Wahl in Österreich: Auch Kurz hat Dreck am Stecken
Den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ ist kein Mittel zu schmutzig, um einander zu diskreditieren. Das kratzt auch am Image des ÖVP-Stars Kurz.
Tatsächlich besteht weiter Aufklärungsbedarf, wie ein Spin-Doctor hinter dem Rücken des Parteichefs und des gesamten SPÖ-Parteiapparats gegen Sebastian Kurz intrigieren durfte.
Doch auch der Heiligenschein, mit dem sich der junge Herausforderer gerne schmückt, hat deutlich an Glanz verloren. Denn am Wahlkampfteam des politischen Senkrechtstarters kann es nicht unbemerkt vorbeigegangen sein, dass ein Funktionär der ÖVP-Wirtschaftskammer wochenlang die Ehefrau von Christian Kern beschatten ließ. Er rühmt sich selbst auf seiner Homepage, ehemalige Jagdkommando-Soldaten eingesetzt zu haben.
Grund für die Spionage ist ein angebliches „rotes Fördernetzwerk“, in das Eveline Steinberger-Kern verwickelt sein soll. Die wirre Geschichte läuft darauf hinaus, dass Steinberger-Kern mit einer Firma eine 17,6- prozentige Beteiligung am Innovations-Hub „weXelerate“ zur Förderung von Start-ups hielt. Die verkaufte sie vor einem Jahr, um jeden Eindruck zu vermeiden, sie profitiere durch die Position ihres Ehemannes.
Politischer Auftragskiller
Der „Aufdecker“, der sich in den sozialen Medien als „Political Hitman“, also politischer Auftragskiller, vorstellt, insinuiert jetzt, dass der Käufer nur als Strohmann fungiert habe.
Diese Verschwörungsgeschichte, bei der auch israelische und georgische Millionäre eine Rolle spielen, wird seit Tagen von der Gratiszeitung Österreich gespielt. Deren Herausgeber Wolfgang Fellner schreibt Kern in Grund und Boden, seit dieser ihm ein Interview verweigert hat. Kurz wird in dem Boulevardblatt bereits als Kronenträger auf den Titelseiten gefeiert.
Viel Medienaufmerksamkeit konnte Kurz im Juli generieren, als er seine Kandidatenliste mit schillernden Quereinsteigern besetzte. Allen voran die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg, die seit einem Trainingsunfall im Rollstuhl sitzt. Sie wird als Behindertensprecherin der ÖVP im Parlament fungieren.
Skeptiker wie Rudolf Häusler, ÖVP-Bürgermeister von Grünbergs Heimatort Kematen in Tirol, der sich die Frage erlaubte, „wen eine 23-Jährige ohne jegliche politische Erfahrung im Nationalrat vertritt“, wurden als Miesmacher abgekanzelt.
Zurückhaltung bei Interviews
Inzwischen fragt man sich nicht nur, wen die junge Frau, sondern auch was sie vertritt. Denn noch keinem Journalisten ist es gelungen, ihr Ideen für die Behindertenpolitik zu entlocken.
Der Standard hat sich wochenlang vergeblich um ein Interview bemüht. Schließlich habe sich die ÖVP bereit erklärt, über ein Interview zu reden, schreibt Der Standard, „sofern man es vorab zum Gegenlesen erhalte und die ÖVP letztinstanzlich entscheiden dürfe, ob es abgedruckt wird oder nicht“.
Nicht zu wenig, sondern zu viel hat man von Efgani Dönmez erfahren. Der ehemalige Bundesrat der Grünen, den Kurz abwerben konnte, um einen glaubwürdigen Mitstreiter gegen den politischen Islam im Team zu haben, steht mit der bekannten deutschen Anwältin Seyran Ateş hinter der Plattform „Stop Extremism“.
Jetzt wurde ein Chat bekannt, in dem Dönmez die Linie ziemlich einseitig vorgibt: „Türkei – Bad, Katar – Bad, Saudis – Good“. Tatsächlich spart der Aktivist in seinen Auftritten das wahhabitische Königreich von Kritik aus, während die Türkei, Katar und die Muslimbrüderschaft attackiert werden. Den Verdacht, von den Saudis gesponsert zu werden, bestreitet Dönmez vehement.
Eine Nummer zu groß
Eine Erklärung für das einseitige Bashing lieferte Helmut Pisecky von der Gesellschaft für Politikanalyse, der die Plattform unterstützt. Er bestätigte Medien gegenüber die Existenz muslimischer Sponsoren, über die man „nicht viele Worte“ verlieren wolle. Saudi-Arabien sei „definitiv eine Nummer zu groß“. Das habe mit Risikomanagement zu tun.
Das Marktforschungsinstitut Media Affairs resümiert in einer Bilanz der jüngsten Berichterstattung: „Kurz wirkt nicht mehr so tadellos und perfekt in den Medien wie in den letzten Monaten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe