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Vortrag von Alice SchwarzerFrau als Hauptfeind des Islamismus

Auf der Jahrestagung der PsychoanalytikerInnen spricht die Feministin über Frauen, Männer und Grenzen. Leider verfällt sie dabei dem Populismus.

Für Alice Schwarzer ist der entscheidende Konflikt der zwischen Männern und Frauen Foto: dpa

Berlin taz | Eins muss man Alice Schwarzer lassen: Sie ist immer noch schlagfertig. Am Ende ihres Vortrags am Donnerstagabend im Konzertsaal der Universität der Künste in Berlin will die Diskussion nicht so recht in Gang kommen. „Ich weiß, Sie sind es gewohnt, zuzuhören in Ihrem Beruf“, sagt sie. Im Saal vor ihr sitzen an die 500 PsychoanalytikerInnen, die zur Jahrestagung des Berufsverbandes der Psychoanalytiker (DGPT) angereist sind.

Die laufende Jahrestagung des Verbandes steht unter dem Motto „Grenzen“, die Feministin war eingeladen, um in einem einleitenden Vortrag über das Thema „Frauen – Männer – Grenzen“ zu sprechen. Nicht als fachlicher Beitrag, sondern als anregender Einstieg ins Programm. Und Schwarzer liefert.

In eineinhalb Stunden prescht sie durch all die Themen, die ihr derzeit besonders am Herzen liegen: die Burka. Der Islamismus. Die Silvesternacht in Köln. Die Prostitution. Der Frauenhandel. Und all das unter der von Schwarzer vertretenen Analyse, der entscheidende Konflikt in allen Krisen weltweit sei der zwischen Männern und Frauen.

Die massiven Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln seien „der Auftakt eines sexuellen Krieges gegen Frauen“ gewesen, sagte Schwarzer. „Tausende Männer tun Hunderten von Frauen sexuelle Gewalt an – und niemand schützt sie.“ So etwas sei zu ihren Lebzeiten in Deutschland noch nie geschehen. Schwarzer steht auf der Bühne des großen Konzertsaals. Sie spricht frei, bewegt sich durch den Raum, reißt mit.

Die Erfahrungen sprechen für sich

Zur Verdeutlichung ihrer Worte liest Schwarzer ein Kapitel aus ihrem neusten Buch „Schock“ vor, den Erfahrungsbericht einer betroffenen Frau, die in jener Nacht mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern am Bahnhof war. „Eine halbe Stunde waren sie in dieser Hölle und haben keinen einzigen Polizisten gesehen“, sagte sie. Die Familie wurde getrennt, beklaut, die Frauen wurden am ganzen Körper angefasst.

Die Erlebnisse, die nur ein Beispiel von vielen aus dieser Nacht sind, sprechen für sich. Doch Schwarzer reichert sie an mit sensationsheischenden Worten: Ein „Inferno“ sei es gewesen, ausgeführt von „rasende Männermassen“. Solche Gewalt treffe auch verschleierte Frauen. Es sei also kein „kulturelles Missverständnis, wenn Männer aus diesem Kulturkreis sich auf europäische Frauen stürzen. Für sie sind alle Frauen Schlampen, und die europäischen Männer sind in ihren Augen verweichlichte Schlappschwänze“.

Die Ware Frau wird immer jünger, immer manipulierbarer und immer schneller zerstört. Und das alles im Namen der Emanzipation und der Freiwilligkeit

Alice Schwarzer

Schwarzer spricht über ein wichtiges Thema – das Recht der Frau auf sexuelle Selbstbestimmung –, rutscht dabei in ihrer Wortwahl und Argumentation aber in einen Populismus ab, der sich in seiner Form kaum von dem der AfD unterscheidet.

Der Islam als Glaube sei für sie Privatsache, stellt Schwarzer klar. „Ich zitiere auch nicht aus dem Koran oder aus der Bibel. Denn auch da finden sich entsprechende Stellen“. Sie rede stattdessen über den Islamismus, der seit der Machtübernahme Chomeinis im Iran 1979 seinen Siegeszug „über die muslimischen Länder bis ins Herz Europas geführt“ habe. Dieser Islamismus sei der Faschismus der 21. Jahrhunderts, eine Reaktion auf die Moderne und die Erschütterung der Geschlechterrollen.

