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Wahl in Mecklenburg-VorpommernDer Systemfehler

Nach der Landtagswahl wird Ratlosigkeit herrschen über die Wahlbeteiligung und den Aufstieg der AfD. Warum das Desinteresse, warum dieser Frust?

Wahlplakate in Mecklenburg-Vorpommern. Was steht drauf? Und was dahinter? Foto: dpa

In gut einer Woche werden sie dann wieder abgebaut, die Wahlwerbeflächen in Mecklenburg-Vorpommern. Auch jene am Ortsausgang von Bergen auf Rügen. „Merkel muss weg!“ hat da jemand hingemalt. Riesige schwarze Buchstaben, mehr geschmiert als geschrieben. Im Ton aggressiv fordernd und nicht sachlich auffordernd.

„Merkel muss weg!“ – das klingt wie: „Die Mauer muss weg!“

Die Kanzlerin – also jene Person, die „weg“ soll – wird diese Schmähung vermutlich nicht zu Gesicht bekommen haben. Zu ihren wenigen minutiös geplanten Auftritten im Landtagswahlkampf ist sie mit dem Hubschrauber eingeflogen worden. Von den Landeplätzen auf Fußballplätzen und Weiden aus wurde sie mit schwarzen Limousinen zu den BürgerInnen gefahren. Richtfesten beiwohnen. Hände schütteln. Für Selfies posieren. Auf Dinge zeigen. Wahlkampf, wie ihn die Leute hier kennen. Jedenfalls seit 1990.

Dennoch steht es nun da: „Merkel muss weg!“ Ein Drei-Wort-Satz, seit einem Jahr meist gebraucht von Leuten, die die Politik und ihre Vertreter nach Kräften verachten. In diesem Fall die Kanzlerin. Wie konnte das passieren, dass Ostdeutsche Angela Merkel „weg“ haben wollen, noch dazu in deren eigenem Wahlkreis? Wieso wird nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass die Chancen, Merkel abzuwählen, bei einer Landtagswahl gleich null sind? Und woher rührt diese Verachtung für die parlamentarische Demokratie? Eine feindselige Absage als ostdeutsches Rätsel.

Vielleicht ist diese Holztafel an der Bundesstraße 196 ein passendes Bild für Mecklenburg-Vorpommern, für das Wahlverhalten der Menschen dort: Der Sender sendet, die Empfängerin empfängt jedoch nicht. Der Sender, das ist in diesem Fall das Wahlvolk, der Empfänger die Politik. Es könnte aber auch genau andersherum sein – das Ausmaß an Nichtverstehen wäre wohl dasselbe.

Reden, reden, reden

Seit Langem schon werfen viele Mecklenburger und Vorpommern weg, wofür sie 1989 noch auf die Straße gingen: ihr Recht, frei zu wählen. Bei der Landtagswahl 2011 hat nur jeder zweite Berechtigte seine oder ihre Stimme abgegeben: 51,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 lag die Beteiligung im Nordosten bei deprimierenden 65 Prozent. Ein Drittel der stolzen Demokraten hatte also am Wahlsonntag nicht den Hintern hoch bekommen.

In diesem Jahr wird es wohl nicht anders laufen. Viele werden zu Hause bleiben. Und Merkels Parteifreunde von der CDU werden anschließend trotzdem noch da sein. Und die Genossen von SPD und Linkspartei auch. Mit Glück erneut die Grünen. Und ganz bestimmt werden sich die Rechtspopulisten von der AfD über ihre neuen Landtagsbüros in Schwerin freuen. Auch über ihre Abgeordnetenbezüge und die Aufmerksamkeit, die ihnen – den tricky Demokratieverächtern – nun zuteil wird.

Man wird am Montag einen Blick auf die Wahlbeteiligung werfen und wissen: Viel zu viele sind wieder zu Hause geblieben. Und die tragen dann halt Mitverantwortung für solch ein Ergebnis.

Man wird nach Erklärungen suchen. Das Wetter wird zu gut oder zu schlecht gewesen sein. Die Wege zu weit. Die Kandidaten zu mau. Es wird sein, als werde ein vergeigtes Fußballmatch verhandelt. Irgendwas zwischen Freizeitkicker 07 und der Betriebssportgruppe Goldener Anker. In den Parteizentralen wird es lange Gesichter geben. Und wer nach einigem Hin und Her im Schweriner Schloss die Führung für die kommenden fünf Jahre übernimmt, wird versprechen, jetzt aber wirklich mal „die Bürger mitzunehmen“. Reden, reden, reden. Mitbestimmung, dass es kracht. Aber hallo.

