Wahlwiederholung am 12. Februar: König ohne Land
CDU-Chef Kai Wegner steuert nach der neuesten Umfrage auf einen Wahlsieg zu – und könnte trotzdem im Abgeordnetenhaus in der Opposition bleiben
Das will Wegner natürlich an einem solchen Tag nicht hören. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wahlverlierer vom 12. Februar eine Koalition gegen den klaren Wahlsieger bilden“, sagt er in Raum 453, wo es eigentlich um den A100-Weiterbau geht, der nach CDU-Willen überdeckelt und begrünt eine „Klimaautobahn“ werden soll. Wegners Optimismus baut sichtlich darauf, dass die jetzigen 23 Prozent das beste Umfrageergebnis der CDU seit fast drei Jahren sind.
Bei der nun zu wiederholenden Wahl vom 26. September 2021 hatte die CDU nur 18 Prozent der Stimmen bekommen. Das war allerdings immer noch besser als bei der Wahl 2016 und noch nicht mal einen Prozentpunkt schlechter als die zuvor so hoch gewetteten Grünen.
Das damalige Ergebnis galt vor allem deshalb als gar nicht so mies, weil die CDU bei der parallelen Bundestagswahl gemessen an früherer Stärke viel schlechter abschnitt. Aktuell aber haben die Christdemokraten bundesweit wieder viel größeren Rückhalt als 2021. Dieser Trend wirkt sich sichtlich auf die Berliner Landesebene aus. Denn große eigene Akzente konnte die CDU seither nicht setzen. Während im Bundestag CDU-Bundeschef Friedrich Merz zumindest gelegentlich erfolgreich die Ampelregierung unter Druck setzt, ist Wegner im Landesparlament weit weniger auffällig. Als eigentlicher Oppositionsführer gilt der Chef der kleinsten Parlamentsfraktion, Sebastian Czaja, der häufiger und eloquenter auftritt.
CDU löst Grüne ab In der vorigen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag von Morgenpost und RBB-„Abendschau“ Ende November lagen noch die Grünen mit 22 Prozent an Platz eins. Nun führt die CDU mit 23 vor den Grünen mit 21 Prozent. Die SPD hatte damals 19 Prozent, nun 18. Die jetzige rot-grün-rote Koalition kommt zusammen auf 50 Prozent.
Linkspartei und AfD gleichauf Dahinter liegen gleichauf Linkspartei (unverändert) und AfD (plus 1) mit je 11 Prozent. Die FDP verbessert sich von 5 auf 6 Prozent, verbleibt aber gefährlich nah an der 5-Prozent-Hürde. Die müssen Parteien überwinden, um ins Parlament zu kommen. Sonstige Parteien, die bislang dort nicht vertreten sind, erreichen 10 Prozent.
Giffey bei Direktwahl vorn Würde die Regierungschefin oder der Regierungschef direkt gewählt, bliebe Franziska Giffey trotz des aktuellen SPD-Rückstands im Amt: 34 Prozent würden für sie stimmen, 20 Prozent für Kai Wegner (CDU) und 15 Prozent für Bettina Jarasch (Grüne). (sta)
Wobei es nicht so ist, dass Wegner nicht reden könnte – sein Auftritt beim jüngsten CDU-Landesparteitag war einer der Besten, die er je hatte. Und wer ihn bei Terminen im kleinen Kreis begleitet, erlebt jemanden, der durchaus Leute begeistern kann.
Wegner und seine CDU dürften in der Umfrage auch von Problemen der Gegenseite profitiert haben. Bei den Grünen gibt es nach dem Streit um die Lützerath-Räumung enttäuschte Anhänger, die andere Parteien zu unterstützen oder gar nicht zu wählen drohen. Und der SPD dürften manche vorhalten, dass es zu den viel diskutierten Ausschreitungen an Silvester kommen konnte. Der CDU könnte zudem genutzt haben, dass möglicherweise nicht alle ihre Reaktionen auf jene Silvesterereignisse als so rassistisch empfinden wie es Grüne oder Linke tun. Parteichef Merz etwa hatte nach den Attacken vor allem durch junge Männer von „kleinen Paschas“ gesprochen – die Abgeordnetenhausfraktion hatte nach den Vornamen der Festgenommenen gefragt.
Was der CDU mit Blick aufs Wahlergebnis vielleicht nützt, verbaut ihr aber derzeit den Weg in die Regierung: Wegen der Vornamenaktion hat Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch eine Koalition mit der CDU mehr oder minder ausgeschlossen. Allein mit der FDP aber bekommt Wegner keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus zusammen.
Die Hoffnungen der CDU können sich höchstens darauf stützen, dass die SPD am 12. Februar historisch schlecht abschneidet und deshalb Erneuerung in der Opposition sucht. Eine zweite Variante wäre, dass die SPD lieber mit dem Wahlsieger CDU ein Zweierbündnis eingeht, als mit deutlich weniger Senatsposten kleiner Partner im bisherigen links-grünen Drei-Parteien-Bündnis zu sein.
Ein schwarz-grünes Bündnis, an dem Wegner hintergründig seit vielen Jahren bastelt, wäre wie Schwarz-Rot auch theoretisch nur möglich, wenn die FDP es wegen der 5-Prozent-Hürde nicht wieder ins Parlament schafft. Angesichts oft spürbarer CDU-Allergie bei linken Grünen, vor allem aus den Kreisverbänden Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, wirkt diese Option erst einmal weltfremd. Auch die weit auseinander laufender Vorstellungen zur A100, wo die Grünen „Stopp“ sagen, während Wegner in Raum 453 eine Klimaautobahn vorschwebt, sprechen dagegen.
Etwas aber macht die schwarz-grüne Variante durchaus glaubwürdiger: Das ist das fortwährende Warnen der SPD vor einem solchen Bündnis. Das gilt bei den Sozialdemokraten als gar nicht so unrealistisch – auch wenn man dort Wegner offiziell für isoliert hält und als „der einsame Kai“ verspottet.
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