Waffenlieferungen an Ukraine: Südkorea zaudert
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell möchte Südkorea dazu bringen, die Ukraine mit Waffenlieferungen zu unterstützen – bislang ohne Erfolg.
Die Zeitenwende hat auch das Land am Han-Fluss erreicht. Als Südkoreas Geheimdienst im Oktober meldete, dass Nordkorea bis zu 12.000 Soldaten nach Russland entsenden könnte, reagierte die internationale Staatengemeinschaft erst zögerlich.
Längst ist die Beweislage erdrückend: So geht etwa das US-Außenministerium davon aus, dass mindestens 8.000 Nordkoreaner die Region um Kursk erreicht haben. Laut ukrainischen Stellen sind einige bereits auf dem Schlachtfeld. In den Augen von Seoul hat das Kim-Regime damit eine „rote Linie“ überschritten.
Denn Südkorea geht davon aus, dass der Norden für seine Söldner nicht nur mit Geld, sondern auch mit russischer Militärtechnologie entlohnt wird. Zudem können Nordkoreas Soldaten und Waffensysteme Gefechtserfahrungen sammeln, die Pjöngjang auch gegen den Süden einsetzen könnte.
EU und Südkorea: Ähnliche Worte, unterschiedliche Praxis
„Die illegale militärische Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland stellt eine erhebliche Bedrohung für unsere nationale Sicherheit dar. Wir werden alle möglichen Szenarien gründlich prüfen, um Gegenmaßnahmen vorzubereiten“, sagte Präsident Yoon Suk Yeol am Montag.
Zumindest rhetorisch scheint es so, als ob EU und Südkorea denselben Kurs verfolgen. Doch wer sich unter europäischen Diplomaten umhört, bekommt einen gewissen Frust darüber mit, warum Seoul die Ukraine nicht längst stärker unterstützt. So heißt es unter anderem, dass Südkoreas Regierung immer noch darauf spekulieren würde, dass man bei einem baldigen Frieden in der Ukraine wieder zum alten Geschäftemachen mit Russland zurückkehren werde und es sich deshalb mit Putin nicht zu sehr verscherzen dürfe.
Präsident Yoon positioniert sein Land erstmals offensiv als geopolitischer Player, der näher an die Nato heranrückt und die Kooperation mit anderen Demokratien forciert. Auch fordert er zu Recht ein, dass der Westen Südkoreas Sicherheitsinteressen angesichts der wachsenden Bedrohung aus Nordkorea nicht aus den Augen verliert.
Doch zugleich handelt Yoon zögerlich, wenn es um die Übernahme geopolitischer Verantwortung geht. So macht Südkoreas Rüstungsindustrie lukratische Waffengeschäfte mit Polen, doch weigert man sich, der Ukraine Waffen zu liefern.
Seoul will Lieferung „defensiver Waffen“ in Betracht ziehen
In den letzten Tagen hieß es in Seoul zwar, „alle Optionen“ seien auf dem Tisch. Doch ein Sicherheitsberater Yoons sagte unmissverständlich, es gebe keine unmittelbaren Pläne für die Lieferung „tödlicher Waffen“ an die Ukraine. Man werde nur die Lieferung „defensiver Waffen“ in Betracht ziehen, ohne die Begriffe zu definieren.
Am Montag kehrten Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums und Geheimdienstes aus Kiew zurück. Sie sollten unter anderem Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Ukraine ausloten. Dass Südkorea Beobachter nach Kyjiw schicken wird, um die nordkoreanischen Soldaten zu beobachten und in Fluchtfällen berät und schützt, gilt als gesichert.
Doch wird es weitere Militärhilfen zusichern? Bisher scheint Verteidigungsminister Kim Yong Hyun vor allem Zeit schinden zu wollten: Man werde in Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft und basierend auf den Resultaten der südkoreanischen Delegation „notwendige Maßnahmen ergreifen“. Weitere Details nannte er nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Hochradioaktiver Atommüll
Standorte für Endlager weiter eingegrenzt