„Die Bürger“ werden resigniert nicken. Und bei der Bundestagswahl in einem Jahr wird die Hälfte von ihnen wieder zu Hause bleiben.

Die Bürger führen ein sicheres, komfortables Leben

Mag sein, dass Politik auch schon mal interessanter und nahbarer war als in diesen konfliktträchtigen globalisierten Zeiten. Aber kaum etwas ist trauriger, als zu beobachten, wie im Osten dieses Landes die parlamentarische Demokratie erodiert. Dass Menschen, die noch vor einem Vierteljahrhundert wirklich gar keine Wahl hatten, heute auf ihre grundgesetzlich verbriefte Möglichkeit der Teilhabe einfach verzichten.

Gerade Menschen, die die Pervertierung dieser Idee noch erlebt haben: Einfach den Zettel mit den Namen der „Kandidaten der Nationalen Front“ (allein diese Sprache!) falten und in die Urne stecken. Wer die Wahlkabine aufsuchte, machte sich verdächtig. So war das. Eine Simulation von Mitbestimmung. Und alle sind hingegangen.

Ja, es stimmt, Mecklenburg-Vorpommern ist immer noch ein strukturschwaches Bundesland, jedenfalls im Vergleich zu Ländern im Westen. Aber fährt man durchs Land, wird man von schnellen Autos überholt. An den Seen und an der Küste gibt es keine freien Hotelzimmer. An den Landstraßen ragen Windräder in den Himmel. In den Dörfern und Städten sieht man frisch sanierte Häuser und riesige Discounter. Sie stehen an perfekt ausgebauten Straßen, deren Alleebäume diesen magischen Halbschatten spenden, wegen dem es viele Menschen hierher zieht, in den Osten. Kein Zweifel, Mecklenburg-Vorpommern ist schön. Es herrscht moderater Wohlstand.

Die soziologische These, nach der privater wirtschaftlicher Wohlstand Demokratie erzeugt und festigt, greift dennoch nicht. AfD zu wählen, können sich laut letzten Umfragen zwanzig Prozent der Befragten vorstellen. Warum? Viel ist die Rede von Abstiegsängsten, von Abwehr und Resignation. Als Grund wird immer mal die Retraumatisierungstheorie angeführt, Ostdeutsche seien durch die Nachwendeerfahrung privater Brüche nicht bereit für weitere Veränderungen.

Ja, die Wende hat die Werftindustrie plattgemacht, die EU hat den Tod der Küstenfischerei besiegelt, die Arbeitsplätze in der fischverarbeitenden Industrie sind futsch. Dennoch gibt es auch Erfolgsgeschichten. Die Natur, Mecklenburg-Vorpommerns größter Schatz, hat sich erholt. Das Land ist an milliardenschwere Straßenprojekte angebunden worden, die dem Tourismus gut tun. Die Universitäten und Hochschulen sind heiß begehrt. Die Bürger führen ein sicheres, komfortables Leben nach westlichen Standards. Jeden Morgen geht die Sonne über ihrem friedlichen Land auf.

Die Opferhaltung war den Ostdeutschen vertraut

Nein, der Sinn des Lebens, die Attraktivität einer Gesellschaft liegt nicht in einer perfekt ausgebauten Landstraße vor der eigenen Tür. Aber doch auch. Ja, es wäre angenehmer, wenn Landambulatorien, Dorfschulen, Busverbindungen nicht geschlossen würden. Aber es werden neue Lösungen gefunden. Und ja, es steht jedem frei, sich einzubringen. Warum also reicht es nicht mal für zwei Kreuzchen alle paar Jahre? Wieso haben die Kommunen Probleme, Mandatsträger zu finden? Warum ist keine Bürgerversammlung so gut besucht wie die, bei der es gegen etwas geht? Ein neues Windrad. Anliegerbeiträge. Flüchtlinge. 22.000 Geflüchtete leben derzeit in ganz Mecklenburg-Vorpommern, das sind nicht einmal anderthalb Prozent der Gesamtbevölkerung.

