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Wählerwanderung zur BundestagswahlAfD mobilisiert viele Nicht­wäh­le­r:in­nen

Enttäuschte Ampel-Wähler:innen verschaffen der Union ein starkes Wahlergebnis. Die AfD mobilisiert besonders viele Nichtwähler:innen. Die Linke gewinnt links.

Ganz schön durcheinander: Wer wandert zu wem? Foto: Bernd Weißbrod/dpa

berlin taz | Der dickste Balken ist grau und braun. Er zeigt die mit Abstand größte Wählerwanderung der Bundestagswahl 2025, bisherige Nichtwähler:innen, die sich diesmal für die AfD entschieden haben.

In der Statistik wird sichtbar, wie die in Teilen rechtsextreme Partei die größte Bewegung in der Wäh­le­r:in­nen­schaft einfährt: Fast 2 Millionen der AfD-Wähler:innen waren 2021 nicht zur Wahl gegangen. Deshalb profitiert die AfD erneut von der historisch hohen Wahlbeteiligung von diesmal 84 Prozent: Sie nährt ihr gutes Wahlergebnis maßgeblich durch Menschen, die bei der letzten Bundestagswahl nicht gewählt haben.

Deutlich weniger als die Hälfte der Gewinne bei den ehemaligen Nicht­wäh­le­r:in­nen holt sie jeweils von CDU, FDP und SPD – in dieser Reihenfolge. Trotzdem wechselten insgesamt mehr als 2 Millionen ihrer Wäh­le­r:in­nen mit ihrer Stimme zur AfD.

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Union gewinnt von enttäuschten Ampel-Wähler:innen

Nur die Union gewann mehr Wäh­le­r:in­nen dazu als die AfD, wenn auch nicht mit großem Abstand und nur, wenn man ihre Verluste an andere Parteien nicht einberechnet. Auch sie mobilisierte einige Nichtwähler:innen, allerdings deutlich weniger. Dafür verlor sie durch den kurzen und heftigen Anti-Migrations-Wahlkampf über 900.000 Wäh­le­r:in­nen an die AfD. Andersherum sprangen trotz „harter Kante“ fast keine Wäh­le­r:in­nen von der AfD zur Union.

Es wäre trotzdem fast ein Nullsummenspiel, wären da nicht die vielen ehemaligen Wäh­le­r:in­nen von SPD und FDP, die zur Union wechselten. Rund 1,8 Millionen enttäuschte So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen und 1,3 Millionen Liberale wählten diesmal die Union.

Insgesamt verlor die SPD die meisten Wäh­le­r:in­nen – anteilig an ihrem Wahlergebnis im Jahr 2021 ist jedoch besonders die Selbstauflösung der FDP bemerkenswert: Nicht nur verlor sie sehr viele Wäh­le­r:in­nen an die Union, auch scheint die neoliberale Pipeline Richtung AfD weit offen zu sein: Ganze 800.000 ehemalige Wäh­le­r:in­nen der FDP wählten diesmal AfD. Die totalen Verluste der FDP sind damit nicht ganz erklärt. Viele ehemalige Wäh­le­r:in­nen dürften diesmal gar nicht gewählt haben.

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Linke und BSW mobilisieren

Das Ergebnis des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist zwiespältig. Die neue Zwei-Klassen-Partei mobilisierte hunderttausende Nicht­wäh­le­r:in­nen und annähernd genauso viele enttäuschte Wäh­le­r:in­nen von der SPD. Weniger Wech­sel­wäh­le­r:in­nen kamen dagegen von der Linken – die in diese Richtung trotzdem ihren größten Verlust zu verzeichnen hatte.

Insgesamt bekam die Linke aber deutlich mehr Stimmen von anderen Parteien, hauptsächlich aus der linken Hälfte des politischen Spektrums. Zwar schenkten auch hunderttausende Nicht­wäh­le­r:in­nen der Linken ihre Stimme, aber deutlich mehr kamen von den Grünen und der SPD. Das erklärt die niedrigen einstelligen Verluste bei den Grünen.

Mit großem Abstand lässt sich bei Grünen und Union die stabilste Wäh­le­r:in­nen­schaft feststellen. Nur 1,2 Millionen Wäh­le­r:in­nen entschieden sich 2021 für die Grünen und 2025 für eine andere Partei. Merz’ letzte Wahlkampfmanöver scheinen die Kern­wäh­le­r:in­nen­schaft der Union nicht verschreckt zu haben, denn bei der Union waren es ebensowenige.

