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Wadephuls Reise nach PekingVorteil für China

Fabian Kretschmer

Kommentar von

Fabian Kretschmer

Westliche Politiker können sich in China die Klinke in die Hand geben – es nützt nichts. China baut auf Machtpolitik und weiß um seine Stärke.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (l, CDU) und Wang Yi, Außenminister der Volksrepublik China, begrüßen sich vor ihrem Gespräch, am 8.12.2025 Foto: Soeren Stache/dpa

M an muss sich Johann Wadephul dieser Tage als deutschen Don Quijote vorstellen: Wenn der Außenminister seine politischen Gespräche in Peking absolviert, dann kämpft er gegen die sprichwörtlichen Windmühlen an. Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich ist es löblich, dass der CDU-Politiker die chinesische Staatsführung erneut dazu auffordert, ihren Einfluss auf Russland auszuüben, damit Wladimir Putin seinen Krieg gegen die Ukraine beendet. Ebenso kann man aus europäischer Perspektive nur gutheißen, dass Wadephul beim Handel mit der Volksrepublik auf fairen Wettbewerb pocht. Oder zur Einhaltung der Menschenrechte aufruft. Chinas militärische Drohungen gegen Taiwan verurteilt – die Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.

Nur steht bereits im Vorhinein fest: Nützen wird es wenig. Die Pekinger Kader haben schlicht kein Interesse, mit dem Gast aus Europa inhaltliche Argumente auszutauschen. Peking spricht nämlich eine ganz andere Sprache, nämlich die der realen Machtpolitik. Und so mögen Wadephul oder euch Emmanuel Macron mit moralischen Appellen und demokratischen Werten nach Peking reisen, doch die Asse im Ärmel sind eindeutig bei Xi Jinping. Der chinesische Staatschef hat in seinen Fünfjahresplänen die eigenen Abhängigkeiten vom Ausland heruntergefahren, aber gleichzeitig das Ausland von China abhängig gemacht.

Zudem ist Xi der festen Überzeugung, dass im Kampf der Systeme der chinesische Sozialismus überlegen ist: Wenn nämlich die Europäische Union einen harten Kurs gegenüber China fahren sollte, kann Peking mit voller Härte eskalieren – und die krisenerprobte Bevölkerung dazu auffordern, den Gürtel enger zu schnallen. Die deutsche Öffentlichkeit hingegen würde wohl schon auf die Barrikaden gehen, wenn im Zuge eines Handelskonflikts mit China die Inflation zurückkehrt oder Smartphones und Kühlschränke empfindlich teurer werden.

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Xi Jinpings weiß um seine Karten, und er spielt sie eiskalt aus. Es bleibt nur zu hoffen, dass er sich möglicherweise verzockt. Bislang jedoch deutet wenig darauf hin.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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11 Kommentare

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  • Europa befindet sich in einer schwierigen Situation, die man sich selbst durch permanente Unterinvestitionen in Spitzentechnologie und eigenständige Verteidigungsmöglichkeiten (nicht global, ich rede nicht von Interkontinentalraketen und Flugzeugträgern) eingebrockt hat. Es gibt zu viel Freihandelsgläubigkeit und zu wenig Industriepolitik (der Markt soll es richten, kann er aber nicht gegen aggressive globale Akteure, die auf Regeln scheißen), zu viele Abhängigkeiten (warum gibt es denn kein Recycling für Seltene Erden?), zu große finanzielle Verwundbarkeit (gegenüber toxischen Finanzprodukten). Die EU-Verträge machen eigentlich nur eins: sie sorgen dafür, dass Europa sich dem globalen Wettbewerb aussetzt mit einer Hand auf dem Rücken (keine Eurobonds, willkürliche Verschuldungsregeln, keine Wirtschaftsregierung). Währenddessen kommt die Angleichung der europäischen Lebensverhältnisse nicht voran, auch dank deutscher Exportüberschüsse.

  • China weiß auch um die Schwäche(n) Europas. Diese wiederum haben die Europäer sich selbst zuzuschreiben. Das ist eben das besondere Risiko und Merkmal visionärer Politik: dass sie an den Realitäten scheitert. Und leider, leider! sind die Deutschen an dieser Stelle mit die verstocktesten und lernresistentesten.

  • Deutschland importierte im Jahr 2024 Waren im Wert rund 156,2 Milliarden Euro aus China, im Jahr 2011 waren es noch etwa 79,5 Milliarden Euro. Bei diesen Zahlen müssten hier alle Alarmglocken klingeln - es ist ganz einfach ein enormes Sicherheitsrisiko.

  • "Die Pekinger Kader haben schlicht kein Interesse, mit dem Gast aus Europa inhaltliche Argumente auszutauschen." Typischer Stil der CDU-affinen deutschen Presse. Aber durch Beschimpfungen ("Pekinger Kader") vergiftet man eher noch das Gesprächsklima. Das scheint auch die Absicht zu sein.

  • Und schon wieder kriechen wir einem Agressor in den rektalen Schlund. Haben wir denn aus Russland und Gazprom nichts gelernt?



    Aber da sieht man wohin Kapitalismus führt. Vernunft, Ethik und Verantwortung gehen den Bach runter, wenn Profite schmelzen und das BIP, Erfolgsmasstab der Politik, ins Stolpern kommt.

  • Genaugenommen hat Deutschland mit China ein einziges Problem. Lange Zeit war China ein klassischer komplementärer Handelspartner, ein Importeur von High Tech und Exporteur von massengefertigter Low Tech. Das ist nicht mehr so, China hat sich im High-Tech-Bereich von einem Absatzmarkt zu einem Konkurrenten entwickelt, der zudem wegen seines riesigen Binnenmarktes eine weit größere Resilienz gegenüber globalen Marktverwerfungen mitbringt. Das ist ein säkularen Wandel, der sich weder zurückdrehen noch aufhalten lässt. Mit dieser Realität muss man zu leben lernen. Eine politische Folge davon ist, dass die chinesische Führung "Machtpolitik" betreiben kann. (Was denn sonst?) Bisher tut sie das nach meiner Wahrnehmung in einer Weise, die weitaus verantwortungsvoller und selbstbeschränkender ist als die westliche Machtpolitik in der Zeit der absoluten Dominanz des Westens. Die letzte militärische Intervention Chinas im Ausland (Vietnam) ist fast 50 Jahre her. Chinesische Kriegsschiffe fahren m.W. auch nicht in der Ostsee herum oder so.

    • @Kohlrabi:

      Was für eine verkürzte und verdrehte Darstellung der Dinge...



      Bei aller berechtigten Kritik an der Politik des Westens (die sich alglemein sowieso äußerst schwierig in einen Topf werfen lässt, viele Veränderungen über die letzten 70 Jahre durchlaufen hat und eigentlich meistens aussschließlich auf die USA und die alten Kolonialmächte bezieht), kann man daraus doch kein Argument für das hegemoniale und tendenziell imperialistische Streben Chinas ableiten!

      Na dann hoffen wir mal, dass bei Ihnen das böse erwachen ausbleibt, wenn China Taiwan entgegen des Willens der Bevölkerung "befreit".



      Toll, keine chinesischen Kriegsschiffe in der Ostsee. Dafür aber vor den Küsten aller Nachbarstaaten im Pazifik. China führt quasi mit allen umliegenden Ländern Territorialkonflikte, um seine regionale Dominanz weiter auszubauen. Zudem treibt das Seidenstraßen Projekt gezielt Länder in absolute Abhängigkeit zu China.



      Darüber hinaus ist Chinas Unterstützung maßgeblich für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.



      So sieht chinesische Außenpolitik aus.

      Im Inland bereibt Konzentrationslager für millionen von Uiguren und ist global führend bei der Anwendung der Todesstrafe. und so weiter..

  • Es wird gerne vergessen, dass China eben eines der größten/bevölkerungsreichsten Länder ist. Gegen 1 Mrd Chinesen sind zB 80 Mio Deutsche eben doch relativ wenig und eher unwichtig.

    • @Gnutellabrot Merz:

      China war schon eins der größten/bevölkerungsreichsten Länder, als der VW Passat das höchste erreichbare Ziel bedeutete. Daran kann es anscheinend nicht liegen.

      Mittlerweile stößt man mit etwas Glück irgendwo janz weit draußen noch auf Menschen, die etwas tun, ohne einen unmittelbaren persönlichen Vorteil davon zu haben. Ansonsten trifft die Überschrift des Artikel den Nagel auf den Kopf.

  • Die europäischen Politiker überbieten sich gerade mit Widersprüchlichkeit.en Unser Aussenminister nutzt die Chance gekonnt, um China medienwirksam für die Flaute in Deutschland verantwortlich zu machen und verspricht dem Volk vermeintliche Lösungen. Ebenso Macron, der China sogar öffentlich droht, damit Stärke beweisen will um noch auf seinem Sessel bleiben zu können.

    Dass Europa massiv von den Chinesen profitiert, verschweigen beide gekonnt. Wo wären wir denn, ohne die ganzen Lieferungen aus China, ohne den billigen Stahl, die billigen Solarzellen und Batterien? Ohne die billigen Teile für unsere Autoindustrie?

    Der Protektionismus über noch mehr Zölle auf Stahl (die EU erhebt seit Jahren horrende Zölle von 40-70% auf viele Stahlprodukte, davon sprechen unsere Politiker aber auch nicht) wird nicht funktionieren. Diverse Industriezweige könnten ohne den billigen Stahl aus China dicht machen. Die heimische Industrie kann gar nicht die Volumen liefern, welche benötigt werden.

    Schon vor Jahren hat man grossspurig auf China gesetzt, Produktionen ausgelagert, sich im chinesischen Binnenmarkt eingenistet, durch beides lange Zeit profitier,t aber alle Warnungen ignoriert.



    -> Sackgasse.

  • Es tut weh, wenn man sich selber noch als Weltmacht oder mindestens an der Seite einer Weltmacht sieht, aber bestenfalls nur noch zweitklassig ist. Da nützt das ganze Festhalten an der Rhetorik von Macht und Stärke nichts, man kann den Stärkeren nicht mehr mit forschen Forderungen gegenübertreten, wenn man nur noch Bittsteller ist. Da erlebt Deutschland, dass, so Wadephul, immer auch für Europa spricht, was es heißt, wenn man fair und als Partner auf Augenhöhe behandelt wird.

    Die europäischen Staatschefs haben es beim EU-Afrika-Gipfel gerade erst noch einmal vorgemacht. Statt mit den AfrikanerInnen auf Augenhöhe zu sprechen, haben sie die Gelegenheit in Angola genutzt, im exklusiven Kreis über die Lage in der Ukraine zu besprechen. Indem waren die AfrikanerInnen unerwünscht. Das war nicht nur eine Unhöflichkeit, es war die klare Ansage, dass die EU Afrika nicht fair und weiter als Partner unter Augenhöhe behandeln wird. Die EU hat sich dort wieder einmal als Dealmaker in eigener Sache präsentiert.