Vor der Entscheidung

Die Wahl: Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Die derzeitige Landesregierung wird von einer Großen Koalition unter Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) geführt. Seine Partei dürfte nach jüngsten Umfragen zu den Verliererinnen gehören: 26 statt 35,6 Prozent. Der Koalitionspartner CDU stagniert demnach bei 23 Prozent. Eine Fortsetzung der Koalition hängt vor allem vom Abschneiden der AfD ab, Umfragen sehen sie bei 19 Prozent. Die weiteren Par­teien: Die Linke 16 Prozent (2011: 18,4), die Grünen 6 (8,7), NPD 3 (6) Prozent.

Möglicherweise ist im Osten etwas versäumt worden. Möglicherweise wurde vergessen, den Leuten das Wesen von Demokratie genauer zu erklären. Dass sie eben nicht bedeutet: Es soll passieren, was ich will – falls nicht, mache ich nicht mehr mit. Auch nicht, dass eine persönlich gefühlte Mehrheit stets ihre Interessen durchsetzen kann. Sondern dass Demokratie vom Mit­tun lebt. Und nicht vom Dagegensein.

Der Westen hat nach dem Mauerfall viel dafür getan, dass die 16 Millionen Brüder und Schwestern zu guten Bundesbürgern wurden. Kredite aufnehmen, Autos anmelden, Eigenheimförderung kassieren, Kindergeld beantragen, akzeptieren, dass Arbeiter nun Arbeitnehmer heißen – all dies wurde ihnen beigebracht. Wie die Gewaltenteilung funktioniert, wo­zu Föderalismus gut ist, wie das Wahlrecht funktioniert, welche Aufgaben der Bundesrat hat – darüber sollten sie sich bitte schön selbst informieren.

Ein schwerer Fehler war das. Jobkrise, Eurokrise, Globalisierungskrise, Klimakrise, Flüchtlingskrise – immer neue Pro­ble­me machten die Ostdeutschen erneut zu stummen Zeugen scheinbar unerklärlicher Vorgänge. Zu Opfern. Diese Haltung war ihnen vertraut.

Was ihnen in der DDR beigebogen worden war – sich mit persönlichen Meinungen, mit nicht abgesprochenen Handlungen zurückzuhalten –, wurde im neuen System nicht korrigiert. Es reichte, dass die Problem-Ossis keine allzu großen Fisimatenten machten; sie kosteten eh schon zu viel. Das Ergebnis dieser Entwicklung wird am Montag nach der Wahl zu besichtigen sein. Es wird kein guter Tag für die Demokratie.

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28 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Bei Mises und Popper hat Demokratie gerade die Aufgabe, dass das Volk eine ihm unerträglich gewordene Regierung friedlich abwählen kann.

    Deshalb finde ich Anja Maiers Slogan "Demokratie besteht im Mittun, nicht im Dagegensein" ziemlich obskur - ja, eigentlich erinnert mich das schon ein bisschen an die SED-Rhetorik.

  • Erstens. Die Wahlbeteiligung geht seit 1990 in ALLEN Bundesländern kontinuierlich zurück. Zweitens. 15% der deutschen Bevölkerung haben ein Weltbild, das rassistisch und deutsch-national ist. Das war bereits vor 1990 so.

  • Was für ein abgehobenes Geschwätz, das die Gründe für die Politik- und Politikerverdrossenheit noch nicht mal im Ansatz versteht, geschweige denn thematisiert.

    • @Iannis:

      "Was für ein abgehobenes Geschwätz..."

      Schließe mich voll an. "Nicht im Ansatz" begreifen die, worum es geht: Arbeit, soziale Sicherheit auch für die unteren Schichten, keine Angst mehr vor weiterem Abstieg und weiterem Sozialabbau, keine Angst mehr vor Altersarmut usw. Die Abgehobenen begreifen auch nicht, dass dieses "Wir schaffen das schon" ihre Konkurrenz im Niedriglohnsektor ("Wir haben den GRÖSSTEN..." Gerd Schröder) mit den Flüchtlingen verschärft. Ich hab in TP ein Interview gelesen mit einer Grünen aus MV: Genau dieselbe Ahnungslosigkeit, wie es Menschen in einer anderen Klasse geht, dieselbe Arroganz dem "dummen Volk" gegenüber.

  • Nochmal, es gibt genügend Parteien die etwas völlig anderes vertreten als das aktuelle System. Dass es keine Wahlalternativen geben soll ist zumindest logisch nicht nachvollziehbar.