Nicht durch Fakten gedeckt

Doch so sehr Schwarzer betont, sauber zu trennen, so sehr wirft sie alles durcheinander. Sie spricht von den Tätern in Köln, von denen die meisten aus mehrheitlich muslimischen Ländern stammen. Dann spricht sie von Islamismus – in ihrem Buch ordnet sie die Männer auf der Kölner Domplatte gar dem „Scharia-Islam“ zu. Islamisten, die in Köln strategisch Frauen angreifen – das ist von keinerlei Fakten gedeckt. Aber für Schwarzer passt es in ihr Verständnis des Islamismus, der in erster Linie einen „sexuellen Krieg“ mit dem „Ziel der Vertreibung der Frau aus dem öffentlichen Raum“ führt.

„Und wir führen im Ernst eine Diskussion über das Recht auf Burka“, empört sich Schwarzer. „Und zwar mit dem Argument, die Frauen verschleierten sich ja freiwillig“. Schwarzer baut sich ihre eigenen Überleitungen. Auch in der Prostitution dominiere in den Medien das Bild der “Lobbyistinnen des Sexgewerbes“, die betonten, freiwillig in der Branche zu arbeiten. Frauenhandel sei heute profitabler als der Handel mit Drogen und Waffen, sagt Schwarzer.

„Die Ware Frau wird immer jünger, immer manipulierbarer und immer schneller zerstört. Und das alles im Namen der Emanzipation und der Freiwilligkeit“. Dieser Satz reicht Schwarzer an Zuspitzung noch lange nicht: „Die posttraumatischen Störungen dieser Frauen gleichen denen von KZ-Überlebenden“, schiebt sie hinterher. Ein Vergleich, bei dem sich einem die Nackenhaare aufstellen.

Schwarzers Argumentation ist höchst problematisch. Sie spricht über Themen, über die gesprochen werden muss. Sie benennt Probleme, die benannt werden müssen. Aber sie tut es in vielen Fällen auf eine Art, der die nötige Differenziertheit ebenso abgeht wie die Faktenlage.

Sexismus-Debatte ist nötig

Doch sie beweist auch immer wieder, dass sie ein Gespür für die feinen gesellschaftlichen Nuancen hat – wenn sie denn will. Wie sie die Relation sehe zwischen den Sexismusvorwürfen der CDU-Politikerin Jenna Behrends an ihre Partei und der täglichen Gewalt, der Frauen etwa in der Berliner U-Bahn ausgesetzt seien, will ein Mann aus dem Publikum wissen. Behrends hatte dem Berliner CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel vorgeworfen, sie eine „große süße Maus“ genannt und einen Parteikollegen „Fickst du die“ gefragt zu haben.

„Ich höre aus Ihrer Frage heraus, dass sie das eine als weniger wichtig erachten“, antwortet Schwarzer. „Sie müssen sich das Klima mal vorstellen, in dem sich diese junge Frau bewegt. Wie soll sie noch den Kopf heben und sagen: Ich mache Politik?“ Natürlich sei der Horror immer steigerbar. Aber diese Debatte sei nötig, nicht nur in der CDU. „Das läuft überall so. Und das muss auf den Tisch“, sagt Schwarzer.

Als sie über die Reaktion der Frauen-Union Berlin Mitte auf Behrends' Vorwürfe spricht, bekommt ihre Stimme einen traurigen Unterton. „Weil sie offensiv auf Männer zugeht, ist sie selber Schuld“, gibt Schwarzer deren Haltung wieder. „Weil sie eine Affäre hatte, darf sie sich nicht über Sexismus beschweren“.

