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Wachstum dank Green EconomyDer grüne Motor

Es gibt keinen Widerspruch zwischen Klimaschutz und Wachstum. Ein UN-Bericht belegt: Die Green Economy lässt die Wirtschaft wachsen.

Ein Produkt der Green Economy? Bild: dpa

BERLIN taz | Wer ein effektives internationales Klimaabkommen fordert, hat jetzt ein paar ökonomische Argumente mehr. Ehrgeizige Maßnahmen zum Klimaschutz belasten keineswegs die Konjunktur, vielmehr können sie weltweit ein „Motor für Wirtschaftswachstum und Wohlstand“ sein.

Das ist die zentrale Aussage des Berichts „Better Growth, Better Climate“, der von der internationalen „Kommission für Wirtschaft und Klima“ am Dienstag in New York bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgestellt wird. Eine Woche vor Bans Sondergipfel zum Klima soll er die Chancen für ein effektives Abkommen beim 2015 in Paris geplanten Gipfel erhöhen.

„Der Bericht widerlegt die Ansicht, dass wir zwischen der Bekämpfung des Klimawandels und einer wachsenden Wirtschaft wählen müssen“, sagt Felipe Calderón, Expräsident Mexikos und Vorsitzender der Kommission. Praktisch das gleiche Fazit hatte bereits der UN-Klimarat IPCC im Frühjahr gezogen. In Calderóns Kommission sitzen 24 Experten aus Politik und Wirtschaft, darunter die Chefs der Bank of America, Unilever und der chinesischen Investmentbank CICC.

Ihre These: In die Großstädte der Welt, in die Landwirtschaft und das Energiesystem werden in den kommenden 15 Jahren insgesamt etwa 90 Billionen Dollar investiert werden. Wenn das klug gemacht werde, könne „beides erreicht werden: besseres Wachstum und besseres Klima“. Ohnehin werde es kein „Business as usual“ mehr geben: Die Weltwirtschaft werde in diesen 15 Jahren noch einmal um die Hälfte wachsen, eine Milliarde Menschen mehr den Planeten bevölkern, die digitale Globalisierung fortschreiten.

Gleichzeitig entscheide sich, ob der Klimawandel halbwegs gezähmt werde oder aus dem Ruder laufe. Die Kommission empfiehlt daher, Städte nachhaltiger zu planen, also mit öffentlichem Nahverkehr. Wälder und Böden müssten geschützt und Ackerbau und Viehzucht optimiert werden. Die jährlichen 600 Milliarden US-Dollar an Subventionen für Kohle, Öl und Gas sollten reduziert, erneuerbare Energien weiter verbilligt werden. Die Forschungsetats für Erneuerbare müssten auf 100 Milliarden Dollar verdreifacht werden.

50 bis 90 Prozent der nötigen Reduktionen

Die Kommission, die 2013 von Regierungen aus Kolumbien, Äthiopien, Indonesien, Norwegen, Schweden, Südkorea und Großbritannien berufen wurde, wagt sich sogar an eine Vorhersage: Die Ausgaben für Transport, Energie, Städtebau und Wasserwirtschaft betrügen in der momentanen „dreckigen“ Wirtschaft etwa sechs Billionen Dollar pro Jahr. Mit sauberen Techniken kosteten diese Investitionen etwa 270 Milliarden jährlich mehr, was eine „kosteneffiziente Versicherung gegen Klimarisiken“ locker ausgleiche, heißt es. Würden die Vorschläge der Kommission umgesetzt, könnte dies zu 50 bis 90 Prozent der nötigen Emissionsreduktionen bis 2030 führen, versprechen die Experten.

Und wie erreicht man das? Durch „klare politische Signale“, vor allem einen „verlässlichen Preis für Kohlenstoff“, meint Caio Koch-Weser, der für die Deutsche Bank in dem Gremium sitzt, „am besten um die 40 Dollar zu Beginn und regelmäßig ansteigend“. Derzeit liegt der Preis in der EU bei sechs Dollar. Eine Revision des Emissionshandels ist politisch umstritten. Das zu erreichen sei „ein mühsamer Weg“, gibt Koch-Weser zu. Er weiß, wovon er redet: Von 1999 bis 2005 war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

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5 Kommentare

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  • Der grüne Motor als Garant für ewiges Wachstum! Welch eine Chimäre – es handelt sich bei diesen Vorstellungen um nichts Anderes als um Greenwashing und eine Selbstlüge. Dem liegt der naive und einfältige Glaube zugrunde, die Technologie könnte unsere weltweiten ökologischen und ökonomischen Probleme lösen, ohne daß wir unsere Werte, Einstellungen und unsere Konsumverhalten ändern müßten.

     

    Dabei will ich nicht behaupten, daß wir auf die Vorteile verzichten sollten, die uns sinnvolle und intelligente Techniken anbieten können.

    Beispielsweise seien ökologische Technologien genannt, die Hausbau oder Auto energieeffizienter gestalten. Aber alleine ein geringerer Energieverbrauch reicht nicht aus, wenn auf der anderen Seite mit diesem Feigenblatt als Argument weiter unersetzliche Rohstoffressourcen aufgebraucht und durch Bauplatz oder Neubau von Straßen die Natur zubetoniert wird. Immerwährendes Wachstum und wachsender Wohlstand für alle mit Hilfe von neuen Technologien ist ein Irrglaube, der als quasireligiös zu bezeichnen ist. Ganzheitliche Maßnahmen wie folgende wären erforderlich:

     

    1. Einsatz von sinnvollen technologischen Alternativen, die nicht als Alibi für ein „Weiter-so“ mißbraucht werden.

    2. Anwendung von schonenden regenerativen Energieformen.

    3. Annäherung an ein 100 %iges Recycling für alle in Haushalt und Wirtschaft verwandten Rohstoffe.

    4. Vor allen Dingen die Bereitschaft auf Reduktion des bisherigen destruktiven Wirtschaftens und den Verzicht auf unnötigen Konsum, was in der Regel nicht zu einer Einbuße an Lebensqualität sondern sogar zu einer Zunahme führt.

     

    Grundbedingung für ein Gelingen ist, daß wir unsere von der radikalen Marktwirtschaft geprägten Wertvorstellungen wandeln und den Mut aufbringen, um die vorherrschenden Ideologien aufzugeben und einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Weitere Voraussetzung ist, daß unser komplettes politisches Personal ausgetauscht wird, das lernresistent ist.

  • Wer bezahlt, der bestimmt die Musik, auch wenn die Logik dabei auf der Strecke bleibt. Eigentlich sollte auch ein rational denkender Mensch, also einer ohne von Interessen geprägtem Vorurteil wissen, dass es eine eindeutige Hierarchie gibt bei den Feldern Ökologie (Lebensgrundlagen), Gesellschaft und Ökonomie, wobei Ökonomie eine Unterabteilung von Gesellschaft ist. Wenn nun die Lebensgrundlagen durch ökonomisches Handeln unumkehrbar geschädigt werden, dann ist es mit Zukunft für Menschen und Ökonomie aus. Dabei, das sei zugestanden, ist Klima nur eines von vielen Problemgebieten wie Wasserarmut, Bodendegradation, Energieprobleme (Energie kann nie erzeugt, nur immer mit Verlust umgewandelt werden), Übernutzung des natürlichen Potenzials (overshoot day war vor 3 Wochen) usw. : wann immer da die eine Grenze zur Unumkehrbarkeit überschritten wird, heißt das für uns Menschen, dass wir als Zivilisationsversuch versagt haben und von der Evolution aussortiert werden. - Aber das mit der Nachhaltigkeit werden Ökonomen des Mainstream wohl nie kapieren und die von ihnen beratenen Politiker auch nicht; also weiter so wie bisher mit der marktkonformen Demokratie.

  • Ich kann diesem Artikel nur widersprechen. Ich habe die Studie gelesen und habe festgestellt, dass sie entgegen ihrer Behauptung den Beweis, dass Klimaschutz und Wachstum kompatibel sind, nicht liefert. Dies würde voraussetzen, dass global gesehen eine absolute (und nicht relative) Entkopplung von Wirtschaftsleistung (gemessen in BIP) und Emissionsausstoß zu erreichen wäre. Die Studie bleibt diesen Beweis allerdings schuldig, liefert keine harten Zahlen, die alle Rebound-und Verlagerungseffekte berücksichtigen und läßt auch sehr viel besser belegte Studien, die das Gegenteil nahelegen, außer acht.

     

    Diese Studie zementiert weiter den (politisch gewollten) und gefährlichen Irrglauben, dass wir gefahrlos am Wirtschaftswachstum festhalten können. Andere Studien, die viel genauer zum Thema Entkopplung recherchieren, kommen zu ganz anderen Ergebnissen. Z.B. diese: http://www.sustainable.unimelb.edu.au/files/mssi/PostCarbonPathways_WP1_Alexander_Critique-of-Techno-Optimism_2014.pdf

    • @Christiane Kliemann:

      Kann ich nur bestätigen. Ich zitiere der Einfachheit halber Lili Fuhr von der Böll-Stiftung:

       

      "Ein Blick ins Landwirtschaftskapitel macht schnell klar, dass man mit einer reinen CO2-Brille keine echten Lösungen finden kann. Die Verdrehung der Tatsachen, was die Folgen der Grünen Revolution angeht, kann man den am Bericht beteiligten Organisationen nicht so leicht verzeihen. Im Fazit plädieren sie für mehr Forschungsgelder, auch für Biotechnologie (sprich: auch Gentechnik), zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Im Bereich Waldschutz plädiert der Bericht ganz klar für den Ausbau des REDD-Ansatzes. Die Rechnung enthält mehr als einen strukturellen Denkfehler.

       

      Nun frage ich mich, woran es liegt, dass so viele meiner Kollegen und Kolleginnen aus der Zivilgesellschaft und der globalen Klimaszene diesen Bericht in den höchsten Tönen loben und das Argument des Grünen Wirtschaftswachstumswunders nachbeten? Haben sie den Bericht nicht wirklich gelesen? Gelingt es ihnen nicht, ihre CO2-Reduktionsbrillen abzusetzen und einen umfassenderen Blick auf unsere Krisen und Probleme zu werfen (einschließlich der Machtverhältnisse)? Oder sind sie schlicht verzeifelt angesichts der Dringlichkeit des Problems und greifen nach jedem Strohhalm, den man ihnen hinhält? Für Antworten bin ich dankbar!"

       

      http://klima-der-gerechtigkeit.boellblog.org/2014/09/17/