     

    Was darüberhinaus sicher sein dürfte: Die Parteien analysieren sehr genau wer wählen geht und wer nicht. Ergo gabs nach der letzten Bundestagswahl die zusätzliche Mütterrente zur Belohnung.

     

    Ich vermute mal ganz andere Gründe: Politisches Desinteresse...

  • Falls am Sonntag tatsächlich mehr als 20% die AFD wählen sollten, liegt das sicher an dem Gebahren der Politik in der Flüchtlingskrise.

     

    Die Ostdeutschen haben nicht vergessen, dass sie von der DDR abschwören mussten, um ein Bundesbürger zu werden. Nur der grüne Pfeil durfte bleiben ... damals sprach kein (West)Politiker von gewünschter Bereicherung oder Veränderung der alten Bundesrepublik durch die Ex-DDR-Bürger ... auch nicht die linke TAZ.

     

    Das ist vielleicht infantiles Gejammer, aber so isses nun mal . ..

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    "Dass Menschen, die noch vor einem Vierteljahrhundert wirklich gar keine Wahl hatten, heute auf ihre grundgesetzlich verbriefte Möglichkeit der Teilhabe einfach verzichten."

     

    Vielleicht haben sie gemerkt, dass sie keine Wahl haben. Es gibt keine vernünftige Friedenspolitik, keine vernünftige Verkehrspolitik, keine vernünftige Bildungspolitik, usw.

    Was für eine Wahl haben die Menschen denn???

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    'Wie die Gewaltenteilung funktioniert, wozu Föderalismus gut ist, wie das Wahlrecht funktioniert, welche Aufgaben der Bundesrat hat – darüber sollten sie sich bitte schön selbst informieren.'

     

    Irgendwie scheint man Ossis in der taz für grenzdebil zu halten. Naja...

    Auch sonst ein ganz schwacher Artikel. Der böse, ostdeutsche demokratieverachtende Wähler geht nicht mehr zur Wahl. obwohl doch alles super ist. Während die Wessis sich allesamt in unsere formidable parlamentarische Demokratie einbringen und voll hinter ihr stehen.

    Dass es realistischerweise keinen Unterschied mehr macht, ob irgendwo SPD statt CDU regiert, weil sich die Parteien ohnehin vollständig gleichen, damit kann das Elend natürlich nicht zusammenhängen. Es ist dieses typisch elitäre Gedöns, das völlig ausklammert, dass die zunehmende Ablehnung unseres politischen Systems schwerwiegende Gründe hat, die unbedingt angegangen werden müssen.

    • @628 (Profil gelöscht):

      So ist es.

  • Wer den Wahlomaten boykottiert, der möge sich über die Quittung nicht wundern. Und sie sei ihm gegönnt.

  • Die sogenannte Wahlmüdigkeit ist kein ostdeutsches Phänomen. Fünf Beispiele:

     

    Schleswig-Holstein (2012): 60,1%

    NRW (2012): 59,6%

    Niedersachsen (2013): 59,4%

    Hamburg (2015): 56,5%

    Bremen (2015): 50,2%

     

    Schleswig Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Bremen haben zweifellos auch schöne Ecken. Es gibt dort sogar schnelle Autos auf den Straßen. Es herrscht mehr als nur moderater Wohlstand. Trotzdem: Fast die Hälfte aller Bürger kriegt den Arsch nicht hoch am Wahlsonntag. Wieso?

     

    Welche "privater[n] Brüche" mögen es gewesen sein, die Westdeutsche dazu bewogen haben, ihr Recht, frei zu wählen, "wegzuwerfen"? Wieso ist da, wo die Vergangenheit als Erklärungshilfe gar nichts taugt, die Bereitschaft "für weitere Veränderungen" nicht sehr viel größer?

     

    Weil Wahlen Mitbestimmung nur simulieren, schätze ich. Zumindest aus Sicht jener Teile der Bevölkerung, die sich im Wortsinn ohnmächtig fühlen. Im Westen nach 2012 ist das nicht anders als es im Osten vor 1998 war. Der entscheidende Unterschied ist: Wer vor 1989 im Osten nicht zur Wahl gegangen ist, bekam so richtig Ärger mit den Herrschenden. Wer heute zuhause bleibt, den kritisiert im schlimmsten Fall Anja Maier in der taz.