Ein Minimum an Solidarität untereinander müssten Frauen doch haben. „Verstehen Sie mich nicht falsch, über die Solidarität der Männer freuen wir uns enorm! Aber dass Frauen uns und längerfristig auch sich selbst immer wieder verraten, das ist ein schmerzliches Kapitel.“

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11 Kommentare

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  • Wenns Couch-Artisten was langweilig wird & sie einen steuerlich absetzbaren Hock abhalten - mag das ja gut kommen - so eine Krawallschachtel einzuladen - wenn sich grad außer Zuhören - sonst nichts bewegt - but!!

     

    Daß hier dem Rapunzelchen am Rhing im erschlichenen Bayenturm nicht nur das Haar gelassen wird - sondern anerkennende Kränze zum dort Runtergelassenen geflochten wird -

    Im Jargon "…mit offenem Visier…

    usw usf ff" - hälste im Kopp nich aus -

    Nimmt denn doch wunder.

     

    One-Trick-Pony - "Frauen vs Männer!"

    kurz - Manichäerin! - have a look at

    Wilhelm Busch "Jeder…ist auch ein Grobian!" Wohl wahr!

  • "Sie rede stattdessen über den Islamismus, der seit der Machtübernahme Chomeinis im Iran 1979 seinen Siegeszug „über die muslimischen Länder bis ins Herz Europas geführt“ habe."

     

    Genau so sehe ich das auch.

     

    und zu Populismus Wikipedia -

     

    In der politischen Debatte ist Populismus oder populistisch ein häufiger Vorwurf, den sich Vertreter unterschiedlicher Richtungen gegenseitig machen, wenn sie die Aussagen der Gegenrichtung für populär, aber nachteilig halten.

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ist wer öffentlich das Christentum kritisiert auch ein rechts-rassistischer Render?

  • Frau Schwarzer war für mich noch nie Sympathieträgerin. Meinen Respekt hat sie aber trotzdem...auch wenn es wirklich so scheint, als habe sie sich anstecken lassen vom grassierenden Populismus.

     

    Man weiß mittlerweile gar nicht mehr wo man anfangen soll... ich habe das Gefühl die deutsche Gesellschaft triftet in eine Massenhysterie. Viele Menschen die vor einigen Monaten noch Flüchtlingen geholfen haben, fürchten sich jetzt und geben sich der Stimmung hin, die auch Alice Schwarzer verbreitet.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @Nobodys Hero:

      Ich mochte sie auch nie besonders aber das sie sich hat anstecken lassen kann man nicht sagen.

      Frau Schwarzer hat schon vor über zehn Jahren Kritik am Islam betrieben. Da war ihr Standpunkt noch nicht sonderlich populär und es wurde wenig(er) über ihre Kritik berichtet.

       

      "ich habe das Gefühl die deutsche Gesellschaft triftet in eine Massenhysterie."

      Ich denke da muss man etwas differenzieren. Der ländlichen Bevölkerung ergeht es teilweise tatsächlich so. Es gibt Dörfer da gab es Jahrelang nicht mehr als eine Handvoll Migranten und auf einmal machen sie 20% der Bewohner aus. Das ist natürlich ein Kulturschock für die Alteingesessenen und das ist fruchtbarer Boden für rassistische Zeitgenossen.

       

      Auf der anderen Seite gibt es eben auch einfach Randgruppen die in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge sehr sehr schlecht behandelt werden. Schwule und Juden ergeht es im Nahen Osten ziemlich mies und in der Tat ist auch der Stand der Frauen in vielen Ländern noch sehr schlecht. Natürlich ist Syrien nicht mit Saudi Arabien zu vergleichen aber der Abstand zu dem was wir hier an Gleichberechtigung gewohnt sind ist dennoch groß.

      Diesen kulturellen Unteschied als Problem zu benennen gilt vielen ja bereits als Rassistisch. Wenn man über sowas nicht mehr reden kann ohne das man als Rassist verschrien wird dann entstehen Phänomene wie die AfD, wo dann teilweise völlig enthemmt drauf los gepoltert wird.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        "Ich denke da muss man etwas differenzieren. Der ländlichen Bevölkerung ergeht es teilweise tatsächlich so. Es gibt Dörfer da gab es Jahrelang nicht mehr als eine Handvoll Migranten und auf einmal machen sie 20% der Bewohner aus. Das ist natürlich ein Kulturschock für die Alteingesessenen und das ist fruchtbarer Boden für rassistische Zeitgenossen."

