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Wahlprogramm der UnionHochstapelei und Wohlfühlprosa

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Union will Steuern für Reiche senken und irgendwie Klimaschutz forcieren. Das ist nicht nur intellektuell eine Zumutung.

Klausur der Spitzen von CDU und CSU zur Verabschiedung des Wahlprogramms Foto: Kay Nietfeld/dpa

W ar da was? Ein rüder Machtkampf an der Grenze zur Selbstzerstörung zwischen CDU und CSU? Die Union hat den Streit in der Formel „diese zehn Tage“ entsorgt. Zwischen Markus Söder und Armin Laschet scheint kein Löschblatt zu passen.

Es köchelt unter der glattpolierten Oberfläche aber noch. Söder kann es sich nicht verkneifen zu zeigen, dass er alles besser weiß als Laschet – selbst wenn es nur um die Höhe des aktuellen Benzinpreises geht. Aber das fällt eher in das Metier Unterhaltung. Der Grundreflex funktioniert bei der Union wieder: alles für den Wahlsieg. Die Machtmaschine Union läuft wieder störungsfrei.

Die Union hat ein laxes Verhältnis zu Programmen. Irgendwie braucht man sie, aber sie sollen bitte dem Regieren nicht im Weg stehen. Das Prinzipielle zählt wenig, das Situative viel. Das ist seit Langem das Erfolgsrezept der Union, Merkel hat es perfektioniert.

Die Laschet-Union tickt da genauso. Dieses Wahlprogramm ist eine intellektuelle Zumutung. So kündigt die Union an, die Unternehmensteuer entschieden auf 25 Prozent zu senken und die Spitzenverdiener mit der Streichung des Soli um Milliarden reicher zu machen. Auch Normalverdiener sollen weniger zahlen. Dem Staat wird also ein hoher zweistelliger Milliardenbetrag fehlen. Die Schuldenbremse soll aber umgehend wieder gelten. Kürzungen bei den Staatsausgaben sind auch nicht vorgesehen.

Wahlprogramm als neoliberaler Taschenspielertrick

Weniger Einnahmen, gleiche Ausgaben, keine Schulden – an dieses Märchen würde keine schwäbische Hausfrau glauben. Die Union beteuert zwar, „nichts zu versprechen, was wir nicht einhalten können“. Aber das ist Hochstapelei.

Dieses Wahlprogramm ist ein neoliberaler Taschenspielertrick. Finanziert werden soll alles auf wundersame Weise durch Wachstum, das durch radikalen Abbau von wuchernder Bürokratie ermöglicht wird. Auch dieses Bürokratiemonster stammt aus der neoliberalen Mottenkiste. Abgesehen davon: Wer regiert hier eigentlich seit 16 Jahren?

Beim Klimaschutz sieht es ähnlich aus. Das Ziel ist zwar hochfliegend, Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein. Aber wie, das verrät die Union lieber nicht. Viel wolkige Wohlfühlprosa, keine einzige harte Zahl.

Das mag zur derzeitigen Stimmung passen: Fast alle wissen, dass Klimaschutz nötig und Veränderung unausweichlich ist. Aber man möchte trotzdem lieber, dass es erst mal bleibt, wie es ist. Gerade nach der Pandemie. Die Union spekuliert auf diese Stimmung. Die Wahrheit könnte WählerInnen verunsichern.

Die Union versucht nicht mal, ein seriöses Programm auf den Tisch zu legen. Es ist der Job der politischen Konkurrenz zu verhindern, dass Laschet und Söder mit diesem Schwindel Erfolg haben.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • Die Anklage sitzt diesmal, denkt man, alles seziert, ins kleinste Detail zerlegt, jetzt kommt der Beweis der Schuld nach 16 Jahren Prokrastination. Mit der Akribie von Wissenschaft und dem scharfen Sinn der Intellektuellen und Wirtschaftsweisen des Landes soll der mediale Lügendetektor auch den letzten WahlbürgerInnen beweisen: Geht alles gar nicht, die machen weiter wie bisher, Wachstum als Mantra, Klimaschutz als Feigenblatt. Psychologisch opportun wie in der Werbeindustrie legen aber die C-Granden in gedecktem Blau einen aalglatten Fake-Auftritt hin, inszeniert und von Profis getimed, wohl auch gut einstudiert. Und berechnend: Mehrheitlich werden wir, so verstehe ich Entscheidungen nach D. Kahneman und Th. Ramge als Experten, das Bauchgefühl im System 1 befragen zur Entscheidung an der Urne. Die Plausibilität berechnet unsere Intuition, gedachte Empirie wiegt stärker als eine analytisch exakte Faktenkenntnis. Die Inhalte mancher Wahlprogramme mögen für die Tonne sein, die Auftritte sind entscheidend. Kahneman analysiert auch mit einem Fokus auf Framing und kognitive Verzerrungen. Dort ist der Wahlkampf angekommen. Manipulation durch Marketing in Machtfragen.

  • Zitat Söder „Das ist unser Wahlprogramm. Was wir davon umsetzen legen wir nach der Wahl fest.“

    Eine unglaubliche Dreistigkeit hat sich da etabliert.