     

    Vielleicht sollten sich die Regierungen also ernsthaft für eine Verschärfung des Wahlgesetzes engagieren, wenn ihnen die Zahlen nicht genehm sind, sie aber nichts zu ändern wünschen an den Zuständen. Gesetzesverschärfungen sind ja grade wieder groß in Mode. Und wenn schon privater wirtschaftlicher Wohlstand keine Demokraten macht, dann ja vielleicht die Angst.

     

    [Achtung, Leute, das war IRONIE.]

  • Die Autorin teilt das Leid des Establishments - sie versteht nicht und schreibt darüber. Und sie sucht den FEHLER bei Nichtwählern, die nur zu bequem sind - größer könnte das Missverständnis nicht sein! Nichtwähler sind das stille Potenzial von neuen Kräften, neuen Parteien - sie sind nicht die nichtaktivierten Wähler!

    Der Artikel zeigt, wie groß die Kluft im Verständnis ist, zwischen denen, die mit dem System ganz zufrieden sind und denen, die vor Wut kochen und das ganze eines Tages auseinanderreißen werden - weil es keine andere Alternativen gibt, weil da kein Verständnis ist!

    • @Georg Marder:

      Leider ist auch die "Alternative für Deutschland" keine Alternative. Deren heutigen Politikvorstellungen waren bereits von 1933 bis 1945 deutsche Alltagspolitik.

  • "Kein Zweifel, Mecklenburg-Vorpommern ist schön. Es herrscht moderater Wohlstand."

     

    Der AWO- Armutsbericht von September 2015 (http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/AWO-MV-tut-zu-wenig-gegen-Armut,armutsatlas108.html) kommt zu dem Ergebnis, dass 23,6 Prozent der Menschen in MV von Armut betroffen sind, da sie über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen.

    Und er liefert auch eine These, wozu Armut führt: "Arme Menschen fühlen sich isoliert, haben ein schwaches Selbstbewusstsein und nehmen kaum am gesellschaftlichen Leben teil."

     

    Anja Maier führt an, der Tourismus laufe gut, die Unis seien begehrt. Das mag ja sein, aber das führt nicht strukturell zu Wohlstand. Und nur um strukturelle Verhältnisse muss es gehen.

     

    Folgender Absatz ist fast zynisch, so blind ist er: "Ja, es wäre angenehmer, wenn Landambulatorien, Dorfschulen, Busverbindungen nicht geschlossen würden. Aber es werden neue Lösungen gefunden. Und ja, es steht jedem frei, sich einzubringen."

     

    Ja, es natürlich steht jedem frei, neben den Mühen, mit weniger als 1900 Euro sich und zwei Kinder nicht nur zu ernähren, sondern vielleicht auch angenehmes Leben zu bereiten, sich dafür zu engagieren, dass eine Buslinie nicht eingestellt wird, die man braucht, um zur Arbeit zu kommen.

     

    "Warum also reicht es nicht mal für zwei Kreuzchen alle paar Jahre?"

    Fragt die Autorin sich das ernsthaft?

    Erstens, siehe oben. Armut ist ein Grund dafür, nicht an der Gesellschaft teilhaben zu können oder es vielleicht auch einfach nicht zu wollen.

     

    Zweitens: Es geht hier doch nicht um Faulheit. Das Problem ist doch nicht, dass Menschen zu faul sind, zwei kleine "Kreuzchen" zu machen. Das Problem ist, dass wie es aussieht 300.000 Menschen ihr Kreuz bei einer Partei machen werden, die vor allem institutionalisiert gegen Menschen hetzt, weil sie, unter anderem, die als Grund ausmacht, dass anderen, vermeintlich wertvolleren Menschen, etwas ihres minimalen Wohlstand weggenommen werden könnte.

  • "An den Landstraßen ragen Windräder in den Himmel."

     

    Gerade die Windräder waren Teil des Wahlkampfs, es gibt sogar eine Anti-Windkraftpartei. Insofern symbolisieren diese gerade nicht für viele Wähler Erfolg bzw. Zufriedenheit.

     

    Ein anderer Faktor ist Angst. Es kann alles noch so schön sein, wenn die Angst dominiert, dass es bald anders kommt, nützt das wenig.

