für die boreale Zone in den nördlichen Breiten Kanadas, wo die aktuellen Waldbrände wüten, ist dieser Zusammenhang sogar noch ausgeprägter, betonte Phillips. In den Regionen British Columbia im Westen, Saskatchewan im mittleren Osten und Nova Scotia an der Atlantikküste verzeichneten die For­sche­r:in­nen aufgrund der Waldbrände im Mai ein neues Allzeithoch an Emissionen im Frühjahr.

„Wir wissen, dass sich die nördlichen Breiten schneller erwärmen als der Rest der Welt, nämlich fast doppelt so schnell. Manche Untersuchungen sagen sogar bis zu viermal so schnell voraus. Die daraus resultierende trockene Vegetation ist wie eine Art Treibstoff für Waldbrände“, erklärte sie. Auch diverse Politiker nutzen die aktuelle Situation, um auf die Bedrohung durch die Klimakrise hinzuweisen. „Diese extremen Wettergeschehen sind greifbare und vernichtende Beweise für den sich verstärkenden Klimawandel“, so New Jerseys demokratischer Gouverneur Phil Murphy.

Kanadas Behörden befürchten, dass dies die verheerendste Waldbrandsaison in der Geschichte des Landes werden könnte. Bisher wurden bereits 3,8 Millionen Hektar Land zerstört und mehr als 20.000 Menschen wurden evakuiert. Aktuell werden in ganz Kanada mehr als 400 Waldbrände gezählt.

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