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Vorwürfe gegen Mastbetrieb im EmslandHühner nicht genug gequält

Trotz harter Videoaufnahmen stellt die Staatsanwaltschaft Oldenburg das Ermittlungsverfahren gegen einen niedersächsischen Hühnermäster ein.

Ein totes Huhn liegt in dem Mastbetrieb zwischen Lebenden auf dem Boden Foto: Soko Tierschutz/Screenshot taz

Osnabrück taz | Bilder aus der Massentierhaltung sind nie schön. Aber wer sich das ­Undercover-Videomaterial aus ­einem Hühnermast­betrieb in Meppen im niedersächsischen Landkreis Emsland ansieht, an das die Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz 2023 gelangt ist, braucht starke Nerven: Kranke Hühner werden zur Entsorgung aufgespießt, mit einer Stange mit Dorn, schlagen dabei mit den Flügeln. Hühner werden zur Seite getreten, zu mehreren an den Beinen in Transportboxen geworfen.

Verletzte, fast bewegungsunfähige Tiere liegen im Stall, auch tote, halb verwest und zerquetscht, blutig, blau aufgedunsen, fast federlos, oft nur noch unkenntliche, dunkle ­Flecke. ­Arbeitende stoßen sich zwischen und auf die Hühner, als sei das ein Spiel; ein Huhn wird dabei, wie aus Vergeltung, einem von ihnen hinterhergeschleudert. Man sieht Schmutz, Rücksichtslosigkeit und Gewalt.

„Sadismus als System“ nennt die Soko Tierschutz das. Im August 2023 hat sie den Betrieb bei der Oldenburger Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Landwirtschaftssachen angezeigt, nach Tierschutzgesetz Paragraf 17, Absatz 2, wegen Tierquälerei also. Die Voraussetzungen für eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren: erhebliche Schmerzen oder Leiden, zugefügt aus Rohheit, oder länger anhaltend, sich wiederholend. Fast zwei Jahre lang tat sich nichts, trotz der Härte des Videomaterials. Im Juni 2025 kam dann der Bescheid: Verfahren eingestellt. Gegen alle Beschuldigten. Kein strafrechtlich relevantes Verhalten.

Wer der Aufspießer war, hat die Staatsanwaltschaft nicht herausgefunden. Beim Geschäftsführer der für den Betrieb verantwortlichen Erzeuger-GmbH sei nicht ersichtlich, so Oberstaatsanwalt Dirk Bredemeier in einem Schreiben an die Soko Tierschutz, „dass er strafrechtlich relevantes Verhalten anderer Beteiligter gebilligt oder gefördert hätte“; eine abstrakte Verantwortlichkeit als Geschäftsführer kenne das Strafrecht nicht.

Arbeitende stoßen sich zwischen und auf die Hühner, als sei das ein Spiel

Das Gros der Tritte bezeichnet Bredemeier „eher als Schieben oder Schubsen mit dem Fuß“. Es seien „mit einiger Kraft und Wucht“ Tiere getroffen worden, aber der Eintritt erheblicher Schmerzen sei nicht belegt, denn man habe die Tiere nicht untersuchen können. Das Werfen sei „wenig tierschutzgerecht und grob“, aber der Eintritt länger anhaltender erheblicher Schmerzen oder Leiden durch diese Behandlung sei nicht beweisbar. Das Werfen habe nur wenige Sekunden gedauert, und dass Tiere vor dem Wurf kopfüber gehalten worden seien, könne zu Verletzungen geführt haben, „die länger anhaltende Schmerzen oder Leiden begründen würden“, solche Verletzungen könnten jedoch „nur vermutet“ werden.

Das Sich-auf-die Tiere-Stoßen und das wuchtige Vergeltungs-Werfen bezeichnet er als „grob ungehörig und zu missbilligen“. Statt Rohheit sieht er jedoch nur Gedankenlosigkeit und eine „verständliche Aufwallung“. Fall erledigt.

Mäster kann weitermachen wie bisher

„Die Einstellung des Verfahrens hat eine fatale Signalwirkung“, schreibt Lisa Nürnberger der taz, Mitarbeitende bei Soko Tierschutz. „Es ist ein Zeichen, dass diese Menschen mit den Tieren verfahren können, wie sie wollen, ohne Konsequenzen dafür zu tragen.“ Die Staatsanwaltschaft Oldenburg sei ein „Negativbeispiel in Sachen Aufarbeitung von Tierschutzskandalen“. Der Tierschutz werde damit „massiv untergraben“, die Tiere würden „schutzlos allein gelassen“. Die Soko Tierschutz empört das. Sie hat Einspruch eingereicht.

Bredemeier, von der taz um Kommentierung gebeten, ist im Urlaub. „Es konnte nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass den Tieren länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt wurden“, schreibt Staatsanwalt Thorsten Stein, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg, stellvertretend der taz, „Das Tatbestandsmerkmal der Rohheit setzt zudem voraus, dass das Zufügen der Schmerzen oder Leiden auf einer gefühllosen, fremde Leiden missachtenden Gesinnung beruht. Auch diese Feststellung konnte nach Vernehmung der Beschuldigten im konkreten Fall nicht getroffen werden.“

Die Mäster und Ausstaller können also weitermachen wie bisher. Allein in den fast zwei Jahren des Verfahrens seien vermutlich Millionen von Tieren durch ihre Hände gegangen, sagt Soko-Tierschutz-Leiter Friedrich Mülln der taz. Bei ihm vertieft sich dadurch die Skepsis gegen die Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Ende 2022 hatte die Soko Strafanzeige gegen den Oldenburger Oberstaatsanwalt Bernhard Lucks gestellt, wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung. Er habe Tierschutzverstöße und den Verdacht auf gewerbsmäßigen ­Betrug nicht konsequent verfolgt.

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