Vorwürfe gegen Bioland-Betrieb: Leidende Bio-Schweine
Der Tierrechtsverein Animal Rights Watch deckt brutalen Umgang mit Schweinen in einem Bioland-Betrieb auf. Der Verband sieht keine Missstände.
Weitere Videos von Tierrechtlern vor Ort zeigen leidende Tiere mit kupierten Schwänzen, offenen Wunden und entzündeten Schwellungen an den Beinen. Mehrere Schweine können kaum laufen oder aufstehen. Die Aufnahmen wurden im Mai und Juni diesen Jahres gemacht. Trotz des offenkundig brutalen Umgangs mit den Tieren zeigte Ariwa den Betrieb aber nicht an.
Bereits 2016 hatte der Verein im Eichenhof ähnlich erschreckende Zustände gefilmt. Aufgrund begrenzter Ressourcen war die Tierrechtsorganisation jedoch schon damals nicht in der Lage, den Betrieb bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. In den meisten Fällen würde eine Anzeige ohnehin nichts verändern, ist Ariwa-Sprecherin Sandra Franz überzeugt. Sie hofft stattdessen, dass auf Grundlage der verdeckten Aufnahmen öffentlicher Druck aufgebaut wird und andere Tierschutz- oder Tierrechtsorganisationen die Missstände zur Anzeige bringen.
Eindeutige Verletzungen
Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro zieht dagegen mit seinem Verein vor alle Instanzen, wenn es sich um Verstöße gegen das Tierschutzgesetz handelt: „Wenn selbst dann nichts passiert, haben wir jedenfalls alles ausprobiert“, sagt Peifer. Der Tierschutzverein zeigt allerdings nur eigenes Filmmaterial an. „Dass die Aufnahmen schlimm sind, und dann auch noch in einem Bioland-Betrieb, steht außer Frage“, sagt er. Zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen kann sich Peifer aber nicht äußern. Das Deutsche Tierschutzbüro lässt diese Frage vor einer Anzeige von einem Juristen prüfen.
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zeigte am Montagabend einen knapp 45-minütigen Beitrag mit dem Titel „Die Tricks mit Bio und Öko“. In diesem zeigte der NDR die Aufnahmen der Tierrechtler vor Ort. Auf diesen sind alle trächtigen Sauen kurz vor und während der Geburt in sogenannten Abferkelgittern bewegunslos fixiert. Dies ist nach den Bioland-Richtlinien nur bei „Problemsauen“ rechtens. Der blanke Spaltenboden ist nur dürftig mit Stroh bedeckt, ihr Bedürfnis nach Wühlen und Spielen, wie nach Bioland-Richtlinien vorgegeben, ist laut Ariwa damit nicht gedeckt.
„Tierwohl an erster Stelle“
Die Tierschutzbeaufragte des Landes Berlin, Diana Plange, sagte gegenüber dem NDR: „Das mit der Einstreu ist ein Scherz.“ Es solle dazu dienen, dass die Tiere ihr Wühl- und Erkundungsverhalten ausleben können. Auch zu den Abferkelkörben sagt Plange: „Eindeutige Verletzungen kommen auch durch Druckstellen, die diese Apparate bringen.“ Das gehe gar nicht. „Die Sau liegt auf blankem Betonboden“, sagt sie. Für Plange ist die Fixierung aller Sauen ein klarer Verstoß gegen die Bioland-Richtlinien. Veterinäramt und Bioland seien in der Pflicht, Anzeige zu erstatten.
Der Liegebereich muss weich, trocken und sauber sein. Dafür muss er jederzeit mit ausreichend Einstreu, in der Regel Stroh, belegt sein. Die Lauffläche muss rutschfest und trittsicher sein.
Liegeboxen müssen so konzipiert sein, dass den Tieren ein artgerechtes Ablegen und Aufstehen möglich ist.
Eine Fixierung ist nur bei Problemsauen während und nach dem Abferkeln möglich.
Wühlmöglichkeiten müssen vorhanden sein.
Das Schwänzekupieren ist nicht zugelassen.
Susanne Rihm, Sprecherin von Bioland sagt: „Die Einhaltung unserer Richtlinien und das Tierwohl stehen bei uns an erster Stelle.“ Trotz einer hohen Kontrolldichte könne es allerdings zu Abweichungen kommen. Aus diesem Grund sei Bioland über Hinweise zu Richtlinien-Verstößen sehr dankbar, „da sie uns dabei helfen, Missstände aufzudecken und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um die Bioland-Standards zu wahren“.
Einen Tag nach der schriftlichen NDR-Anfrage habe Bioland unangekündigt den betreffenden Betrieb kontrolliert. Laut Bioland sind die Tiere „in einem einwandfreien Zustand“ und die Bioland-Richtlinien würden eingehalten. Laut dem Betreiber Jochen Kulow und Susanne Rihm habe es auch eine Veterinärkontrolle gegeben, die die Anschuldigungen nicht habe belegen und keine Missstände habe feststellen können. Sandra Franz von Ariwa: „Solches Verhalten kann ja auch nie bei einer Kontrolle aufgedeckt werden.“
Der Erzeugerverband Bioland habe es geschafft, sich durch geschicktes Marketing als Synonym für „artgerechte Tierhaltung“ zu etablieren. Tierprodukte mit Bioland-Siegel verhinderten jedoch kein Tierleid: „Auch dort, wo versucht wird, es freiwillig besser zu machen, werden die Tiere eingesperrt, zwangsgeschwängert, verzüchtet, werden Mutter und Kind nach der Geburt getrennt und nach einem kurzen Leben brutal getötet“, sagt Franz. Nur nach geltendem Recht zu prüfen, reiche deshalb nicht aus „Wem es wirklich um Tierwohl geht, der lebt vegan“, findet die Ariwa-Sprecherin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen