WDR-„Tatort“ aus Köln: Trautes Heim, Glück allein
Oder doch nicht. Im neuen Kölner „Tatort“ bricht eine Mittelschichtfamilie auseinander. Spannend ist das nicht. Allerdings sind die Augenringe der Schauspieler beachtlich.
Das Sohn wird geweckt, kleine Späße der Mutter, Zähne putzen, an der Wohnungstür wird noch ein wenig rumgealbert, auf dem Stundenplan steht Fussballtraining. Es ist ein Morgen wie jeder andere. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Kindesentführung, ein Ansatz von Zivilcourage, ein Mord. Die beiden Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrend) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln. Schnell werden die ersten Verdächtigen befragt und wilde Vermutungen über Sexualstraftaten aufgestellt.
Regisseur Christoph Schnee setzt die normale Kleinfamilie in Szene. Wie geht sie mit extremen Stresssituationen um? Das ist es, was bei diesem Tatort im Vordergrund steht.
Die Mutter des entführten Kindes, Simone Schäfer, gespielt von Alma Leiberg, ist mit der Situation völlig überfordert, und es scheint, dass sie ein veritables Trauma entwickelt. Großartig, wie ihre Augenringe in jeder Szene stärker werden; wie sie sich nervös kratzt, und gegen Ende von Schlaflosigkeit überfallen wird. Der Vater (Barnaby Metschurat) hingegen gibt sich typisch männlich. Er hat alles unter Kontrolle. Er möchte den Kommissaren helfen, steht ihnen Rede und Antwort. Dann ist er der psychischen Belastung doch nicht gewachsen und leidet im Laufe des Films ebenfalls immer stärker an halonierten Augen.
Während die Ermittler auf der Stelle treten und auch noch die falschen Fragen stellen, hört das idyllische Familienleben auf, zu existieren. Selbst jene, die den Eltern unterstützend zur Seite stehen, knicken irgendwann ein. Es wird zur Zigarette gegriffen und selbst Nichttrinker finden Gefallen am Alkohol. Die sonstigen privaten Probleme Schenks und Ballaufs kommen in dieser Folge nicht zur Geltung. Irgendwie werden sie nur noch zu Nebenfiguren, die professionell einen Mord aufklären.
Auch wenn die Schauspieler eine gute Leistung bei der Darstellung von ganz klar überspannten Mittelschichtsangehörigen zeigen, am Ende ist diese Episode doch ein „Tatort“ nach bekanntem Schema: „Keine Angst, wir sind die Polizei.“ Currywurstbude, Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten