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WDR muss BSW-Politiker einladenWagenknecht und Wahlplakate

Während das BSW in der „Wahlarena“ zu Gast sein darf, scheinen Wer­be­tex­te­r*in­nen zu streiken: Die Wahlplakate sprechen Bände.

Ein verschönertes Plaket des Bündnis Sahra Wagenknecht in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Roland Hartig/imago

K ennen Sie abgestufte Chancengleichheit? Das ist, wenn der WDR wie bei der „ARD-Wahlarena“ doch das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW reinlassen muss. Dabei sollten sie laut Sendekonzept doch draußen bleiben.

Bei den Öffentlich-Rechtlichen müssen vor Wahlen die Parteien nämlich gleich behandelt werden. Wobei einige gleicher sind als die anderen. Parteien, die eine große Chance haben, wieder ins (in diesem Fall EU-)Parlament einzuziehen, weil sie zum Beispiel schon drin sind, müssen mehr vorkommen und zu Runden wie der „Wahlarena“ eingeladen werden.

Bei kleinen Splittertruppen, die wenig Chancen haben, sieht das anders aus. Allerdings müssen auch Prognosen berücksichtigt werden. Wer wie das BSW da ganz gut liegt, kann sich ebenfalls ein Ei drauf braten. Also rinn damit.

Bei den Slogans der an bald jeder Laterne baumelnden Wahlplakate gibt es leider keine abgestufte Chancengleichheit. Hier setzt sich vielmehr die Steigerungsform „stulle, stuller, am stullsten“ fort. Haben sich denn alle intelligenten Wer­be­tex­te­r*in­nen zum Wahlboykott verpflichtet?

Maul halten wäre angesagt

„Saisonal denken, ist frischer, schmeckt besser“ plakatieren zum Beispiel die Grünen in Leipzig und Umgebung, weil da gleichzeitig Kommunalwahlen sind. Gut, ist immerhin besser als diese sicherheitsfixierten „Ein starkes Europa bedeutet ein sicheres Deutschland“-Plakate mit der streng dreinschauenden Terry Reintke. Annalena Baer­bock lächelt dazu bei „Europas Freiheit verteidigen“ immerhin noch ganz hübsch. Aber so was kam doch früher von der CDU!

„Machen, was zählt“ steht auf allen EU-Plakaten der Grünen. „Du hast dreimal Grün, das ist keine Chancengleichheit“, sagt die Mitbewohnerin. Dafür haben es alle Parteien mit dem Machen, auch die CDU. „Machen, statt Gendern“ plakatiert die. Sahras Truppe setzt populistisch mit „Maulkorb oder Meinung – Sie haben die Wahl“ noch einen drauf. Maul halten wäre da eher angesagt. Dafür macht die FDP nicht mehr in Gelb, sondern in Magenta Werbung und liegt bei den aktuellen Umfragen solide unter 5 Prozent.

Macht bei Europawahlen ja zum Glück nichts. Alle rinn in die gute Stube! Vielleicht ja sogar die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung. Was zunächst mal nach nem Gag der Partei Die Partei klingt, gibt es anscheinend wirklich. Nach der Menge der Plakate zu urteilen auch mit Kohle dahinter. Wäre mal interessant, wo die herkommt. 800 Jahre können wir alle locker werden, behaupten die. Grauenhafte Vorstellung, Kubicki bis ins Jahr 2752 in allen Talkshows!

Dann lieber die Die Partei, die munter ihr „Das kommt alles hier weg!“ plakatiert. In Sachen Satire müssen sich aber auch Sonneborn & Co einer ganz anderen Truppe geschlagen geben. Denn was steht auf dem Plakat der AfD? „Demokratie wählen jetzt!“

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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13 Kommentare

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  • Wenn die Parteien so werben lassen, zeigt das, was sie vom "Souverän" halten: Alles Vollpfosten! Früher: Stimmlich genannt.



    Demokratieverdrossenheit ist die Folge: Jetzt alle Rechts wählen, dann ist das Thema "Wahlen" durch, denn man



    hat keine Auswahl mehr! Mein Land zuerst, schreien alle, wobei den wenigsten, " ihr Land" gehört. Aber in den folgenden Kriegen dürfen sie als erste den Heldentod sterben.

  • Habe im Urlaub in Stralsund zwei geniale Plakete gesehen: "Wählt Linke" und "Wählt Braune". Bei für "Die Partei". Der eine Kandidat heißt Linke, der andere Braune...

  • Die Piraten plakatieren "Transparenz statt Korruption". Word.

  • Die „Freien Sachsen“ (Ekelpartei rechts von der AfD, die sich die Kommunalparlamente mit den aufteilt…) plakatieren für nen „Säxit“. Aus D.? Real-Satire at its best.

  • "Sei kein Arschloch!" von der Volt ist doch ganz nett.

    • @leonavis:

      Das ist auch ein Spruch auf Aufklebern des VAgM e. V.



      Aber die Anzahl der Angesprochenen steigt rasant.

    • @leonavis:

      Ja? Das kannt ich noch nicht. "Trau dich Europa" find ich besser. Sieht man überhaupt viele von denen? Plakatieren und Volt passt irgendwie nicht, schon mal so mit das Beste was man sagen kann. Und ich gehe jetz mal fest davon aus, und hoffe, dass sie trotzdem satt zulegen, das soll das dann unterstreichen. Wer und was da aus der Zeit gefallen wäre. Oder "relevant" wie ich hier auch schon gelesen hab. Kleiner Tipp noch, den Artikel lässt man weg: Volt. Das hab ich schon gelernt, klingt auch besser. Dann gibt's in manchen Sprachen Europas auch gar keine Artikel, aber Volt steht eben für sich und wird überall verstanden.

      Die Verjünger dürften in Berlin grad ihre Hochburg haben, kann ich mich täuschen aber ich glaub der Typ ist aus der Stadt. Und offenbar sehr emsig. Das heisst natürlich nicht, dass da kein Geld fliesst, wer kann schwerer loslassen als Reiche, und experimentelle Zusatzbehandlung Nr. 121 bezahlen; mit Pharma wollt ich nicht gleich was unterstellen. Irrelevanz dann doch schon eher und interessant ist allenfalls, wenn die schon mehr Aufmerksamkeit kriegen als aus der prognostiziert deutlich über 10%-"Resterampe" eben z.B. Volt. Trau dich Europa. Wer wird da Angst haben?

      • @Tanz in den Mai:

        In Bremen sind Volt-Plakate mit die meisten.

  • Die AfD kann noch besser: "Kernkraftwerke für Sachsen!" las ich letztens auf so einem riesigen Aufsteller. Musste wirklich kurz innehalten um mich zu vergewissern, dass nicht irgendwo in der Ecke das "Partei"-Logo prangt.

  • Der Spruch der Linken "Milliardären die Milliarden nehmen" ist besser?

  • fehlt noch CDU mit "Glasfaser verhindern, jetzt!", damit alles so bleibt wie in den 80ern

    • @BierzeltLeitkultur:

      Auch ohne Glasfasern liess es sich in den 80ern ganz gut leben...

      • @Micha.Khn:

        Stillstand ist Rücksicht, auch wenn es vorwärts gegen die Wand geht. ;-)