Wagenknecht, Merkel und Söder: Vom Spalten und Walten

Merkel geht autoritär vor und alle anderen tun, was sie am besten können. Söder probierts mit Alleingängen und Wagenknecht will weiter spalten.

Merkel setzt sich eine Maske auf

Merkel ist eine Wiederwahl wumpe, und damit erreich sie mehr Beliebtheit als die eiernende MPs Foto: Markus Schreiber/reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Seltsames Gefühl: Union ohne Kanzlerkandidat.

Und was wird besser in dieser?

Seltsames Gefühl: Union mit Kanzlerkandidat.

Sie können ausschlafen, die für Montag geplant gewesene Bund-Länder-Runde ist abgesagt! Stattdessen will der Bund Kompetenzen an sich ziehen. Durchgreifen von oben. Das ist doch genau das, was die Deutschen lieben, oder?

Schön paradox: Merkel ist eine Wiederwahl wumpe, und damit erreicht sie mehr Beliebtheit als die eiernden MPs, die nur nach Beliebtheit schielen. Das könnte für eine Begrenzung der Amtszeit von KanzlerInnen sprechen. Mit den Nebelkonferenzen hat sie das Parlament umgangen, und nachdem das noch nicht autoritär genug war, umgeht sie nun die MPKs mit dem Parlament. FDP und Quertrinker stänkern dagegen – doch eher wächst noch die Mehrheit, die ein bisschen härter rangenommen werden möchte. „Das ist ein Pfund!“, sagte Merkel bei „Anne Will“ vor zwei Wochen zu diesen Umfragewerten. Einzig Söder nutzt die neue Lust auf Autorität. Sie kommt ihm charakterlich entgegen und sieht Merkels Wissenschaftsdenke gerade mal zufällig sehr ähnlich. Unterm Strich wächst dem Mehrheitsdeutschen beim Blick in diesen Spiegel eine stylische pimple hood. Kleiner Modespaß: Pickelhaube.

Am Mittwoch erscheint Sahra Wagenknechts neues Buch „Die Selbstgerechten“, zerpflückt wird es jetzt schon. Par­tei­freun­d:in­nen kritisieren, sie stelle sich gegen Fridays for Future und missbillige Migration. Wagenknecht sieht ihre Worte aus dem Zusammenhang gerissen. Was will sie denn nun?

Weltklassepointe: Wagenknecht bashed Linksidentitäre als „skurrile Minderheiten … mit irgendwelchen Marotten“ – und kaum setzt der erwartbare Furor ein, zieht sie ihren iranischen Vater nebst Migrationshintergrund aus der Frise und kontert klassisch linksidentitär. Wie man denn bei ihrer Herkunft Kritik üben könne? Wagenknechts Virtuosität im Spalten ist so fruchtbar – wenn es gegen „die da oben“ losgeht – wie toxisch – wenn sie im eigenen Lager wütet. Deshalb gerann ihr die „Sammlungsbewegung“ zur Sekte. „Sozialismus, aber national“ ist NPD in sexy Netzstrümpfen, nicht jedes Hufeisen bringt Glück. Wer jetzt Wagenknechts Buch empörend findet, muss sich erst mal bei Wolfgang Thierse für seinen schwurbulenten Versuch entschuldigen, der dasselbe Thema in Richtung Gemeinsamkeit versuchte. Und dafür verprügelt wurde.

Italiens Regierungschef Mario Draghi hat den türkischen Präsidenten Erdoğan als „Diktator“ bezeichnet. Zuvor hatte es Aufregung gegeben, weil EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beim EU-Türkei-Gipfel in Ankara auf dem Sofa Platz nehmen musste – mit viel Abstand zu den anwesenden Männern. Grund genug, Draghi als Held zu feiern?

Mist. Jetzt hatte ich gerade gelernt, nicht mehr intuitiv Türen aufzureißen, rechts zu gehen und kommode Sitzgelegenheit anzubieten, weil das je nach wokeness als frauenfeindlich gelesen wurde. Hält der frau für zu blöd, alleine ins Auto einzusteigen? Im vorliegenden Fall allerdings kann man auch Ratspräsident Charles Michel als vertumbtrottelt zeihen, ausgerechnet bei Erdoğan seine „ich hab den Größten“-Arschologie durchzuziehen. Etwas alerter hätte er die Herausforderung erkannt. Nicht zwingend von der Leyen sein Thrönchen angeboten, doch – wir freuten uns an Bildern einer Stehkonferenz.

Der Prinz ist tot, lang lebe … Moment! Großbritannien betrauert das all zu frühe Ableben des 99-jährigen Queen-Gatten Philip. Wer rückt laut Protokoll jetzt auf? Und ist es nicht endlich mal Zeit für eine Frau an Elisabeths Seite?

Andere Frage: Kriegt die Queen jetzt eigentlich Witwenrente?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verspricht Sputnik-V-Impfungen für sein Bundesland. In einem Vorvertrag sicherte er sich 2,5 Millionen Dosen. Ob die tatsächlich geliefert werden können, ist fraglich. Lohnt es sich trotzdem, jetzt noch schnell in den Süden des Landes umzuziehen?

Gut, dass Söder zwischen seiner Polemik gegen Alleingänge noch Zeit findet – für Alleingänge. Ausgerechnet hier ist es reines Showprogramm. Ohne Zulassung durch die EMA kann Bayern nicht verbindlich ordern, und wenn die kommt, ordert Jens Spahn für den Bund und womöglich am Ende doch auch der träge EU-Verbund. Fazit: Söder macht, was er will, und hat nichts dagegen, wenn die anderen auch machen, was er will.

Und was machen die Borussen?

Sieg ohne Tor von Haaland. Eine Vision. Fragen: eaz, pwe

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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