         

        Da haben Sie natürlich ein stückweit recht...

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das was Frau Schwarzer sagt mag jetzt populistisch sein, sie hat es aber auch schon gesagt als es in den Kreisen in denen Sie es geäußert hat noch sehr unpopulär war. Damals hat die “Islamophobie” Keule noch deutlich besser gezogen als heutzutage und mit der hat sie dann auch Prügel kassiert bis zum Abwinken.

     

    “...rutscht dabei in ihrer Wortwahl und Argumentation aber in einen Populismus ab, der sich in seiner Form kaum von dem der AfD unterscheidet.”

    Nun das Problem hier ist, wie schon häufiger erwähnt, das die AfD die einzige Partei ist die bestimmte Themen anspricht. Deshalb lässt sich Kritik am Islam schnell in diese Ecke rücken. Vermutlich könnten auch andere Parteien Wähler zurückgewinnen, wenn sie sich diesem Thema nicht mehr aus Prinzip verschließen würden.

     

    Das Frau Schwarzer den Islamismus primär als “sexuellen Krieg” sieht liegt daran das sie, wie viele Ideologen übringens, ihre ganze Weltsicht auf ein Thema ausrichten und alle Annahmen im Kontext dieses Themas betrachtet.

     

    “...der entscheidende Konflikt in allen Krisen weltweit sei der zwischen Männern und Frauen.”

    Bei aller Freundschaft. Das ist einfach Unsinn! Ein Blick nach Isreal/Palestina, Syrien oder Griechenland beweist das Gegenteil!

    • @33523 (Profil gelöscht):

      sie schreiben ... zitat: “...der entscheidende Konflikt in allen Krisen weltweit sei der zwischen Männern und Frauen.”

      Bei aller Freundschaft. Das ist einfach Unsinn! Ein Blick nach Isreal/Palestina, Syrien oder Griechenland beweist das Gegenteil!"

       

      das sehe ich genauso. Und darüber hinaus ist die undifferenzierte und meiner meinung nach auch unverantwortliche argementation von Frau Schwarzer ein schlag ins gesicht derer, die von diesen konflikten betroffen sind und ebenso derer, die sich verantwortungsvoll um konfliktlösung und betroffenenhilfe bemühen.

  • Keine Ahnung warum bei manchen Menschen ein qualitativ anderes Maß angelegt wird als im Durchschnitt? Liegt die Erwartungshaltung hier höher? Wenn ja warum?

     

    Es ist ihr Job nicht langweilig zu sein. Sie ist Publizistin und klappern gehört zum Geschäft. Durch besondere Ungerechtigkeiten hat sie sich nicht hervorgetan. Außerdem ist sie bereit die Schäge einzustecken.

    Respekt und weiter so auch wenn einige Aussagen natürlich trollartige Steilheit annehmen. Kann ich tolerieren da sie das mit offenen Visier macht!

  • Frau Schwarzer ist leider das Thema abhanden gekommen. Solange in der westlichen Welt die RECHTE der Frauen im Vergleich zu den Männern eingeschränkt waren, konnte der Schwarzersche Feminismus seine einseitige Polemik rechtfertigen. Mittlerweile tragen Männer und Frauen Konflikte auf Augenhöhe aus, dazu gehört eben auch Fairness und die Fähigkeit, die Position des anderen einnehmen zu können. Dazu ist Frau Schwarzer leider nicht in der Lage.

     

    Beispiel: Wenn eine lesbische Frau in der Partnerschaften eher dominant und dominierend ist, dann sei das eine persönliche Sache und nicht grundsätzlich zu kritisieren. Das gleiche Verhalten bei einem heterosexuellen Mann wird als Unterdrückung und systembedingt ausgelegt.