Wahlprogramme der Parteien: Die Qual der Klimawahl
Wirklich konsequente Klimaprogramme hat keine der großen Parteien im Angebot. Die Pläne der Grünen sind da noch am konkretesten.
E s ist Wahljahr in Deutschland, aber Klimagerechtigkeit kann man nicht wählen. Ein konsequentes Klima-Programm hat keine Partei im Angebot. Da sind sich die verschiedenen klimapolitischen „Wahl-o-Mate“ und Wahlprogramm-Analysen eigentlich einig. Klimagerechtigkeit würde ja auch heißen, dass Deutschland nicht mehr vom CO²-Budget der Menschheit aufbraucht als fair ist. Was fair ist – da kann man sich natürlich streiten.
Sollte man zum Beispiel die Unmengen an Emissionen einrechnen, die Deutschland seit der Industrialisierung in die Atmosphäre gepustet hat und beispielsweise Venezuela nicht? Dann dürfte Deutschland im Prinzip schon keine Treibhausgase mehr emittieren, sofern sich das Budget an dem Ziel ausrichtet, dass die Erde am Ende des Jahrhunderts höchstens 1,5 Grad wärmer ist als zu Beginn der Industrialisierung.
So etwas hat keine Partei in ihrem Programm. Oder sollte man sagen: Jetzt bekommt einfach jeder Mensch auf der Erde denselben Anteil am gemeinsamen CO2-Budget? Dafür müsste Deutschland seine CO2-Emissionen bis Mitte 2027 linear auf null absenken. Dann wäre der Anteil an der CO2-Menge aufgebraucht, die noch die Atmosphäre erreichen darf, wenn es eine halbwegs gute Chance von zwei Dritteln auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits geben soll.
Damit kämen uns Länder wie Benin, Kiribas oder Indien schon entgegen, es käme einem ökologischen Schuldenschnitt gleich. Auch das bietet keine Partei an, obwohl das 1,5-Grad-Ziel mittlerweile fast alle irgendwie im Munde führen.
Und nun? Trotzdem gibt es massive Unterschiede zwischen den Parteien. Am konkretesten sind die klimapolitischen Maßnahmen der Grünen. Zu befürchten ist leider, dass die Union für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag weite Teile davon schwärzen würde.
Und die FDP würde bestimmt keinen ganzen gelben Marker aufbrauchen, um gemeinsame Punkte anzustreichen. Zumindest auf der Ebene der Klimaziele ist übrigens die Linke – also der Rotstift – am ambitioniertesten, wenn auch in der Umsetzung teilweise etwas vage. Klimagerechtigkeit ist nicht wählbar, aber eine Wahl gibt es doch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles