Wahlprogramme der Grünen und SPD: Fromme Wünsche
Passend zu Weihnachten präsentieren die Parteien ihre Wunschlisten. Die Gerechtigkeitswünsche der Grünen und SPD aber sind nur fürs Wahlprogramm.
![Illustration eines Weihnachtsmann mit ganz vielen Geschenken Illustration eines Weihnachtsmann mit ganz vielen Geschenken](https://taz.de/picture/7421281/14/Kolumne-Postprolet-1.jpeg)
D ie Deutschen sind Gewohnheitstiere. Während in der Welt diktatorische Regime (Syrien), dickköpfige Premierminister (Frankreich) und verwirrte Präsidenten (Südkorea) abgesetzt werden, sind die Deutschen aus dem Häuschen, weil sie im Winter statt Spätsommer wählen sollen.
Wahlkampf über Weihnachten, wie soll das gehen?, fragen sie sich beim ersten Blick auf den Wahltermin, in Sorge um den familiären Burgfrieden über die Feiertage, wo man über Politik lieber nicht spricht, stattdessen über den Durst trinkt und über den Hunger isst – bis sich die Realität im graudunklen Januar umso härter wieder zurückmeldet.
Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass sich die Weihnachtszeit ganz gut für den Wahlkampf eignet. Denn Weihnachten ist die Zeit der Wunschlisten an den Weihnachtsmann. Passend dazu präsentieren die Parteien in den Tagen vor Weihnachten ihre Wahlprogramme. Der Zeitpunkt dieser Präsentation verleiht ihren Wahlversprechen einen Hauch von Aufrichtigkeit. Besonders lohnt sich der Blick auf die Forderungen der Grünen und Sozialdemokraten, die in den letzten Jahren ja Gelegenheit genug hatten, Wünsche zu realisieren.
Da ist das Klimageld und da sind die versprochenen 400.000 Wohnungen, die unter der Ampelkoalition kommen sollten, aber nicht kamen. Da sind die Klassiker aus dem Bereich Umverteilung, die Evergreens und Everreds des deutschen Wahlkampfes. Wünsche, die nicht da sind, um erfüllt zu werden, sondern dafür, dass sie Sozialdemokraten und Grüne immer wieder ohne Ergebnis in ein Wahlprogramm schreiben.
Weil die Frage der Steuergerechtigkeit im Nationalen ja schon längst geklärt ist (nicht!), fordern die Grünen eine globale Milliardärssteuer und wollen Steuerlücken bei großen Erbschaften schließen. Ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck möchte dazu die 250 Milliardär:innen in Deutschland besteuern, um Schulen zu sanieren.
Die Sozialdemokraten fordern in ihrem Wahlprogrammentwurf eine Reform der Erbschaftssteuer und eine Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer für Vermögen von über 100 Millionen Euro. Das heißt, auch wer keine ganze Milliarde beziehungsweise nur 50 Millionen besitzt, also nur ein bisschen reich ist, kann beide Parteien sorgenfrei wählen.
Reine Verhandlungsmasse
Interessierte Bürger:innen sind keine Kinder. Sie wissen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Sie wissen auch, dass Grüne und Sozialdemokraten nicht aufrichtig an sozialer Gerechtigkeit interessiert sind, sondern die Gerechtigkeitsrhetorik und entsprechende Programmpunkte als Verhandlungsmasse benötigen.
Das Parteiensystem zersplittert und jetzt kommt auch noch das BSW. Um da noch zusammenkommen zu können, braucht man etwas, was man dem anderen anbieten kann, der nicht die soziale Ungleichheit, sondern faule Arbeitslose als Problem identifiziert. Man muss dem etwas geben, der nicht Ungerechtigkeit, sondern zu hohe Sozialausgaben bekämpfen will.
Zum Glück ist bald Weihnachten. Da darf man sich erst mal alles wünschen, was man möchte. Ob der Weihnachtsmann die Wünsche erfüllen kann, das bestimmen die Verhandlungen nach der Bundestagswahl. Und später vielleicht ein Finanzminister von der CDU. Spätestens bei der Präsentation des nächsten Koalitionsvertrags aber kommt es auf jeden Fall wieder auf seine Kosten, das deutsche Gewohnheitstier.
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