    • @Thomas Werner:

      „...Was wir davon umsetzen legen wir nach der Wahl fest.“



      Kenne Sie eine Partei, bei der das anders ist?

  • Seit CDU Wahlsieg Sachsen-Anhalt 06/2021 begeben sich Union Akteure Armin Laschet, Markus Söder asymmetrisch unheilvoll demobilisiert in Schlafwagenmodus als wäre Bundestagswahl 2021 Sache der Wiedereinführung von DB Nachtzügen. Dabei verkennen sie, dass anders als in Sachsen-Anhalt Ministerpräsidenten- sprich Kanzlerbonus nicht greift, weil Angela Merkel als amtierende Bundeskanzlerin nicht zur Wahl steht, sondern abtritt. Zum Union Schlafwagenmodus gehört Idee von sog. kapitalgedeckter Generationenrente deren Kapitalstock durch Geld Einsammeln von der Wiege bis zur Bahre, das immer weniger haben, erst entstehen soll, um dann an internationalen Kapitalmärkten zugunsten deutscher Versicherungswirtschaft bei überhöhten Nebenkosten zulasten Beitragszahler*nnen verheizt werden zu können, statt gesetzliche Rente auf breiterer Beitragszahler*nnen Basis wirklich zu reformieren unter Einbeziehung Abgeordneter*nnen in Bundestag. Landesparlamenten, Beamte*nnen, Freiberufler*nnen programmatisch in Angriff genommen auf Wahlkampf Agenda zu nehmen. Spätestens Anfang September 2021 wird es für Union böses Erwachen geben, wenn nach Inflationsrate in Deutschland absehbar mit 5 wie in USA und mehr % durchschlägt, zu sinkenden Zustimmungswerten führen, auch wenn sie jetzt gennau darauf spekulieren, ihr "Wasch mich aber mach` mir den Pelz nicht naß" Wahlpprogramm voller Unschärferelation Kalkül beim Ausgeben von Wahlgeschenken wie erweiterte Mütterente zulasten Rentenkasse, ohne in diese Beitrag gezahlt zu haben, Steuersenken, sei unter Schuldenbremse Einhaltung selbst regulierend marktkonform wundersam durch Inflation zu heilen, wenn nicht wird Mehrwertsteuer erhöht wie 2013 damals von 16 auf 19 % zulasten geringer Einkommen, entgegen vorherigem Wahlversprechen von SPD, Union

  • Ich habe den ganz leisen Funken Hoffnung, dass der Wähler in der Coronazeit nicht nur erkannt hat was da in dem C*U-Trog so vor sich hin gammelt sondern auch die richtigen Schlüsse daraus zieht.

    Aber - die Hoffnung stirbt zuletzt ...

  • die reichen und besserverdienden sind die hauptverursacher*innen des klimawandels.sie steuerlich zu entlasten wie es die unionsparteien oder die fdp vorschlagen wäre genau der falsche weg.



    denn wenn sich ihr einkommen erhöht werden sie ja damit ja vielleicht nicht in jedem einzelfall aber statistisch betrachtet zweifelsohne nur noch mehr schaden anrichten



    ausserdem wird durch höhere soziale ungleichheit das wirtschaftswachstum gefördert was auch nahezu zwangsläufig zu grösseren ökologischen schäden führt

    mit den unionsparteien ist kein wirksamer rechtzeitiger und auch kein sozial gerechter klimaschutz möglich

    das werden die "grünen" feststellen wenn sie sich auf eine schwarz-"grüne" koalition einlassen.

    vor allem aber werden es ihre wähler*innen feststellen und sich von der "grünen" partei abwenden

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Es ist der Job der politischen Konkurrenz zu verhindern, dass Laschet und Söder mit diesem Schwindel Erfolg haben." - Vielleicht können die Wähler*innen helfen? Leider stehen auf den Wahlzetteln nur Parteien und Namen von Kandidaten - keine Programmpunkte. Schweiz hat's gut.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    2021.06.21 - 18:37 h



    "Die Union hat ein laxes Verhältnis zu Programmen. "



    Und die Wähler*innen der Union teilen diese Einstellung. Sie wissen, dass das Adenauer-Motto noch immer gilt: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." Sie erwarten, dass diese schwarze Truppe bereit ist, für ihre Klientel alles zu tun. "Mir kenne uns, mir wähle uns." Rein tonn katolsch warn. (© Lowandorder)

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Komischerweise stellt die CDU/CSU die meisten Regierungen seit 1949.



      So ist das mit demokratischen Wahlen.



      Da ist natürlich das Wahlvolk schuld.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Klempner Karl:

        Warum CDU/CSU gewählt werden, habe ich versucht zu erklären. Komischerweise oder tragischerweise? Das dürfen Sie für sich entscheiden.Ob etwas Komik oder Tragik ist, entscheiden eh die Betrachter*innen.

        "Da ist natürlich das Wahlvolk schuld." Natürlich. Unnatürlich ist, dass im deutschen Sprachgebrauch hinundwieder "Schuld" und "Ursache" gleichgesetzt werden. Dass Menschen tatsächlich auch durch freie demokratische Wahl indirekt schuldig werden können, lehrt die deutsche Geschichte