  • Nüchtern betrachtet kann man ja sehr gut nachvollziehen, was Leute aufbringt. Bloss lässt es sich sehr schwer nachvollziehen, wie es mit "Nein" und "Muss weg!" besser werden soll. Das hat schon was mit Wunschdenken, Irrationalität und Negativität zu tun. Leider wird man nichts davon mit Zeitungsartikeln ändern können, wenn überhaupt.

     

    Es gibt in der Tat rund ein Drittel der Bevölkerung, die am liebsten eine wohlmeinende Diktatur hätten, also absolute, umstandslose Herrschaft, die aber das "Wohl des Volkes" im Sinn hat. Wie eine Art Mama, die ihrem Kind im Winter eine Jacke anzieht, ohne dass es wissen muss, dass es draussen kalt ist und Widerworte einfach nicht beachtet.

     

    Wer mag, soll sich mal "Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reichs" von Erich Fromm ansehen. Das ist eine empirische sozialwissenschaftliche Untersuchung, deren Einzelheiten so aktuell sind wie damals.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Sie sitzen mit drin, im Raumschiff Berlin. Und darum verstehen sie nicht, dass die Leute nicht wählen gehen, weil sie keine Unterschied zwischen TINA schwarz und TINA rot erkennen. Nicht nur im Osten haben die BürgerInnen die Nase voll davon. Alle in die Mitte und jeder mit jedem, da können sie noch so borniert daherschreiben, es kotzt die Leute an und auch darum wählen viele gar nicht oder Protest. Es geht um den Abschied von TINA und weil das auch Merkels zweiter Vorname ist, muss Merkel weg. Es gibt ein breites Bedürfnis nach politischen Wahloptionen: Konservativismus vs. Sozialdemokratie. Die AfD wurde als Rechtspartei aus der Politik der Mitte von CDU und SPD geboren.

     

    Wir sollten außerdem nicht vergessen, wie die Grünen und die Linkspartei entstanden sind. Solange die SPD nicht mit der Linkspartei zusammenkommt, solange sie nicht die Agendapolitik aufgibt, solange wird es in Deutschland keine sozialdemokratische Politik mehr geben. Wenn man das nicht versteht, dann versteht man weder die Wähler noch den Ausgang der Wahlen.

     

    Und darum ist die AfD letztlich zum Rammbock gegen die politische Mitte geworden. Das werden wir auch im Bund erleben. Die großen Koalitionen sind und waren noch stets die falsche Antworten. Folgerichtiger wäre, wenn die CSU bundesweit antritt, damit die CDU nicht zu weit rechts raus muss. Und die SPD wird lernen müssen, was ich oben beschrieb. Ohne verantwortungspolitisches sozialdemokratisches Profil hat sie keine Zukunft und wird zwischen Linkspartei, Grünen und CDU zerrieben. Die SPD kann aber nicht weiter nach links, denn da stößt sie an die Linkspartei. Ergo muss sie mit ihr zusammenkommen. So oder so.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      [...] die Leute nicht wählen gehen, weil sie keine Unterschied zwischen TINA schwarz und TINA rot erkennen. [...]"

       

      Tschuldigung. Es treten bei einer Bundestagswahl 30 - 40 Parteien an. Von den Faschos vom "3.Weg" bis zur MLPD. Wenn jemand da keine Unterschiede findet, liegt das an diesem Mensch. Und zwar NUR an diesem Mensch.

      • @Kaboom:

        Na, dann ist doch die Lösung wirklich einfach: Jeder, der nicht wählen geht, wird ausgebürgert. Deutschland den Demokraten! Natürlich nur den deutschen. Die anderen dürfen ja nicht.

      • 3G
        34970 (Profil gelöscht)
        @Kaboom:

        Äh... ne! Grade nich. Warum soll man irgentwelche Splitterparteien im zehntel Prozent Bereich wählen wenn man akkut was verändert haben möchte? Brauch ich nicht wählen zu gehen! Und diese Leute die also bislang praktisch (!!) keine Wahl hatten die strömen jetzt zur AfD weil die eben nicht im unteren Bereich herumdümpelt und wirklich was verändern könnten. (leider...) Eigentlich ganz logisch den Prozess hier nachzuvollziehen. Btw mit Ossi machst dir hier auch keine Freunde. Vlt mal abrüsten, wa Keule?