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11 Kommentare

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  • Politik gegen den Willen der Mehrheit der Menschen kann nicht funktionieren, das haben die Ampelparteien versäumt zu tun. Das Wahlergebnis war die Konsequenz.

  • "Union gewinnt von enttäuschten Ampel-Wähler:innen" → Das wäre nicht meine Analyse. Aus meiner Sicht ist nicht die Ampel, sondern sehr klar die bisherige Migrationspolitik klar abgewählt. Auf der Gewinnerseite stehen mit Ausnahme der Linken ausschließlich Parteien, die in der einen oder anderen Form gegen Migration sind. Diesbezüglich wünschen sich die Deutschen offensichtlich eine deutliche Kehrtwende.

    Darüber kann auch die Linke nicht hinwegtäuschen, die hier von einem deutlichen Sondereffekt profitiert. Denn sie ist die einzige Partei, die sich glaubhaft gegen die Verschärfung der Migrationspolitik stellte. Damit ist sie das zentrale Sammelbecken aller, die für eine eher lockere Migrationspolitik sind. Das ist gut für die Linke, zeigt aber auch, dass es mit lockerer Migrationspolitik keine Wahlen zu gewinnen gibt. Denn die Linke (und Teile der Grünen) bündeln im wesentlichen das gesamte Wählerpotential für dieses Thema.

    • @Kriebs:

      "zeigt aber auch, dass es mit lockerer Migrationspolitik keine Wahlen zu gewinnen gibt".

      Leider wurde die Alternative genau so verstanden, nicht nur, aber besonders beim Thema Migration: locker vs. streng. Inhalte, Ziele, Auswirkungen und Kosten migrationspolitischer Konzepte spielten in der Debatte keine Rolle. Andernfalls hätten Wähler möglicherweise anders entschieden. Bedauerlich, aber so ist es jetzt.

  • Eine hohe Wahlbeteiligung soll ja gut für die Demokratie sein.

    Womöglich war den Parteien der Mitte gar nicht bewusst, wie schlecht es um die Demokratie in diesem Land steht, weil die Enttäuschten so erfolgreich marginalisiert worden sind.

    Dann wäre die Existenz der AfD an sich gut für die Demokratie.

    Sollte den Parteien der Mitte zu denken geben.

    Und sie motivieren, möglichst viele AfD-Wähler einzubinden.

    Als Strategie gegen rechts.

    Wenn ein politisches System davon lebt, dass möglichst viele sich zurückziehen, kann es langfristig nicht bestehen.

  • Hmm, die AfD beflügelt also die Bürger zum urdemokratischsten Verhalten?

    • @rollef:

      Wenn man das nur daran misst, ob man zur Wahl geht eindeutig ja. Das Problem ist nur, dass man nicht zum Wohle des demokratischen Systems zur Wahl geht, sondern eine Partei wählt, die dieses im besten Fall beschädigen, im worst case zerstören will. Die Verzweifelten und Hasserfüllten haben jetzt ein Ventil, die AfD, und ein Mittel, um den Laden kurz und klein zu hauen.

  • "Ganze 800.000 ehemalige Wäh­le­r:in­nen der FDP wählten diesmal AfD. Die totalen Verluste der FDP sind damit nicht vollständig erklärt. Viele ehemalige Wäh­le­r:in­nen dürften diesmal also gar nicht gewählt haben."



    Vom Bonus zum Malus bei Jung-/ ErstwählerInnen. Die Arroganz der Ampel-Zerstörung von innen und des inszenierten Rauswurfes hat sicherlich das Vertrauen in Loyalität und Staatsräson nachhaltig beschädigt. Gerhart Baum war einer der "letzten Mohikaner" der alten Generation mit den Honoratioren und mit politischem Gewissen.



    Die Lindner-Themen bespielt die Union locker mit der ersten Garnitur aus ihrem Wirtschaftsflügel, dort wird seine Stimme wohl nicht wirklich vermisst als Mehrheitsbeschaffer.

  • Man könnte den Osten Trump anbieten.

    • @Momo33:

      Gute Idee, gerade die Magdeburger Börde wäre ideal für einen riesigen Golfplatz.

  • Originalton Weidel, 2025-02-23:



    Unsere Hand wird immer ausgestreckt bleiben, .....



    Das befürchte ich auch. Und so schnell. Und so hoch. Und so gerade.

    • @Monomi:

      Früher war die GROKO ⬛🟥 - ungeliebt,



      Heute wäre die GROKO ⬛🟫 - hoffentlich niemals realisiert...



      Brandmauer - Merz, ick hör dir trapsen