      • 2G
        24636 (Profil gelöscht)
        @Kaboom:

        Wenn sie Wahlen verstehen wollen, müssen sie schon wahlstrategisch denken. Ohne Plattformwahl und offene Listen werden solche Kleinstparteien nur von einem bestimmten Charaktertypus gewählt. Nicht aber von Leuten, die ihre Stimme in parlamentarisches Handeln umgesetzt sehen wollen. Den 1 Euro an die Kaninchenzüchter oder Pogo für alle kann man auch so spenden, mehr bedeutet die Stimme dann nicht.

  • Das die Ossis, die nach eigener Meinung irgendwie schon immer Opfer waren (von Honni, Kohl, der Treuhand, den Wessis, den Ausländern, den Flüchtlingen, den Muslimen etc. pp.) ein Faible für die AfD entwicklen, die ja auch seit Gründung in einer Tour Opfer ist (auf der Facebook-Seite "Gewalt gegen die AfD) tauchte als Beispiel für diese Gewalt u.a. ein Tagesschau-Bericht und ein Spiegel-Artikel auf), war zu erwarten.

     

    Schliesslich ist eines mal klar: Es muss ja - und das gilt für AfD-Anhänger ebenso wie für Ossis, die nicht "in den Westen gemacht" sind - ein anderer Schuld sein an der eigenen Situation. Der Griff an die eigene Nase ist bei beiden unbekannt. Und undenkbar.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Aber fährt man durchs Land, wird man von schnellen Autos überholt.

    ...

    Jeden Morgen geht die Sonne über ihrem friedlichen Land auf."

     

    Was ist denn das? Ein Plädoyer für zwangsverordnete Zufriedenheit, weil die Mehrheit ein gutes Leben inmitten der intakten Infrastruktur genießen kann?

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      "Was ist denn das?"

       

      taz goes FAZ würde ich sagen.

    • 2G
      24636 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      "Was ist denn das? "

       

      Das ist eben der Gegensatz zur Retraumatisierung: Der frische gesunde Blick einer Therapierten auf die blühende Landschaft. In der Logik Frau Maiers macht das Sinn.

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Mitleid wäre angemessen, statt Victimblaming der armen, dumm gehaltenen, autoritär sozialisierten Ossis :)

     

    liebe 4.Gewalt,

    welche "Mitverantwortung" hastn Du?

    Wenn Du mehr über Donald T. berichtest als über anstehende Wahlen hier?

    Wenn die AFD nur "Kinderschokolade" sagen muss, um auf den Titel zu kommen und ernsthaft "Debatten" über das Erlauben/Verbieten von Bademode geführt werden?

    Wenn Du so tust als sei Ökonomie eine Naturwissenschaft?

    Wenn Gegenöffentlichkeit zu Verschwörungstheorie wird?

    Eigene Nase anybody?

  • 3G
    35381 (Profil gelöscht)

    Ihrem Beitrag, Frau Maier, fehlt der Blick hinter die Fassade. Altersarmut, Arbeitslosigkeit, Kinderarmut, Hartz IV Leben. Schon mal etwas gehört davon?

    Dies führt mehrheitlich dazu, dass die Leute daheim bleiben oder AfD wählen, nicht die von Ihnen erwähnte Komfortzone. Genau dies ist die Arroganz der Politik und auch einiger der schreibenden Zunft. Ist doch alles prima hier.

    Und dieser Satz:

    "Viel zu viele sind wieder zu Hause geblieben. Und die tragen dann halt Mitverantwortung für solch ein Ergebnis."

    ist unverantwortlich. Wen bitte schön empfehlen sie denn, wenn es nur die Wahl zwischen Pest und Cholera gibt? Schuld sind also nicht die, die regieren und eine Politik

    jenseits des Volkes machen, Ceta und TTIP lassen grüßen, schuld sind diejenigen, die zuhause bleiben. Gehts noch!

    • @35381 (Profil gelöscht):

      Recht haben Sie! Anklam, de Stadt, die in der Serie mehrfach vorkam , hatte vor 12 Jahren eine reale Arbeitslosigkeit von etwa 50% (!) Prozent.







      Jetzt sind es nur noch 15%. Der Rest ist in Frühpensionierung, Massnahmen, Ein-Euro-Jobs und vor allem weggezogen gen Westen. Die Stadt ist vergreist wie kaum ein Ort in Deutschland.







      Darüber hätte die taz berichten sollen. Aber hat sie nicht. [...]

       

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